Lewis Hamilton erobert im Regen-Chaos die Pole!
Schon am Morgen war der drohende Regen das Thema Nummer Eins in der Boxengasse, und pünktlich zum zweiten Qualifying der diesjährigen Formel-1-Saison setzte der erwartete Regenschauer auch ein. Das strömende Nass sorgte für eine lange Wartepause, erst mit einer Verspätung von 50 Minuten durften die Protagonisten der Königsklasse ins Stechen um die Startaufstellung starten.
Während die Fotografen und Journalisten über den strömenden Regen schimpften, freute sich Red Bull Racing-Chefdesigner Adrian Newey: «Wahrscheinlich kommt uns dieser Regen gelegen. Unser Tempo auf der Geraden ist nicht sehr gut, deshalb kommen uns diese schwierigen Bedingungen gerade recht. Ausserdem lief es schon in Melbourne auf nasser Piste gut.»
Der 55-jährige Ingenieur verriet weiter: «Unser Renner scheint bei den Kurvengeschwindigkeiten sehr konkurrenzfähig zu sein. Aber derzeit geht es vor allem um die Antriebe – wir sind also auf unseren Motorenpartner angewiesen.» Auch Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner hatte Positives zu berichten: «Dieses Wetter wirft alles über den Haufen, aber das geht allen Teams so. Das Feld rückt dadurch hinter Mercedes zusammen, aber die Silberpfeile haben immer noch einen ziemlich grossen Vorteil.»
Red Bull Racing: Software-Probleme bei Vettel!
Horner freute sich: «Aber auch wir machen Fortschritte und wissen, wo wir noch arbeiten müssen, um uns zu verbessern: Es geht um die Stücke zwischen den Kurven. Der Regen kommt uns in dieser Hinsicht sicher entgegen. Doch in der Formel 1 verändern sich die Dinge sehr, sehr schnell. Wir müssen nur etwas mehr Leistung auf den Geraden finden, und das dauert sicher noch etwas. Bis dahin müssen wir sicherstellen, dass der Vorsprung von Mercedes nicht zu gross wird.»
Knapp sechs Minuten nach Beginn des ersten Qualifying-Segments war das Wetter für den 40-jährigen Briten kein Thema mehr, denn am Renner seines Goldjungen Sebastian Vettel trat ein Problem mit der Batterie des Energierückgewinnungssystems auf. Der Weltmeister steuerte die Box an, wo die Ingenieure das Problem mit einem Neustart der Systeme zu lösen versuchten. Mit Erfolg, kurz darauf drehte der Heppenheimer die drittschnellste Runde.
Mercedes: Auch im Regen stark
Dass Toto Wolff das kühle Nass nicht ganz so freudig wie die Red Bull Racing-Spitze begrüsste, ist nachzuvollziehen. Schliesslich hatten seine Silberpfeil-Piloten Nico Rosberg und Lewis Hamilton in den freien Trainings bewiesen, dass sie derzeit auf trockener Piste das Mass aller Dinge sind. Der Motorsportdirektor von Mercedes verriet: «Das ist ein Rennen in den Tropen, und hier hatten wir fast immer eine nasse Session, damit war also zu rechnen. Aber Regen bedeutet auch immer eine gewisse Unwägbarkeit. Da kann man mehr falsch als richtig machen. Natürlich hätten wir aber lieber ein trockenes Qualifying erlebt.»
Trotzdem sicherten sich Rosberg und Hamilton im ersten Qualifying-Segment die Spitze der Zeitenliste, obwohl der Regen während der ersten 18 Minuten wieder zulegte. Für den Funkspruch des Tages sorgte das Lotus-Team, das Pastor Maldonado lakonisch fragte: «Taugt die Strecke für Trockenreifen?»
Eine Fehleinschätzung leistete sich das McLaren-Team, das Jenson Button und Kevin Magnussen auf Regenreifen rausschickte, während sich das ganze restliche Feld auf der Intermediate-Mischung versuchte. Der ehemalige GP-Pilot Martin Brundle wunderte sich: «Das verstehe ich nicht ganz, die Bahn macht auf mich definitiv den Eindruck, dass man mit Intermediates fahren kann. Regenreifen wählst du nur, wenn du sehr viel stehendes Wasser auf der Piste hast.» Die schlechten Rundenzeiten von McLaren gaben ihm Recht.
Schützenhilfe von Marcus Ericsson
Dass die falsche Reifenwahl für die beiden McLaren-Piloten nicht das Aus bedeutete, dafür sorgte Caterham-Neuling Marcus Ericsson. Der 23-jährige Schwede geriet in der schnellen Rechtskurve nach der Haarnadel auf die nassen Randsteine, bretterte in die Leitplanken und schoss zurück auf die Strecke. Weil er dabei eine Styropor-Tafel und fast noch Esteban Gutiérrez im Sauber abräumte, wurden die roten Flaggen geschwenkt. Der ehemalige GP-Pilot Bruno Senna kommentierte: «Das Heck des Caterham war schon in der ganzen Beschleunigung aus der Kurve heraus instabil, aber dann geriet der Schwede ausgangs der Kurve auf den Randstein, und ab da bist du nur noch Passagier.»
