Marussia in Sotschi: Wie Abschied von Jules Bianchi
Der schwerste Grand Prix von allen für Marussia
Die Szene war aus tiefstem Herzen gut gemeint, aber sie wirkte gespenstisch: Die Vertreter des Marussia-Rennnstalls stellten sich vor dem Rennen hinter eine Boxentafel. Darauf stand: Racing for Jules. Kein Team ist in Gedanken dem schwer verletzten Franzosen näher. Auch als sich alle Fahrer im Kreis vor die Startaufstellung stellten und ihrem Kollegen gedachten, war das natürlich als Zeichen höchster Sympathiekundgebung gedacht – Jules, wir haben dich nicht vergessen! Kämpf bitte weiter!
Aber wer wie Martin Brundle, Johnny Herbert, Damon Hill oder der Autor dieser Zeilen schon vor zwanzig Jahren in der Formel 1 war, den erinnerten diese Momente unweigerlich an Monaco 1994, als die Grand-Prix-Fahrer Roland Ratzenberger und Ayrton Senna gedachten, wir im Schwarz des Imola-Wochenendes verschwunden waren. Und als niemand wusste, ob Karl Wendlinger im Krankenhaus von Monte Carlo seinen Trainingsunfall überlebt.
Martin Brundle: «Ich weiss, dass all diese Zeichen mit viel Zuneigung gemeint sind, aber sie wirken auf mich immer sehr unheimlich ...»
Das Gleiche gilt für das alleine in der Box stehende Auto des Franzosen.
Für Max Chilton war es ein besonders schwerer Gang. Was wohl durch den Kopf des langen Briten ging, als er sich hinter diese Tafel aufstellte? Chilton sagt später: «Wir mussten uns alle gewaltig am Riemen reissen, um unserer Arbeit nachzugehen. Überall diese Zeichen für Jules zu sehen, das war schon sehr aufwühlend. Ich glaube, der ganze Sport hat bewiesen, wie sehr wir an Jules denken. Das spricht Bände darüber, wie beliebt er überall ist.»
Vielleicht war dies das einzige Rennen seiner Karriere, bei dem Max Chilton gar nicht so enttäuscht darüber war, aus seinem Auto zu steigen. «Ab Runde 9 fühlte ich, dass mit dem Wagen etwas nicht stimmte.»
Wie sich herausstellte, gab es ein Problem mit dem Radträger rechts hinten. Daher nahm das Team Max aus dem Rennen. Ungefähr das Letzte, was die tapfere Truppe gebraucht hätte, wäre noch ein Unfall gewesen.
Der leitende Ingenieur Dave Greenwood: «Wir dürfen ein wenig stolz auf uns sein, wie wir dieses so schwierige Rennen über die Bühne gebracht haben. In aller Sorge um Jules war es tröstlich, so viele aufmunternde Worte aus der Formel-1-Gemeinschaft und von den Fans zu erhalten. Ich hoffe auch, dass die Familie Bianchi daraus Mut schöpfen kann. Es wird die Zeit kommen, da müssen wir ans nächste Rennen in Austin denken. Aber für den Moment sind wahrscheinlich alle nur froh, dass sie erst mal nach Hause reisen können, um die ganzen Geschehnisse zu verarbeiten.»