Max Verstappen (Red Bull Racing-Honda): Vorteil weg?
Max Verstappen in Brasilien
Max Verstappen hat die Grossen Preise von Mexiko 2017 und 2018 gewonnen, und wenn alles optimal gelaufen wäre, dann hätte er auch in Brasilien zwei Mal gewinnen müssen. Vor einem Jahr stolperte er in Interlagos über Esteban Ocon, 2019 holte er seinen ersten Sieg in Brasilien nach. Unserem Leser Hanspeter Bürgler aus Kriens ist aufgefallen: «Mir scheint, dass der Red Bull Racing-Renner oft auf Pisten weit über Meereshöhe bärenstark ist, und ich fand auch, dass die Honda-Motoren unter solchen Bedingungen gemessen an den anderen Triebwerken noch konkurrenzfähiger sind. Wie kommt das eigentlich? Und würde das nicht bedeuten, dass es in Abu Dhabi, also gleich am Meer, für Verstappen eher schwierig wird?»
Zunächst mal: Red Bull Racing war in den vergangenen Jahren in Abu Dhabi oder etwa Monte Carlo überaus konkurrenzfähig, daher kann das grundsätzlich mit der Meereshöhe nichts zu tun haben.
RBR-Teamchef Christian Horner meint aber: «Es stimmt, dass wir in Interlagos stark waren, mit Max auf der Pole-Position und später als Sieger. Aber um besser zu verstehen, was da passiert, müssen wir uns auch die Abtriebswerte anschauen. In Brasilien beispielsweise ist Mercedes mit steiler gestellten Flügeln gefahren als wir. Das hat ihnen in der Quali sicher nicht geholfen, im Rennen schon.»
Honda-F1-Technikchef Toyoharu Tanabe: «Wir haben ebenfalls gemerkt, dass unser Auto als Einheit in Mexiko stärker ist als auf anderen Pisten. Aber es ist uns selber im Detail unklar, warum das so ist.»
Dünne Luft in Mexiko, das heisst weniger Luftwiderstand, die Autos sind auf den Geraden schneller als im Highspeed-Tempel Monza, leider müssen sich diese Autos auch nachhaltig verzögern lassen, und hier leiden die Bremsen unter mangelhafter Luftzufuhr. Wer jedoch die Bremsbelüftung aufs Maximum trimmt, also mit grossen Lufthutzen fährt, der verliert an aerodynamischer Effizienz. Das Gleiche gilt für die Belüftung von Motor und Turbolader und Getriebe. Es ist eine Aufgabe, die im Grunde nicht zu lösen ist. Ein halbwegs vernünftiger Kompromiss muss gefunden werden.
Rémi Taffin von Renault: «Aufgrund der dünnen Luft werden die Motoren unter ganz besonderen Bedingungen betrieben, Bedingungen, die ein anderes Gesamtpaket in Sachen Kühlung erfordert. In Mexiko geht es darum, zu optimieren, was du hast. Da willst du kein unnötiges Risiko eingehen.»
Jahrelang galt die Rennstrecke von Interlagos als der grosse Motoren-Würger: Mit rund 800 Metern über Meer war die brasilianische Traditionsbahn der höchstgelegene Grand-Prix-Kurs, bevor der Mexiko-GP ins Programm zurückkehrte. Die Faustregel: Wenn weniger Sauerstoff für den Verbrennungsvorgang zur Verfügung steht, sinkt die Motorleistung. Ingenieure kalkulierten mit einem Leistungsverlust in Höhe von einem Prozent je 100 Meter Höhe. Das heisst: In Brasilien produzieren die Triebwerke etwa acht Prozent weniger Leistung als in Monaco. Das heisst auch: In Mexiko würden wir von einem Leistungsverlust von mehr als einem Fünftel sprechen, da liegen wir bei knapp 160 PS.
Aber das bedeutet nicht, dass die Motoren 160 PS weniger leisten. Der Turbo muss härter arbeiten, um zu kompensieren. Anders gesagt: Die Motoren könnten theoreitsch die gleiche Leistung bringen wie bei einem Rennen auf normaler Meereshöhe, haben aber gewissermassen Probleme beim Atmen. Die Motorhersteller müssen die Drehzahl des Turbos erhöhen, um den Leistungsverlust zu kompensieren. Das geht aber nicht endlos – mehr als 125.000/min sind nicht erlaubt. Mehr Drehzahl, das führt ausserdem zu Fragezeichen bezüglich Standfestigkeit. Renault etwa hatte 2018 eine leistungsfähigere Generation von Turboladern entwickelt, zum Einsatz kam sie in Mexiko aber nicht, Bedenken wegen der Zuverlässigkeit.
Möglich, dass Honda die Meereshöhe in Sachen Lader-Betrieb besser kompensiert als die anderen Motorhersteller. Denn in Brasilien und Mexiko war nicht nur Red Bull Racing auffallend stark, sondern auch der zweite Honda-Partner Toro Rosso.