Jacques Villeneuve zu Vettel–Leclerc: «Machtgehabe»
Es wird anhaltend und kontrovers darüber diskutiert, wer an der Ferrari-Blamage den grössten Teil der Schuld tragen sollte. Aber egal, ob Vettel dieses Mal der böse Bube ist oder nicht – die Fakten ändern sich nicht: Beide Fahrer draussen, Podestplatz futsch.
Jacques Villeneuve war als GP-Experte der italienischen Sky und des französischen Canal+ in Interlagos und ist dieser Meinung: «Zunächst einmal war der Kontakt zwischen den beiden Ferrari aber so etwas von unnötig. Das war reines Machtgehabe, da ging es doch nur um die Frage – wer ist der stärkere Leitwolf?»
Wer ist also gemäss des elffachen GP-Siegers Schuld? Villeneuve: «Das ist wirklich 50:50. Viele, die nun lautstark Vettel kritisieren, sie sehen eine Ferrari-Zukunft nur mit dem Monegassen. Ich finde allerdings, Charles hat sich in jenen Sekunden ziemlich aggressiv verhalten. Er ging vor der Kollision in der ersten Kurve nach Start und Ziel nur deshalb so leicht an Vettel vorbei, weil es sich um seinen Stallgefährten gehandelt hat, weil also Sebastian die Tür nicht zuwarf. Aber dann, am Ausgang der Kurve 3, hat Leclerc gesehen, dass Vettel mit viel mehr Schwung aufkommt und ist kurz nach rechts gezuckt. Und Sebastian? Er hat sein Auto zunächst einen Moment nach links hinübertragen lassen, aber dann ist er gerade diese Passage hinuntergefahren, so wie man halt die folgende Kurve anfährt. Nein, für mich sind beide Fahrer zu beschuldigen.»
Es ist ironisch, dass ausgerechnet der 48jährige Freigeist aus Kanada dafür plädiert, dass bei Ferrari nun etwas geschehen muss. «Jetzt muss Ferrari im Sinne des Teams handeln. Den Piloten komplette Freiheit zu überlassen, das ist ein hehres Ziel und grundsätzlich zu begrüssen, aber die Piloten müssen diese Freiheit klug nutzen und dürfen sie nicht missbrauchen, so wie das Vettel und Leclerc in Brasilien getan haben.»
«Das Problem jetzt ist – Vettel und Leclerc sind beide vom Gedanken erfüllt, der Andere habe Schuld. Das ist ein Kampf auf hohem Niveau zwischen zwei Rennfahrern, die darum kämpfen, sich als führende Persönlichkeit im Team durchzusetzen. Und das ist für Ferrari als Team schlecht.»