Damit versaute der Blondschopf vielen Konkurrenten die letzte schnelle Runde. Und erklärte hinterher kleinlaut: «Die Strecke war sehr rutschig und ich habe einen Fehler gemacht.» Für Sauber-Neuzugang Adrian Sutil und Lotus-Pechvogel Maldonado bedeutete dies das Aus. Auch die beiden Marussia-Fahrer Jules Bianchi und Max Chilton, sowie Ericssons Teamkollege Kobayashi schafften den Sprung ins nächste Qualifying-Segment nicht.
Fernando Alonso: Glück im Unglück
Der Abflug von Ericsson blieb nicht der einzige Grund für eine Zwangspause. Eine Kollision zwischen Ferrari-Star Fernando Alonso und den ihn überholenden Toro-Rosso-Russen Daniil Kvyat im zweiten Abschnitt sorgte für die zweite Unterbrechung des Tages. Dabei hatte der Asturier Glück im Unglück: Er zog sich an der linken Vorderaufhängung einen Spurstangen-Bruch zu, und der ehemalige Formel-1-Pilot und SkyTV-Experte Marc Surer kommentierte: «Da hatte der Spanier aber Glück, die Spurstange sollte relativ schnell zu ersetzen sein.»
Tatsächlich konnte der Weltmeister von 2005 und 2006 nach einigen Minuten wieder ausfahren. Auch Kvyat kam nicht unbeschadet davon: Der 19-Jährige aus Ufa musste sich einen neuen Frontflügel abholen, weil ihm Alonsos Ferrari beim Nasenstüber die rechte Frontflügel-Endplatte abrasiert hatte. Surer analysierte: «Da hat Alonso den Toro Rosso übersehen, das kann passieren.»
Etwas klarer formulierte Martin Brundle seine Unfall-Analyse. Der 158-fache GP-Pilot erklärte: «Das geht auf die Kappe von Kvyat, denn er kam von zu weit her. Diese Kurve gehörte Alonso. Und aus Sicht von Fernando war er nicht zu erkennen – du siehst in den Rückspiegeln überhaupt nichts bei solchen Bedingungen.» Die Regelhüter kündigten an, den Vorfall nach dem Qualifying genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Rennkommissare werden zudem auch eine Aktion zwischen Williams-Pilot Valtteri Bottas und Red Bull Racing-Pilot Daniel Ricciardo unter die Lupe nehmen müssen. Der Finne soll dem Australier im Weg gestanden haben. Auch Grosjean beklagte sich nach dem zweiten Quali-Abschnitt: Der Genfer schimpfte, er sei von Rosberg aufgehalten worden.
Toro Rosso-Neuling Kvyat musste kurz nach seinem Schreckmoment mit Alonso die nächste Enttäuschung wegstecken: Als Elftschnellster des zweiten Abschnitts verpasste er das Top-Ten-Qualifying nur knapp. Auch Sauber-Pilot Gutiérrez, Williams-Fahrer Felipe Massa, Force-India-Neuzugang Sergio Pérez, Massas Teamkollege Valtteri Bottas und Lotus-Pilot Romain Grosjean schafften den Sprung ins Top-Ten-Stechen nicht. Letzterer nahm sich mit einem Dreher auf seiner letzten schnellen Runde selbst alle Chancen.
Wurde Sebastian Vettel behindert?
Im letzten Qualifying-Abschnitt wurde es noch einmal richtig spannend. Am Ende musste Vettel entnervt feststellen, dass er nur einen Augenblick zu spät über die Start-Ziel-Linie kam, um noch eine Runde zu drehen. Das nahm ihm jede Chance auf die Pole-Position. Grund dafür waren einige Gegner, die auf ihrer Aufwärmrunde gemächlich unterwegs waren.
Vettel musste sich mit dem zweiten Startplatz hinter Pole-Setter Hamilton begnügen. Der Silberpfeil-Pilot sicherte seinem Team die 101. Formel-1-Pole und stellte damit auch den Rekord von 33 Poles des grossen Jim Clark ein. Der zweifache Weltmeister war bisher der Brite mit den meisten Pole-Positions in der Formel-1-Geschichte. Diesen Platz darf sich Clark sich nun mit dem 29-Jährigen teilen. Hinter Vettel reihte sich Rosberg vor Alonso, Ricciardo, Raikkönen, Hülkenberg, Magnussen, Jean-Eric Vergne und Button ein.