Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Max Verstappen (Red Bull-Honda): So hilft ExxonMobil

Von Mathias Brunner
​Achter Sieg von Max Verstappen beim Grand Prix von Brasilien. Ein Steigbügelhalter des Erfolgs, der meist im Verborgenen arbeitet: Dario Izzo von Red Bull Racing- und Honda-Partner ExxonMobil.

Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner lobt Motorpartner Honda: «Das Fabelhafte an Honda ist – die Japaner konzentrieren sich voll und ganz auf die Arbeit mit Red Bull Racing und Toro Rosso. Ein erheblicher Unterschied zu 2018: Unser damaliger Motorenlieferant Renault arbeitete für das Werksteam mit einem anderen Kraftstoff- und Ölpartner. Wenn unsere Leute von ExxonMobil etwas Neues ausprobieren wollten, dann mussten sie sich bei der Prüfstandsarbeit hinten anstellen.»

«Mit Honda läuft das ganz anders. Vor allem die Verzahnung zwischen den Japanern und ExxonMobil ist extrem gut. Wir werden in die ganzen Entwickungen von Honda eingebunden, und das schliesst die Arbeit mit Rennsprit und Schmierstoffen ein. Das ist ein echtes Dreieck, eine wahrhaftige Partnerschaft.»

David Tsurusaki, Motorsport-Technikchef von ExxonMobil: «Wir haben für das Rennen von Japan einen neuen Kraftstoff entwickelt, mit chemischen Zutaten, die in dieser Form in der Formel 1 noch nie verwendet worden sind. Der Rahmen bei der Spritentwicklung wird vom Autoverband FIA eng gesteckt. Wir dürfen nur Chemikalien verwenden, die sich auch im handelsüblichen Kraftstoff finden lassen. Ganz neu sind sie also nicht. Aber sie wurden unseres Wissens in dieser Kombination noch nie im GP-Sport eingesetzt. Wir haben damit das erhoffte Leistungsplus erreicht. Ich darf nicht sagen, wie gross dieses Plus ist. Aber es handelt sich um einen der grössten Fortschritte, seit wir mit Red Bull Racing arbeiten.» ExxonMobil hatte zwei Jahre an dieser Sprit-Spezifikation getüftelt.

Die Leistungssteigerung durch ein enges Bündnis mit einem Kraftstoffpartner wird oft übersehen und ist doch elementar. Kurz vor dem Start der Formel-1-Saison 2019 hatte Ferrari-Teamchef Mattia Binotto im Fahrerlager des Albert Park Circuit verraten: An der Leistungssteigerung von Ferrari beim 2018er Motor war Kraftstoff- und Schmierstoffpartner Shell zu 21 Prozent beteiligt. Der in der Schweiz geborene Techniker sagte: «Das ist eine enorme Zahl. Shell ist wesentlich daran beteiligt, dass wir 2018 eine so gute Saison zeigen konnten. Diese Zahl zeigt auch, wie unerlässlich die enge Kooperation zwischen einem Motorhersteller und einem Kraftstoffhersteller geworden ist.»

Das gilt auch für Red Bull Racing und Honda mit ExxonMobil. Als Verstappen im Training von Interlagos mit einem soliden Training den Grundstein zum Sieg legte, freute sich einer im stillen Kämmerlein. Oder sagen wir, im nicht ganz so stillen Kämmerlein. Denn der Arbeitsplatz von Dario Izzo ist ziemlich laut – mitten in der Red Bull Racing-Box stehen die Messgeräte des Italieners.

Wie wichtig die Arbeit in Izzo und seiner Kollegen ist? Zwei Mal allein in der Saison 2018 konnten durch die Schmiermittel-Analyse Motorschäden bei Red Bull Racing verhindert werden.

Ein paar Zahlen, die Eindruck machen: Im Motor müssen 4000 bewegliche Teile geschmiert werden, neun Mal pro Minute zirkuliert das 950 Grad heisse Öl durch die 1,6-Liter-V6-Maschine.

