Toto Wolff: Von Fairplay Rosberg–Hamilton gelähmt?
Schon in China wird sich ungefähr dieses Bild zeigen
Der Vorwurf steht im Raum: Hat Mercedes diesen Malaysia-GP Ferrari auf dem Serviertablett geschenkt? Hat Weltmeister Merdedes den Sepang-GP schlicht strategisch versemmelt? War es nicht beispielsweise einfach falsch, bei der Safety-Car-Phase gleich beide Autos neue Reifen ausfassen zu lassen? Hätte man nicht mit mindestens einem Wagen versuchen müssen, in der Nähe von Vettel zu bleiben?
Toto Wolff (43), Motorsport-Direktor von Mercedes, bleibt gelassen: «Im Rückblick ist immer jeder der Superschlaue. Es gibt für mich keinen Grund, nach diesem Rennen mit dem Finger auf jemanden zu zeigen. Wir haben uns in den vergangenen Jahren strategisch so gut wie keine Fehler geleistet. Für mich ist es wichtiger, dass wir der Tatsache auf den Grund gehen, wieso der Silberpfeil bei so extremen Pistentemperaturen Probleme hat. Das steht für mich im Mittelpunkt.»
Jetzt mal Hand aufs Herz: Hat Wolff damit gerechnet, dass Ferrari in Malaysia so auftrumpft? «Nein», sagt Toto Wolff ehrlich. «Das hätte ich nicht erwartet. Aber ich war nach Melbourne auch nicht so euphorisch wie einige Kommentare. Ich war immer skeptisch, wie gross unser Vorsprung wirklich ist. Ich habe immer darauf gepocht, dass wir hellwach bleiben und einen hohen Entwicklungsrhythmus halten müssen. Nun gegen Ferrari unter fairen Bedingungen so zu verlieren, das ist ein Weckruf.»
«Bei dieser Hitze ist Ferrari besser als wir, der Reifenverschleiss an ihrem Auto war weniger dramatisch. In China jedoch kann das schon wieder ganz anders aussehen. Heute bin ich enttäuscht, dass Mercedes nicht gewonnen hat. Aber als Sportsmann finde ich auch – für die Formel 1 war das heute ein gutes Ergebnis.»
Wie wird Mercedes auf den Fehdehandschuh von Ferrari reagieren? «Wir müssen nun in Ruhe entscheiden, wie wir weiter vorgehen: Müssen wir gewisse Entwicklungen schneller ans Auto bringen als geplant? Wie setzen wir den zweiten Motor ein? Das sind alles Fragen, die gestellt werden müssen. Fakt ist – wir müssen schneller werden. Wir wussten immer, dass eine Siegesserie nicht ewig anhält.»
Auf die Frage eines britischen Kollegen, ob dies das Ende einer Ära sei, muss Wolff dann schon etwas schmunzeln: «Die Formel 1 ist ab und an etwas extrem. In Australien haben viel davon geredet, dass wir alle Rennen der Saison gewinnen würden. Nun wird schon vom Ende einer Ära gesprochen. Natürlich ist das nicht der Fall. Was aber sein könnte – dass nun eine Phase beginnt, in welcher wir unsere Haut teurer verkaufen müssen. Als Sportsleute stellen wir uns dieser Herausforderung. Wir bleiben ruhig, wir analysieren, wir reagieren.»
Muss Mercedes auf die neue Stärke von Ferrari mit zusätzlichen Ressourcen reagieren? Toto Wolff meint: «Ich habe irgendwo gelesen, dass Ferrari 100 Millionen mehr investiere, um auf die Siegerstrasse zurückzukommen. Ich kann für uns nur sagen – wir haben alle Mittel bereit, um gewinnen zu können. Wir müssen nur das Richtige tun. Vielleicht bringen wir einige Entwicklungen früher als geplant. Aber ich sehe keinen Grund für Panik.»
«Ich bin enttäuscht – enttäuscht von der Niederlage und über viele kleine Fehler. Wir waren am Funk erratisch. Wir waren uns zu lange sicher, dass unsere Strategie die Richtige sei. Für unsere Techniker war klar: das ist ein Dreistopp-Rennen, das ist die schnellste Taktik. Dann sind bei der Safety-Car-Phase mehr Autos draussen geblieben als üblich, in diesem Verkehr sind wir steckengeblieben, das ist ein Faktor, den du vor dem Rennen nicht einrechnen kannst.»
«Gleichzeitig steht auch fest: wir haben ein Auto, das üppig Abtrieb aufbaut, das ist in der DNA dieses Rennwagens tief verankert. Dafür ist unsere Topspeed nicht mehr so gut, und das hat sich hier auf den beiden langen Geraden von Sepang deutlich gezeigt. In den kurvigen Passagen waren wir am besten, auf den Geraden sind wir hinterher gefahren – und haben uns dabei die Reifen ruiniert.»
Eine der Lehren jedoch aus dem Sepang-GP: «Vielleicht müssen wir künftig auch Entscheidungen treffen, die bei einem unserer Fahrer unpopulär sind. Rückblickend wäre es möglicherweise gescheiter gewesen, mit einem Auto in der Nähe von Vettel zu bleiben.»
«Vielleicht sind vor vom Fairplay für unsere beiden Fahrer ein wenig gelähmt, in der Annahme, dass sich das Rennen sowieso zwischen einem der unseren abspielt. Vielleicht hätten wir im Rennen anders reagieren und die Taktik splitten müssen – einer kommt gleich rein, einer bleibt auf Schlagdistanz zu Sebastian. Aber wenn wir dann das Rennen mit einem Piloten gewinnen und der andere wird hinter Vettel Dritter, dann kannst du dir das Geschrei vorstellen. Jetzt müssen wir anerkennen: wir haben einen echten Gegner, da werden wir vielleicht auch mal Entscheidungen treffen müssen, die dann beim einen der zwei Fahrer unpopulär sind.»