Formel 1: Max Verstappen – Chancen verspielt?

Russland-GP Sotschi: Erfolgsstory oder Eintagsfliege?

Von Mathias Brunner
Die Formel 1 in Sotschi – bislang ist der Eindruck positiv

Die Formel 1 in Sotschi – bislang ist der Eindruck positiv

Welche Erfolgsaussichten hat die Formel 1 auf dem Olympiagelände von Sotschi? Wird sich der Russland-GP etablieren oder bleibt er eine Formel-1-Eintagsfliege?

Zweiter Tag auf dem Olympiagelände von Sotschi: Auf dem 20minütigen Spaziergang vom Hotel zur Rennstrecke erleben wir eine kunterbunte Passantenmischung: es kommen uns Kinder auf dem Weg zur Schule entgegen, Neugierige schnuppern etwas GP-Atmosphäre, dazwischen stiefeln Mechaniker ihrer Arbeit entgegen.

Am positiven ersten Eindruck von gestern hat sich nur eines geändert: die Sicherheitskontrollen sind erheblich zügiger geworden, und wir haben im Gesicht einer Soldatin sogar etwas wie ein Lächeln entdeckt. An jedem Posten ist inzwischen ein Dolmetscher postiert. Ein Ferrari-Mechaniker vor mir hat eine Kneifzange dabei. «Bitte lassen Sie die an der Rennstrecke», wird er ermahnt.

Um den Sotschi-GP ranken sich Gerüchte noch vor der ersten Ausgabe: Einige (selbsternannt) besonders gut Informierte wollen wissen, dass wir dieses Rennen nur einmal erleben werden, dann siedle das Rennen nach Baku um.

Mit Verlaub: das ist ausgemachter Blödsinn. Erstens besitzt Sotschi einen Vertrag zur Ausrichtung des Russland-GP bis 2020. Mit einiger Berechtigung werden jetzt viele Leser einwenden: Was sind Verträge in der Formel 1 schon wert?

Das stärkere Argument jedoch ist: Sotschi ist für Staatschef Vladimir Putin ein Prestigeobjekt – so wie die Olympischen Winterspiele und die Fussball-WM 2018. Wieso soll er freiwillig darauf verzichten? Zumal zu Gunsten eines Landes, das einst zu jenem riesigen Land gehörte, von dem Putin noch immer träumt – zur Sowjetunion.

Nein, ich bin davon überzeugt: der Sotschi-GP wird bleiben. Die Frage ist nun: Wird er zu einem Erfolg? Das ist nicht so sicher, wenn wir uns ansehen, was in den vergangenen fünfzehn Jahren mit den neuen GP-Austragungsorten alles passiert ist.

Bahrain: Üppig finanziert
Bahrain hat sich seit 2004 mit der Unterbrechung 2011 etabliert. Wir könnten nicht behaupten, dass die Fans das arabische Eiland vor Begeisterung überrennen. Aber alles deutet darauf hin, dass der von der Königsfamilie üppig finanzierte Bahrain-GP bleibt – selbst bei halbleeren Tribünen. Die Umstellung auf ein Nachtrennen 2014 hat mehr Fans zur Rennstrecke gelockt.

Shanghai: Aufwärtstrend
Shanghai hat seit 2004 eine seltsame Entwicklung genommen: Bei der ersten Ausgabe kamen sehr viele Neugierige, dann verflachte das Interesse. In den vergangenen vier Jahren jedoch haben die Chinesen erheblich mehr Werbung fürs Rennen gemacht, und das wirkt sich nun positiv aus. Die Zuschauerzahlen steigen. Der China-GP wird bleiben.

Türkei: Anleitung, wie man es verpatzt
Die Formel 1 in der Türkei ist ein gutes Beispiel, wie man es nicht macht: Das ist sehr bedauerlich, denn der Rennkurs war anspruchsvoll und bei den Piloten beliebt. Leider war die Strecke zu weit von der tollen Stadt Istanbul entfernt, und den Türken schien es völlig einerlei, ob ein Autorennen in der Stadt ist oder nicht. Nach 2011 war Schluss.