Während in einem Grand Prix Verstappen 100 Kilo Sprit verbrauchen darf, geht es bei Izzo eher um Tropfen: Im Laufe einer Saison nimmt er gut 1100 Proben im so genannten «ExxonMobil Track Lab» um sicherzustellen, dass mit den Kraft- und Schmierstoffen in den Rennern von Red Bull Racing alles okay ist. Jede Probe erlaubt mehr als 1000 Analyse-Punkte, die mit einer Datenbank verglichen werden. Ölproben erlauben einen tiefen Einblick in überhöhte Abnutzung durch Metallpartikel, dies kann auf sich anbahnende Schäden hindeuten.

Die offizielle Bezeichnung von Izzos Job ist technischer Berater, wobei dies die Bedeutung seiner Arbeit nicht gebührend umschreibt, wie ich finde. Berater, das klingt eher passiv, der quirlige Italiener hingegen ist überaus aktiv. Stellt Izzo bei einer seiner Proben Unregelmässigkeiten fest, dann ist es es, der die Honda-Techniker und Red Bull Racing-Ingenieure davon in Kenntnis setzt, dass etwas im Busch ist. Erster Ansprechpartner von Izzo ist der Chefmechaniker, was das Getriebe angeht und die Hydraulik, sowie der leitende Honda-Techniker, betreffend des Motors.

Dario Izzo: «Abhängig vom Kilometerstand werden die gebrauchten Öle von Getriebe, Motor und Hydraulik sowie die restlichen Schmiermittel auf ihre Konsistenz geprüft, um Fehlern vorbeugen zu können. Ich vergleiche das immer mit einer Blutprobe beim Menschen: Der Arzt erkennt im Blut Anzeichen für ein mögliches Problem, wir erkennen das auch im Öl. Denn wir dürfen nie vergessen – pro Saison und Fahrer sind nur drei Motoren gestattet. Wir können uns keine Schäden leisten. Um genau zu sein, ist mit weniger und weniger erlaubten Triebwerken pro Jahr die Arbeit der Öl-Experten immer wichtiger geworden. Weil sie in Sachen Standfestigkeit sofort Alarm schlagen können.»

Wie würde der in Prag lebende Italiener seiner Arbeit umschreiben? «Ich bin gewissermassen das reisende Gewissen der ganzen Treib- und Schmierstoffe. Das Labor reist zu jedem Rennen mit. Es geht um eine anhaltend hohe Qualität unseres Esso-Rennbenzins und des Mobil1-Öls. Wir müssen beim Autoverband FIA die exakte Formel von Sprit und Ölen definieren, also gilt es, diesen Stand ständig zu überprüfen.»

«Der zweite Teil meiner Arbeit besteht wie erwähnt in der Überwachung: Wir nehmen all diese Proben aus dem Motor, aus dem Getriebe, aus der Hydraulik. Wir wissen genau, welche Bestandteile im Öl vorhanden sein müssen, welchen Verschleiss wir erwarten. Ein übermässiger Anteil von Metallteilen kann auf ein nicht mehr optimal arbeitendes Teil hinweisen. Das Track Lab ist für Red Bull Racing keine luxuriöse Spielerei, sondern ein wichtiges Arbeitswerkzeug.»

Die verschiedenen Öle sind übrigens unterschiedlich eingefärbt: Sollte es zu einem Leck kommen, wissen die Mechaniker sofort, um welches Öl es sich handelt – Motor, Getriebe oder Hydraulik.

Izzo weiter: «Die Überwachung von Motoröl, Getriebe und Hydraulik bedeutet – mindestens drei Proben pro Auto und Tag, damit kommen wir auf 18. Was den Rennsprit angeht, so nehme ich Proben aus jedem Fass, um sicherzustellen, dass es keine Verschmutzung gibt, bevor das Benzin in den Tank der Autos kommt. Die FIA kann jederzeit Spritproben verlangen, ich würde sagen, das sind nochmals mindestens 20 pro Wochenende.»

