Bahrain-GP: Kann Mercedes die Statistik aufpolieren?
Lewis Hamilton bei den Bahrain-Tests
Als goldenen Boden würden wir Bahrain für Mercedes nicht eben bezeichnen: Die Marke mit dem Stern hat in der Wüste von Sakhir unter der durchschnittlichen Erfolgsquote abgeschnitten – in neun bisherigen Bahrain-GP gab es nur einen Sieg, 2009 mit Jenson Button und dem (durch den Doppeldiffusor überlegenden) BrawnGP-Mercedes.
Und selbst wenn die Silberpfeile 2014 mit einer 100prozentigen Siegerquote in den Mittleren Osten gereist sind (Sieg mit Rosberg in Melbourne, Sieg mit Hamilton in Sepang) ist sich Mercedes-Rennsportchef Toto Wolff seiner Sache nicht sicher. Der Wiener warnt: «Wir befinden uns noch in der Anfangsphase eines fordernden Jahres für uns alle. Aber schon jetzt haben wir gesehen, dass sich das Blatt sehr schnell wenden kann. Deshalb gehen wir das Wochenende in Bahrain mit der gleichen Einstellung wie alle bisherigen Herausforderungen in dieser Saison an: Wir dürfen absolut nichts als selbstverständlich ansehen.»
Mercedes-Technikchef Paddy Lowe meint: «Es ist nun entscheidend, dass wir nicht nachlassen. Alle Teams haben im Winter auf dieser Strecke getestet, weshalb man Bahrain zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison durchaus als Messlatte für die Wettbewerbsfähigkeit der Teams ansehen kann. Die Kombination aus hohen Anforderungen an die Traktion und variablen Haftungswerten ist eine Herausforderung für Auto und Fahrer. Die langen Geraden verlangen nach einer starken Performance der Antriebseinheit. Wir erwarten an diesem Wochenende ein ausgeglichenes Feld. Auch für uns wird es interessant zu sehen, wie sich die Autos in den vergangenen Wochen seit unserem letzten Besuch hier weiterentwickelt haben.»
Zu beachten gilt es an den kommenden Tagen aber auch eine Menge anderer Faktoren.
Getriebe und Motor: Erste Ermüdungsanzeichen?
Bahrain ist für alle Teams, die sich für diese Abfolge entschieden haben, das dritte Rennen für die Antriebseinheit und das Achtgang-Getriebe. Damit entwickelt sich langsam ein detailliertes Ausdauerbild. Direkt nach dem Rennen in Malaysia ist es auch das erste Back-to-Back-Rennen der Saison. Dies sorgt für eine zusätzliche Belastung bei den Fahrern, Teams und Abläufen. Es steht nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung, um die Daten zwischen dem ersten und dem zweiten Rennen zu analysieren und aufzubereiten. Trotz der unvermeidlichen Ermüdung müssen die Teams äusserst effizient arbeiten und sicherstellen, dass alle Punkte innerhalb eines viel kürzeren Zeitraums abgehakt werden.
Was taugt die Erfahrung?
Obwohl die Strecken- und Lufttemperaturen leicht anders sein werden, besitzen die Teams jede Menge Erfahrung von den beiden Wintertestwochen in Bahrain. Die zur Verfügung stehenden Reifenmischungen wurden hier schon eingesetzt und die Fahrer sind bereits mit den neuen Autos auf dieser Strecke gefahren. Von den vielen Unbekannten dieser Saison fallen hier also viele weg. Aus diesem Grund könnten sich die Teams vielleicht dazu entscheiden, nicht ganz so viele Hausarbeiten während des Freitagstrainings zu erledigen wie noch in Australien und Malaysia. So benötigen die Fahrer nicht mehr so viel Zeit, um sich auf die Strecke einzuschiessen. Gleichzeitig werden die Teams keine unnötigen Kilometer mit den Autos fahren wollen. Möglicherweise gibt es einige Updates, die im Training ausprobiert werden, weil die Teams eine bekannte Strecke dazu nutzen möchten, um so einen Vorteil daraus zu ziehen, dass sie hier auf einem bestehenden Referenzpunkt aufbauen können.
Unvertrautes und Vertrautes
Eine Abwechslung zur Vertrautheit mit Bahrain bietet der veränderte Zeitplan für das Qualifying und Rennen. In dieser Saison beginnen Abschlusstraining und Grand Prix jeweils um 18:00 Uhr Ortszeit (= 17.00 europäischer Sommerzeit) und werden bei sinkenden Temperaturen in die Nacht hinein gefahren. Obwohl die Teams im Winter hier viel getestet haben, ist dies in Bahrain eine komplett neue Situation für sie, die sicher ihre eigenen Herausforderungen mit sich bringen wird.
Das Klima in Bahrain ist sehr konstant. Nicht ganz so konstant sind die Windstärke und die Windrichtung. Beides kann die Fahrzeugbalance spürbar verändern. Je nach Windrichtung kann ein normaler Wind mit 10–15 km/h das Gefühl des Fahrers hinter dem Lenkrad verändern. Gegenwind am Kurveneingang gibt dem Fahrer mehr Vertrauen in die Vorderachse, so dass er besser einlenken kann. Im Gegensatz dazu verursacht Rückenwind Instabilität. Je nachdem, welche Windrichtung vorherrscht und wie sie sich relativ zur Strecke verhält, kann sich das Verhalten und die Leistungsfähigkeit des Autos verändern. Das kommt in Bahrain besonders zum Tragen, da die Windrichtung sich sehr schnell verändern kann – vielleicht nicht während eines Trainings, aber von Tag zu Tag kann sie deutlich anders ausfallen.
Wieso der Wüstensand nicht ins Getriebe gerät
Die Lage der Strecke in der Wüste von Bahrain bedeutet, dass der Kurs von losem Sand umgeben ist. Dieser kann selbst in der Zeit zwischen den Qualifying-Abschnitten auf die Strecke geweht werden und damit den Grip-Level der Bahn verringern. Darauf müssen sich die Fahrer und Teams vorbereiten. In Bahrain sind auch böige Winde nicht auszuschliessen, die den Fahrern das Leben schwieriger machen können - einige Beispiele dafür gab es während der Wintertestfahrten. Nico Rosberg bezeichnet es als «richtigen Sandsturm». Das kann allerdings auch der Grund für ein spannendes Rennen sein. Dies spielt den erfahrenen Piloten in die Karten. Nur wer schon einige Male hier gefahren ist, kann mit diesen Feinheiten umgehen und mögliche Szenarien vorhersehen. In Sachen Technik haben die Teams den Sand längst im Griff – beispielsweise in Form von speziellen Luftfiltern, die sich im Laufe der Jahre bewährt haben.
Das Gegenteil von Langeweile
Der «Bahrain International Circuit» bietet einige gute Überholmöglichkeiten. Es gibt lange Geraden und einige Kurven, die zum Überholen anregen, etwa die Kurven 1, 4 und 11. Abgesehen von Silverstone, wo aussergewöhnliche Umstände galten, sah Bahrain im vergangenen Jahr die meisten Überholmanöver der Saison – insgesamt 94! Dabei spielte jedoch auch ein unnormal hoher Reifenabbau eine Rolle. Ein Unterschied beim Reifenabbau der verschiedenen Autos sowie die dadurch entstehenden unterschiedlichen Strategien führen unweigerlich zu mehr Überholmanövern, da die Autos während verschiedener Phasen ihrer Rennsegmente aufeinandertreffen und die Reifen unterschiedliche Leistungen erlauben.