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Sebastian Vettel und Co: Wann endet Pisten-Räuberei?

Von Mathias Brunner
Sebastian Vettel in Spa-Francorchamps

Sebastian Vettel in Spa-Francorchamps

​Experten wie Ex-GP-Fahrer Martin Brundle kreiden es seit Jahren an, die FIA-Regelhüter tun seiner Meinung nach zu wenig: Wann endet die Pisten-Räuberei von Sebastian Vettel und Co.?

Es liegt in der DNA der Grand-Prix-Fahrer, stets nach einem Vorteil zu suchen, so klein er sein mag. Dazu gehört es auch, die Pistenbegrenzung eher locker auszulegen. Das kreidet der frühere Formel-1-Fahrer Martin Brundle seit Jahren an. Der Engländer findet, die FIA-Regelhüter täten zu wenig.

Doch Charlie Whiting, der Sicherheitsdelegierte der Formel 1 und Starter im GP-Sport, erwidert auf solche Kritik jeweils: «Wir greifen dann ein, wenn wir finden, dass sich ein Fahrer einen unfairen Vorteil erarbeitet hat.»

Es gibt jedoch auch den Sicherheitsaspekt zu bedenken. Johan Aerts ist für die Sicherheit auf dem Circuit de Spa-Francorchamps zuständig, wo es zu den spektakulären Reifenplatzern am Silberpfeil von Nico Rosberg und am Ferrari von Sebsatian Vettel kam. Der Belgier sagte gegenüber den Kollegen von F1 Fanatic: «Unsere Rennstrecke ist schnell, aber sie ist sicher. Experten der FIA prüfen jeweils am Morgen und am Mittag die Strecke, dazu kommen auch Eindrücke der Fahrer von Safety-Car und Medical-Car. Jeden Morgen, egal ob im Training oder am Renntag, ist die Piste sauber. Die Rennstrecke ist immer in gutem Zustand. Falls notwendig, greifen die Streckenposten ein und reinigen die Bahn. Wenn die Fahrer die Pistenbegrenzung respektieren würden, und die Piste befindet sich zwischen den weissen Linien, dann gäbe es kein Problem. Wenn man sein Auto aber zu weit nach aussen tragen lässt, auf die Randsteine oder gar darüber hinaus, dann ergibt sich eben die Möglichkeit von Reifenproblemen.»

Aber genau über diese weissen Linien fahren viele Piloten regelmässig hinaus. In England hatte Charlie Whiting dann genug, es hagelte Strafen. Das Gleiche passierte in Österreich.
Auf den meisten Kursen aber drückt der Engländer die Augen zu, «weil die Fahrer in der Regel nichts davon haben, über die Piste hinaus zu fahren».

In der Frühzeit des Formel-1-Sports standen neben der Bahn Bäume. Wer hier die Piste grosszügig auslegte, musste mindestens mit einem schweren Unfall rechnen. Vor zwanzig Jahren lagen entlang der Bahn viele Kiesbetten. Wer hier neben er Bahn fuhr, blieb in der Regel stecken.

Doch mit immer mehr asphaltierten Auslaufzonen hat sich das alles geändert. Kleine Ausrutscher, so argumentieren Gegner dieser Lösung, werden nicht mehr bestraft. Früher, so finden sie, war mehr Präzision gefragt.

Der Belag neben der Bahn ist seit Jahren ein heisses Thema zwischen Charlie Whiting und den Piloten. In der Copse-Kurve wurde die Grenze im vergangenen Juli so gezogen: wer kein Rad mehr auf dem Asphaltband der Strecke hat, der wird bestraft. Elf Mal wurde eine solche Strafe im Abschlusstraining ausgesprochen.

Was die FIA an vielen Stellen probiert hat, aber nicht überall damit glücklich ist: so genannte schlafenden Polizisten, also Schweller, die einen Wagen nachhaltig bremsen. Nur: kommt ein Wagen von der Bahn ab, können solche Schweller auch zur Sprungschanze werden oder zum Aufhängungsknacker, und das ist aus Sicherheitsgründen unerwünscht.

«Sicherheit muss vorgehen», sagt Sky-TV-Experte Marc Surer. «Ich erinnere daran, wie Felipe Massa in Hockenheim 2014 kopfüber in die erste Kurve schlitterte. Früher, mit einem Kiesbett, hätte es da einen hässlichen mehrfachen Überschlag geben können. Im schlechtesten Falle gräbt sich der Wagen dann kopfüber in den Kies ein, das kann zu schlimmen Kopf- und Nackenverletzungen für den Piloten führen.»

Genau das ist der Grund, wieso auf vielen Strecken die Kiesbetten ersetzt worden sind – Charlie Whiting hält Auslaufzonen mit rutschfestem Belag in den meisten Fällen einfach für sicherer.
Nochmals Marc Surer: «Wenn ein Fahrer eine Kurve verhaut, deren Auslaufzone asphaltiert oder mit Kunstrasen versehen ist, dann kann er zwar in aller Wahrscheinlichkeit weiterfahren, aber die Rundenzeit ist ruiniert oder ein, oder zwei Plätze sind weg. Mir missfällt nur, wenn Auslaufzonen dazu genutzt werden, sich einen Vorteil zu verschaffen.»

Daniel Ricciardo jedoch findet: «So lange man den Fahrer kein Hindernis in den Weg legt, werden auch weiterhin die Grenzen ausgereizt.»

In Singapur werden die Fahrer mit Bedacht räubern: nur allzu schnell liegt man auf dem Strassenkurs in einem der 2600 Betonelemente.

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