Dario Izzo weiss: Er ist nicht alleine. «Beim China-GP gab es mal eine Situation mit bestimmten Schwebeteilchen im Motoröl. Um ein tieferes Verständnis zu erlangen, ist uns ein Techniker von ExxonMobil in Shanghai zur Hilfe geeilt, der in seinem Labor entsprechende Tests durchgeführt hat. Am nächsten Morgen hatten wir die Antworten, die wir gesucht hatten.»

ExxonMobil stellt unter Technikchef Tsurusaki zwei Ingenieure zur Verfügung – Dario Izzo für Red Bull Racing sowie Sean Dunnett für Toro Rosso. Izzo weiter. «Es ist von unschätzbarem Vorteil, dass wir als Sprit- und Ölpartner mit zwei Teams, aber nur mit einem Motor arbeiten können. Auf diese Weise erhalten wir Ergebnisse noch schneller. Die Arbeit mit Honda läuft überaus gut. Sobald wir etwas Neues entwickelt haben, wissen wir – Stunden später kommt das in Sakura auf die Prüfstände.»

«Die enge Verzahnung mit Honda ist extrem wichtig. Sobald ein Motor verbessert wird und sich etwa die Parameter in der Brennkammer ändern, testen wir verschiedene neue Spritformeln, um daraus die besten Leistungswerte zu erhalten. Wir sind dabei nicht ganz frei: Pro Saison dürfen wir fünf Updates bringen in Sachen Benzin. Wir schöpfen das in der Regel selten aus, weil wir auf hohem Niveau anfangen und dann die Evo-Schritte kleiner sind. Zwei bis drei neue Spritversionen pro Saison sind realistisch.»

Izzo und Dunnett sind nicht nur für die Tests im Pistenlabor verantwortlich, sondern auch für die komplette Logistik – also wie die ganzen Treib- und Schmierstoffe rund um die Welt geschickt werden.

In den Labors zuhause arbeitet ein gutes Dutzend Techniker für die Formel 1. Dario Izzo sagt: «Die gleichen Fachkräfte arbeiten an Serienprodukten. Das bedeutet, dass Erkenntnisse aus dem Rennsport sehr schnell in Produkte die Strasse einfliessen. Das Ganze funktioniert aber auch in die andere Richtung – wenn für die Serie etwas gefunden wird, das auch im Motorsport von Nutzen ist.»

Zwischendurch gibt es auch ungewöhnliche Aufgaben: In Belgien etwa sprang Izzo bei Toro Rosso für seinen Kollegen Sean ein und übernahm auch gleich den Job, im Grand Prix für Pierre Gasly die Boxentafel auf die Piste zu halten!

Zu seinem Arbeitsgerät im Track-Lab sagt der Italiener: «Ich arbeite vorwiegend mit zwei Werkzeugen – mit dem Gas-Chromatographen und mit dem optischen Funkenspektrometer. Die dem Chromatographen lassen sich Unreinheiten im Sprit sehr schnell feststellen. Beim Spektrometer verdampfen wir Öl, ein optischer Sensor liest die Flamme, um die enthaltenen Metallspuren zu messen.»

Die Analyse geht in Formel-1-Tempor vonstatten: Vom Auto bis zu einer ersten Analyse aus den Messgeräten vergehen gerade mal fünf Minuten.

Ein solcher Speed ist auch notwendig. Dario Izzo erinnert sich: «Es gab im vergangenen Jahr mit Daniel Ricciardo ein Problem im dritten freien Training. Aufgrund der Öl-Analyse kamen wir schnell darauf, dass es sich um ein Problem mit dem Turbolader handeln musste. Das Teil wurde ersetzt, Daniel qualifizierte sich als Sechster – und hat am Sonntag gewonnen. Durchaus denkbar, dass er ohne unsere Kenntnisse stattdessen wegen Motorschadens ausgeschieden wäre.»

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