David Coulthard: «Vettel hängt in den Seilen»
Die Kollision der zwei Ferrari-Fahrer Sebastian Vettel und Charles Leclerc ist bei Fans und Fachleuten ein heisses Thema nach dem turbulenten Grand Prix von Brasilien. Der Schotte David Coulthard hat das Geschehen vor Ort für den englischen Sender Channel 4 verfolgt. Der 246fache GP-Teilnehmer kommt bei den Briten sofort auf den Punkt: «Vettel hängt schon die ganze Saison über in den Seilen. Das ist eine ganz schwierige Saison für den Deutschen mit diesem Charles Leclerc, der ins Team gekommen ist und sofort seinen Speed bewiesen hat.»
«Sebastian ist vierfacher Weltmeister, aber Fakt ist, dass Charles Leclerc eine Pole-Position nach der anderen herausgefahren und Vettel im WM-Zwischenklassement hinter sich gelassen hat. Erfolge in der Vergangenheit garantieren dir eben keine Erfolge in der Zukunft.»
«Ich weiss, dass verzweifelte Menschen verzweifelte Dinge tun. Ich würde jetzt nicht so weit gehen und Seb als verzweifelt bezeichnen, aber Vettel ist im Rad-an-Rad-Kampf einfach nicht so gut wie andere Fahrer.»
Für den WM-Zweiten von 2001 steht fest, wer bei der Kollision der Ferrari die Hauptschuld trägt. Coulthard schildert: «In Kurve 1 hinein ist Charles auf der Bremse sehr aggressiv und taucht an die Innenseite von Vettel. An jener Stelle musste sich Sebastian einige Male überholen lassen. Anschliessend erhält er dank des verstellbaren Heckflügels die Möglichkeit, sich früh in den Windschatten von Leclerc zu setzen. »
«Leclerc deckt klug die Innenseite ab, lässt rechts aber eine Wagenbreite Platz. Dann jedoch passiert das Entscheidende: Vettel drückt ihn ganz leicht nach links, und bei Tempi jenseits von 300 Sachen reicht die leisesten Berührung um Schäden zu verursachen, wie wir sie dann an den Ferrari gesehen haben.»
«Später sahen wir, wie Vettel einige Steine herumkickte. Das erinnerte mich an seinen Ausrutscher von Hockenheim 2018. Aber wenn er in den Spiegel sieht, dann weiss er genau, wer den Löwenanteil der Schuld tragen muss an diesem Unfall.»
Wie geht es gemäss des 13fachen GP-Siegers bei Ferrari nun weiter? David Coulthard: «Ich glaube, Teamchef Mattia Binotto hat genügend Stärke und Charakter, um den beiden klar zu machen – das ist nicht akzeptabel. Die ganze Situation ist äusserst heikel. Aber Fakten sind Fakten, die lassen sich nicht leugnen, sonst ist dieses Arbeitsverhältnis beendet. Was passieren wird? Ich schätze, sie werden sich die Hände reichen.»
«Aber wir haben es hier mit zwei Rennfahrern in völlig unterschiedlichen Phasen ihrer Karriere zu tun. Charles hat mit seinen 21 Jahren noch nicht die Erfahrung von Vettel. Er wird sagen: ‘Gut, ich werde das nicht noch einmal machen.’ Aber bei Vettel sieht es so aus, dass ihm schlicht die Zeit ausgeht. Bei Sebastian muss man sich wirklich fragen, ob ihm noch genügend Zeit bleibt, um mit Ferrari Weltmeister zu werden.»