Asphalt-Auslaufzone in Monza: Eine Weicheier-Lösung?
Wer eine schnelle Runde in Monza schaffen will, dem baut sich wenige Sekunden vor Start und Ziel ein Hürde auf: die Parabolica. Die Linienwahl in der 180-Grad-Kehre bestimmt mit, ob eine Quali-Runde gut wird oder verpatzt ist, und wer sie nicht sauber erwischt, der wird im Rennen für einen Gegner auf der darauf folgendenden langen Geraden angreifbar.
An der Parabolica wird dieser Tage gearbeitet: die Auslaufzone wird erneuert – in das gewohnte riesige Kiesbett wird eine asphaltierte Fläche gelegt.
Vielen Traditionalisten unter den Formel-1-Fans ist das ein Dorn im Auge. Sie beobachten, wie immer mehr Auslaufzonen entlang von GP-Strecken mit einer Asphaltschicht belegt werden. Kleine Ausrutscher, so argumentieren Gegner dieser Lösung, werden nicht mehr bestraft. Früher, so finden sie, war mehr Präzision gefragt.
Aber ein früherer und ein aktueller Formel-1-Fahrer setzen sich für die Asphaltlösung ein. «Sicherheit muss vorgehen», sagt Sky-TV-Experte Marc Surer. «Nehmen wir die Situation, als Felipe Massa in Hockenheim kopfüber in die erste Kurve schlitterte. Früher, mit einem Kiesbett, hätte es da einen hässlichen mehrfachen Überschlag geben können. Im schlechtesten Falle gräbt sich der Wagen dann kopfüber in den Kies ein, das kann zu schlimmen Kopf- und Nackenverletzungen für den Piloten führen.»
Toro-Rosso-Fahrer Daniil Kvyat meint, in Gedanken schon beim schnellsten WM-Lauf des Jahres: «Wenn du bei 340 Sachen Bremsversagen hast, dann kann die Auslaufzone auf mehr als 100 Metern asphaltiert sein, du wirst trotzdem in einer Mauer landen. Hätten wir noch die alten Sturzräume, könnten wir jedes Wochenende einen Verletzten haben. Zum Glück wird an der Sicherheit ständig gearbeitet. Gefährlich bleibt es dennoch. Ich mag es nicht, wenn die Leute daherreden, die heutigen Fahrer seien, gemessen an den Piloten von damals, keine echten Männer mehr. Das ist doch Quatsch.»
An der linken Aussenseite der Parabolica werden nun ein sanfter Randstein und ein Streifen aus Kunstrasen gelegt, erst dann folgt die Auslaufzone aus Asphalt. Was in der Diskussion untergeht: Der derzeitge Plan sieht vor – nicht die ganze Zone wird asphaltiert. Gemäss Informationen des italienischen Automobilklubs ACI bemüht sich Monza derzeit um einen Superbike-WM-Lauf. Die Änderung der Traditionskurve hat primär mit den Zweirädern zu tun und gar nicht mit der Formel 1.
In Italien wird die Lösung für mehr Sicherheit kontrovers diskutiert. Die «Gazzetta dello Sport» kommentiert: «Die Parabolica von Monza war eine jener wenigen Stellen, wo Fehler verboten waren. Jetzt hat ein Fehler keine Konsequenzen mehr. Und dann wundern sich die Verantwortlichen, wenn die Zuschauer keine Formel 1 mehr gucken ...»
Doch Marc Surer erwidert: «Wenn ein Fahrer eine Kurve verhaut, deren Auslaufzone asphaltiert ist, dann kann er zwar in aller Wahrscheinlichkeit weiterfahren, aber die Rundenzeit ist ruiniert oder ein, oder zwei Plätze sind weg. Mir missfällt, wenn Auslaufzonen dazu genutzt werden, sich einen Vorteil zu verschaffen, doch zum Glück schauen hier die Rennkommissare ziemlich genau hin. Und der Ungarn-GP hat bewiesen, dass die Formel 1 auch mit asphaltierten Auslaufzonen reichlich Spekakel bieten kann.»
Einen Vorteil kann sich ein Fahrer dank der Asphaltzone nun wirklich nicht ergaunern: die Ideallinie in der Parabolica ist weit entfernt.