Weltmeister Damon Hill: «Der Tod war immer präsent»
Es sind sehr persönliche Erinnerungen, die Damon Hill vor einiger Zeit im Gespräch mit meinen Kollegen vom «Guardian» teilte. Der Formel-1-Weltmeister von 1996 blickte auf seine Kindheit zurück, die von der Angst um seinen Vater Graham Hill geprägt war. Graham war ebenfalls weltbekannter Rennfahrer, «und damals war die Formel 1 entsetzlich», betont Damon, der gesteht: «Der Tod war in meiner Kindheit immer präsent.»
«Es war ein brutaler Sport», erinnert sich der heute 59-Jährige. «Ich weiss noch, wie ich damals dachte, dass mein Vater beim nächsten Weihnachtsfest vielleicht nicht mehr da sein würde, oder nächste Woche nicht mehr da wäre. Ein Teil von mir war beeindruckt, dass mein Vater etwas Besonderes war und etwas Gefährliches machte. Aber ein anderer Teil von mir dachte einfach nur: ‘Ich will nicht. dass er stirbt, ich will nicht, dass er das macht.’»
«Die ganze Familie richtete sich nach Papas Wünschen. Die Hauptaufgabe meiner Mutter war dafür zu sorgen, dass alles nach seinen Vorstellungen lief. Meine Schwestern und ich kamen in diesem Projekt nur an zweiter Stelle», fügt er offen an. «Meine Schwester Brigitte ist 18 Monate älter als ich, Samantha ist vier Jahre jünger. Wir hatten in den jüngeren Jahren schon eine gewisse geschwisterliche Rivalität, denn wir buhlten um die Aufmerksamkeit unseres Vaters. Als einziger Sohn von Graham Hill wurde ich die ganze Zeit in Autos gesteckt und fotografiert – anders als meine Schwestern.»
Dann kam der schicksalshafte 29. November 1975, in dem Hill und fünf weitere Mitglieder seines Teams bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kamen. Hill flog die Piper Aztec, die er sich von der Siegprämie für das Indy 500 gekauft hatte, als sie beim Anflug auf den Flughafen Elstree in dichtem Nebel über der Ortschaft Arkley in Grossbritannien abstürzte.
«Ich war 15 Jahre alt, als mein Vater starb. Sein Tod war eine emotionale Atombombe. Er kam aus dem Nichts – mein Vater hatte seinen Rennfahrer-Helm gerade an den Nagel gehängt und meine Mutter, meine Schwestern und ich hatten die Sorgen, die wir jahrelang mit uns rumgetragen haben, abgelegt», erzählt Damon Hill. «Sein Tod traf uns sehr hart. Da war ein Loch – ein Krater – wo er vorher war. Ich kam damit klar, indem ich mir selbst sagte: Es ist nicht gut, Selbstmitleid zu empfinden. Wir hatten das Glück, Zeit mit ihm erlebt zu haben.»
Aber der Verlust seines Vaters brachte auch ein neues Gefühl für Freiheit mit sich. Damon erklärt: «Ich schätzte meinen Vater über alles, doch als er starb, standen wir nicht mehr im Mittelpunkt und ich hatte die Chance, ich selbst zu sein. Da war dieses Gefühl der Erleichterung. Ich musste mir keine Sorgen mehr machen, ob mein Vater gut findet, was ich mache. Es war ein kompliziertes Freiheitsgefühl, das sich auf Kosten seines Lebens einstellte.»
Erst nach dem Ableben seines Vaters wandte sich Damon Hill der Rennfahrerei zu: «Der Tod meines Vaters weckte in mir den Wunsch, seinem Beispiel zu folgen und Rennfahrer zu werden. Vor seinem Tod hatte ich nie das Bedürfnis, Rennen zu fahren, und vielleicht wäre dieses Verlangen auch nie aufgekommen, wenn er nicht gestorben wäre – ich weiss es wirklich nicht. Ich weiss aber, dass es mir nicht so sehr gefehlt hat, seit ich es aufgegeben habe.»
Der 22fache GP-Sieger gesteht unumwunden: «Mit der Rennfahrerei hielt ich die Erinnerung an meinen Vater am Leben. Meine Leistungen gehörten mir, aber sie standen gezwungenermassen immer in Verbindung mit dem Erbe meines Vaters. Auf gewisse Weise erlaubte mir das, ihn als Erwachsenen kennenzulernen, wie ich es anders nicht hätte tun können. Weil ich wusste, was er durchmachen musste, kam ich ihm näher. Aber es ist sehr schwierig, die gleichen Karrierepfade wie dein Vater einzuschlagen, wenn dieser sehr erfolgreich war.»