Valencia: Falsches Timing
Valencia ist am Timing gescheitert: Spanien im Allgemeinen und Valencia im Besonderen haben enorme wirtschaftliche Probleme, da sind 30 Mio Euro Antrittsgebühr für die Formel 1 ein Luxus, den man sich einfach nicht leisten kann. Die Strecke am Meer war hübsch, die Stadt Valencia ist für jeden einen Besuch wert (auch ohne Formel 1), aber die Piloten fanden sie fad. Die Zuschauerzahlen waren im ersten Jahr (2008) ordentlich und dann im freien Fall – die Fans konnten sich den Besuch einfach nicht leisten.

Singapur: Ein sofortiger Klassiker
Singapur hat das Kunststück geschafft, in kürzester Zeit ein Klassiker zu sein: Die Atmosphäre beim ersten reinen Nacht-GP ist einmalig und elektrisierend, die Piste ist der Hammer, die ganze Stadt lebt mit der Formel 1 mit. Die Fahrer lieben die Herausforderungen der Buckelpiste, gepaart mit der Hitze. Die Veranstalter verwöhnen die Fans in Form von Konzerten mit Weltstars – so geht das heute.

Abu Dhabi: Geld spielt keine Rolle
Abu Dhabi debütierte 2009, ein Jahr nach Singapur. Die Piste ist angeblich die teuerste der Welt, die Schätzungen pendeln zwischen 400 und 500 Mio Dollar Baukosten. Das Rennen in die Nacht hinein hat ihr eigenes Flair, der Rahmen mit dem atemraubenden Yas-Hotel ist aufregend. Die Zuschauerzahlen bewegen sich ungefähr auf dem Niveau von Bahrain, aber das ist den Arabern herzlich egal. Die Rennstrecke ist nur ein Magnet, um sich weltweit in die Auslage zu stellen.

Südkorea: Komplette Schnapsidee
Südkorea war von Anfang an eine Schnapsidee eines Staatschefs, der seiner Heimatregion einfach etwas Gutes tun wollte. Eine Piste 300 Kilometer von der Weltstadt Seoul entfernt im Nichts – das konnte nicht gutgehen. Die Mittel fehlten, um die Piste in Schuss zu halten. Die geplante Stadt um die Piste herum blieb der feuchte Traum von Computergrafikern. Unvergessen die (leider wahre) Anekdote, dass die Teams 2011, ein Jahr nach der Premiere, in den Kühlschränken die Rest vom Vorjahr fanden! Und am Fusse des Siegerpodests lag noch ein Champagnerkorken von der GP-Premiere. Die Südkoreaner pokerten mit Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone um eine niedrigere Antrittsgebühr. Der strich daraufhin das Rennen. Hier gab es nur Verlierer.

Indien: Keiner will zurück
Nur drei Mal gab es einen Indien-GP, und kaum einer im Fahrerlager weint dem Rennen eine Träne nach: Jämmerliche Bausubstanz, Steuerstreit, unfassbare Zustände im Grossraum Delhi. Alle schienen blind dem Wachstumsmarkt Indien nachzurennen, aber das Zuschauerinteresse liess nach ordentlichem Besuch im ersten Jahr schlagartig nach.

Texas: Aller guten Dinge sind drei
2014 reisen wir zum dritten Mal nach Austin, und die Texaner haben der Formel 1 endlich ein passendes Zuhause gebaut: eine tolle Rennstrecke mit ganz besonderem Flair ausserhalb einer sympathischen Stadt. Der Formel-1-Tross fühlt sich hier willkommen und wohl. Im zweiten Jahr (2013) kamen so viele Fans wie im ersten, das ist ein ermutigendes Zeichen für die Zukunft.

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