Singapur-GP: Wirre Gerüchte um Mercedes und U-Bahn
Die beiden Silberpfeile in Singapur
Lag es an der Zeitverschiebung zu Europa? Oder vielleicht an der feuchten Hitze von Singapur? Selten haben wir im Laufe eines Grand-Prix-Wochenendes so haarsträubende Gerüchte im Fahrerlager feilgeboten bekommen wie im asiatischen Stadtstaat. Zuerst verzapfte Eddie Jordan, der VW-Konzern kaufe Red Bull Racing. Was der frühere Formel-1-Teamgründer meint und warum seine Argumentation keiner seriösen Überlegung standhält, lesen Sie bei uns online
Dann wurde es richtig wild: spanische Medien verbreiteten, Fernando Alonso verlasse McLaren-Honda und fahre 2016 ein Auto vom Typ Red Bull Racing-Ferrari. Leider hatte auch diese Story ziemlich viele Logiklücken, siehe online
Die nächste Räuberpistole: Stromkabel der Singapurer U-Bahn erzeugten ein so grosses magnetisches Feld, dass die Rennwagen zu spuken begännen. Als angeblicher Beweis wurde angeführt, dass bei einigen Autos wie von Geisterhand das Getriebe in die neutrale Stufe schaltete (bei Carlos Sainz etwa), und schieden nicht beide McLaren-Honda sowie auch Felipe Massa wegen Getriebedefekts aus?
Wahr ist, dass im ersten Singapur-GP-Jahr tatsächlich einige Formel-1-Boliden auf die starken Magnetfelder reagierten, wie etwa der RBR-Renner von Mark Webber. Seitdem haben die Rennställe gewisse Teile ihrer Autos gegen solche elektromagnetischen Störungen mit entsprechenden Abschirmungen geschützt. Jahrelang war die böse U-Bahn kein Thema. Bis heute.
«Die U-Bahn hat mit dem Ausfall von Felipe rein gar nichts zu tun», sagt Rob Smedley von Williams. «Er hatte einfach ein Getriebeproblem.» Auch seitens McLaren-Honda ist zu hören, dass es keinen Anlass gibt zu glauben, die Autos seien von der U-Bahn lahmgelegt worden.
Schlusswort zur U-Bahn-Schmonzette vom früheren Formel-1-Fahrer Martin Brundle: «Also das ist mir nun etwas zu viel Voodoo.»
Den Knaller haben wir uns zum Schluss aufgespart: Mercedes sei in Singapur deshalb nicht konkurrenzfähig gewesen, weil man die Silberpfeile mit den falschen Reifen auf die Bahn geschickt habe. Während alle anderen Autos mit den Mischungen superweich und weich gefahren sei, habe man Mercedes eingebremst, indem man ihnen die Mischungen weich und mittelhart untergejubelt habe. Als Denkzettel für die Reifendruckaffäre von Monza.
Mit dieser wahnwitzigen Unterstellung hat Eddie Jordan sogar Pirelli-Rennchef Paul Hembery vor dem Start konfrontiert, der Reifenfachmann konnte nur in ungläubiges Lachen ausbrechen über so viel Blödsinn.
Fakt ist, dass Pirelli mit dem Autoverband FIA und den Rennställen Verträge unterzeichnet hat, welche den Rahmen der Reifenlieferung exakt definiert. Mercedes falsche Reifen zu geben, käme einem Vertragsbruch gleich.
Fakt ist auch, dass sämtliche Reifen kodiert und dann nach einem Zufallsprinzip an die Teams verteilt werden. Da lässt sich nicht einfach so schnell mal ein Sonderkontingent einschmuggeln.
Fakt ist ferner, dass ein solcher Plan und die Umsetzung viel zu viele Mitwisser hätte. Die Formel-1-Welt ist klein, so etwas käme früher oder später ans Tageslicht.
Fakt ist darüber hinaus, dass sich Pirelli um drei weitere Jahre als Reifenausrüster in der Formel 1 bemüht (der Rivale heisst Michelin). Da ist unkorrekter Umgang mit dem schwarzen Gold ungefähr das Letzte, was sich ein Reifenhersteller erlauben würde.
Fazit: Wir wissen nicht, wer in Singapur das Gerücht von den falschen Reifen in Umlauf gebracht hat. Aber wir halten es für möglich, dass der Betreffende auch davon überzeugt ist – die Mondlandung der US-Amerikaner fand nie statt, sondern wurde einem TV-Studio inszeniert.