Bedrohen die Kundenautos die kleinen Teams?
Unterschiedliche Vorstellungen über die Zukunft der Formel 1: der stellvertretende Force India-Teamchef Bob Fernley und Mercedes-Motorsportdirektor Toto Wolff
Force India darf seit dem sechsten Platz in der 2014er-Teamwertung in der F1-Strategiegruppe mitmischen. Das Privat-Team aus Silverstone hat in jenem Gremium, in dem über künftige Regeländerungen diskutiert wird, wie Ferrari, Mercedes, Red Bull Racing, McLaren und Williams auch eine Stimme. Sechs Stimmen gehören den Vertretern des Automobilweltverbandes FIA und sechs weitere darf Bernie Ecclestone als Vertreter der Formel-1-Rechteinhaberin CVC Capital Partners vergeben.
Obwohl die offizielle Pressemitteilung der FIA nicht weiter auf die Kundenauto-Idee eingeht und nur von generellen Massnahmen die Rede ist, mit denen die Zukunft des Sports gesichert werden soll, umfasst der Vorschlag auch die Idee, Kundenautos wieder zuzulassen – und das, obwohl Force India klar dagegen ist. Damit vertritt der britische Rennstall auch die Meinung der anderen unabhängigen Formel-1-Teams, die in der Strategiegruppe nicht vertreten sind.
Wie Force India wollen auch Sauber, Lotus und Manor als Konstrukteure an der Formel-1-WM teilnehmen, und da sie ohnehin schon unter finanziellem Druck stehen, sehen diese Teams die potenzielle Kundenauto-Konkurrenz als ernsthafte Bedrohung an. Nicht zuletzt auch, weil beim Strategiegruppe-Treffen keine Massnahmen zur Kostensenkung beschlossen wurden, welche ihre finanzielle Situation entschärfen könnten.
«Die Hersteller-Teams hatten nicht das geringste Interesse an einer Diskussion über eine Kostenkontrolle oder eine gerechtere Verteilung der Einnahmen», klagt Bob Fernley. Der stellvertretende Force India-Teamchef verrät: «Diese Diskussion wurde zu Gunsten der Kundenauto-Idee gar nicht erst geführt. Das zeigt letztlich, in welche Richtung sich die Formel 1 entwickeln soll. Die Kundenauto-Idee ist nicht neu, aber diesmal ist sie zum ersten Mal offiziell durchgekommen, da sie für die Hersteller-Teams die einzige Alternative darstellt.»
Fernley weiss: «Es ist noch nicht klar, wie das Ganze aussehen soll, aber der Weg ist nun vorgegeben. Wenn weitere Teams insolvent werden, dann setzen die Hersteller-Teams einfach ein drittes Auto ein, und währenddessen werden sie einen Vorschlag vorbereiten, der den Einsatz von Kundenautos erlaubt. Sie wollen wahrscheinlich schauen, welche der unabhängigen Teams bereit sind, sich von einem Konstrukteurs- zu einem Kundenteam zu entwickeln.»
Doch Fernley warnt auch: «Das Modell hat natürlich viele Nachteile, wie man sich vorstellen kann. Der Teufel steckt da im Detail. Wir müssen nun herausfinden, in welche Richtung wir gehen wollen und wie wir unsere Position sichern können. Die Frage ist doch: Wird es jemals sinnvoll sein, ein Kundenauto-Programm zu entwickeln? Das muss man mir erst einmal zeigen. Die glauben, dass es sich rechnet, aber ich bin mir da nicht so sicher. Die unabhängigen Teams werden bei keiner dieser Entscheidungen miteinbezogen.»