Brasilien-GP Interlagos, São Paulo: Wo sind die Fans?
Lewis Hamilton vor halbleeren Rängen
Der frühere Formel-1-Fahrer Bruno Senna – Neffe des unvergessenen Ayrton Senna – kommentiert in Interlagos für die Kollegen der britischen Sky. Auch Senna, von 2010 bis 2012 für HRT, Lotus und Williams bei 46 Rennen im Einsatz, ist aufgefallen, wie wenig Fans am ersten Trainingstag zum Brasilien-GP aufgetaucht sind. «Sichtlich weniger als in den Jahren zuvor», meint der 32-Jährige.
Wie es anders geht, haben wir zwei Wochen zuvor in Mexiko-Stadt erlebt: Mehr als 80.000 Fans strömten zum Autódromo Hermanos Rodríguez, um die Rennwagen zu sehen. Aber São Paulo ist eben nicht Mexiko-Stadt.
Der grösste Grund für den krassen Unterschied bei den Zuschauerzahlen: Die Mexikaner hatten letztmals 1992 GP-Renner erlebt, sie gierten nach der Formel 1. In Brasilien hingegen ist eine gewisse Formel-1-Müdigkeit nicht zu übersehen.
Das liegt auch an den Fahrern. Den Fans ist klar, dass Felipe Massa nie mehr Siegen und dem WM-Titel so nahe kommen wird wie zu seiner besten Saison 2008 – als er im Finale von Interlagos hauchdünn Lewis Hamilton unterlag. Seither ist Massa sieben Jahre lang sieglos. Der junge Felipe Nasr hingegen kann mit Sauber kein Wörtchen um Podestränge mitreden. Das lockt auch niemanden hinterm Ofen hervor. Dahinter klafft eine Lücke, es ist kein neuer Fittipaldi, Piquet oder Senna in Sicht.
TV Globo, jahrelang der Leuchtturm der Formel 1 in Brasilien, brachte die WM-Entscheidung zu Gunsten von Lewis Hamilton in Austin als eine Kurznachricht – während der Übertragung eines Fussballspiels! Zu Zeiten von Ayrton Senna wäre so etwas undenkbar gewesen.
Felipe Massa sagt in Interlagos gegenüber einer Gruppe einheimischer Journalisten: «Globo ist aber noch immer die Informationsquelle Nummer 1 für die Fans, was unseren Sport betrifft. Wenn die weniger Berichte bringen, dann wird das nicht dazu beitragen, das Interesse anzufachen.»
Massa gibt zu bedenken: «Mexiko hat einfach mehr für das Rennen getan, und man könnte jetzt nicht behaupten, dass die Mexikaner mit Sergio Pérez einen Fahrer mit Aussicht auf Siege gehabt hätte.»
Wirtschaftskrise in Brasilien, immer neue Skandale um Korruption bei Privatfirmen und staatlich geführten Unternehmen, dazu keine neue Lichtgestalt, das WM-Rennen bereits entschieden – das alles drückt die Stimmung. Viele Brasilianer sind wütend, dass die von Bestechungsskandalen umtoste Petrobras (Erdöl und Erdgas) Millionen in die Formel 1 investiert. Petrobras ist Partner des Williams-Rennstalls.
Heute schalten für Fussballspitzenspiele wie zwischen den Corinthians aus São Paulo und Flamengo aus Rio de Janeiro im Schnitt doppelt so viele Fans ein wie bei einem Formel-1-WM-Lauf. TV Globo muss zudem sparen und hat Personal von den Strecken abgezogen.