Ferrari: 200 Strategien für Vettel und Räikkönen!
Der Ferrari-Rennstratege Iñaki Rueda
Eine moderne Rennstrategie, das ist Hochgeschwindigkeits-Schach: Top-Teams wie Ferrari spielen bis zu 200 verschiedene Strategiemöglichkeiten durch, um sich auf fast jeden Fall der Fälle vorzubereiten. Chefstratege bei Ferrari ist der Baske Iñaki Rueda, der früher für Renault und Lotus gearbeitet hat. Rueda hat das letzte Wort, wann genau Kimi Räikkönen und Sebastian Vettel beispielsweise für einen Reifenwechsel an die Box kommen sollen.
Rueda sagt den Kollegen der Gazzetta dello Sport auf die Frage, ob Ferrari in Sachen Strategien aggressiver vorgehe als im vergangenen Jahr: «Das ist für mich schwer zu sagen, weil ich damals noch nicht im Team war. Aber generell ist es so, dass wir uns nicht nach den anderen richten möchten. Wir wollen agieren, nicht reagieren. Hin und wieder kann das auch in die Hose gehen, aber wenn die eine Entscheidung als Erster triffst, dann kann das der Schlüssel dazu sein, in einem Rennen vorzustossen.»
«Für 2016 wollen wir daran nichts ändern. Ich hoffe natürlich, dass wir im kommenden Jahr ein wenig näher an Mercedes dran sind. Dann kannst du mit einer aggressiven Strategie den Gegner viel mehr unter Druck setzen, ihn vielleicht in einen Fehler treiben. Dieses Jahr haben wir dazu noch zu wenige Gelegenheiten erhalten.»
«Besonders prima hat das mit der Rennstrategie bei Kimi in Bahrain geklappt, da ist wirklich alles nach Plan verlaufen. Aber auch Austin mit Sebastian war gut. Wenn die Bahn feucht ist oder es regnet, dann kommen viel mehr Variablen ins Spiel. Das Timing in Texas hat jedoch gestimmt, und ohne Safety-Car hätten wir vielleicht sogar ein Wörtchen um den Sieg mitreden können.»
Gemäss Rueda hat der Baske bei Ferrari «sehr viele Freiheiten, ohne mich unter Druck zu setzen. Jedenfalls empfinde ich das so. Vielleicht trauen wir uns deswegen zu einigen interessanten Strategien. Wenn wir mehr unter Druck wären, so wäre das anders. Teamchef Arrivabene und Technikchef Allison haben ein sehr gutes Arbeitsklima geschaffen.»
Auf der Suche nach einer perfekten Rennstrategie reicht es nicht, was ein Computer errechnet. Denn ein Rechner kann nicht die menschliche Intuition ersetzen. Iñaki Rueda in der Gazzetta weiter: «Man muss begreifen, was der Computer nicht simulieren kann. Das ist das Geheimnis. Wir haben eine enorme Menge an Daten zur Verfügung, und vielleicht ist dieser Teil der schwierigste von allen – zu entscheiden, was von Wichtigkeit ist und was man zur Seite legen kann. Die mathematischen Grundmodelle sind für alle Rennställe ungefähr die gleichen. Es geht um die Feinarbeit. Wir diskutieren endlos mit Seb und Kimi im Laufe des ganzen Wochenendes, wie wir die Strategie verfeinern könnten. Manchmal dauert das noch bis zu dreissig Sekunden vor dem Start!»
«Die Rolle des Piloten ist ganz fundamental. Grundsätzlich erarbeiten wir pro Grand Prix zwischen hundert und zweihundert Pläne zum Ablauf eines Rennens. Vor dem Start haben wir das dann auf ungefähr drei oder vier eingedampft. Aber wir stehen in ständigem Funkkontakt mit Kimi und Seb und fragen sie regelmässig – glaubt ihr, das ist okay so? Was denkt ihr? Im Laufe eines Rennens kann sich eine ganz andere Situation entwickeln, da muss man anpassungsfähig bleiben. Und da wiederum helfen die zweihundert Berechnungen, die man zuvor angestellt hat.»
Iñaki Rueda hatte nie den Berufswunsch Formel-1-Rennstratege. «Ich würde eher sagen, es ist mir zugestossen», schmunzelt der Baske. «Als ich bei Renault war, habe ich mich am Wagen von Fernando Alonso und die ganzen Kontrollsysteme gekümmert. Da hat uns der Rennstratege verlassen. So bin ich auf den Posten gerutscht.»
«Als ich dann zu Ferrari kam, da wusste ich, dass sehr viele Posten neu besetzt wurden. Ich war ein wenig besorgt. Aber Technikchef James Allison hat mich beruhigt. Er hat mir dargelegt, wie er die Dinge zu ändern gedenkt. Heute ist die Situation entspannt.»
Aber natürlich gibt es auch Momente, in welchen sich Iñaki Rueda irrt. Er meint: «Ich ärgere mich noch immer über Japan, als uns Nico Rosberg mit dem Stopp zuvorgekommen ist, so hat er Sebastian Rang 2 abgeknöpft. Wir hätten uns da nicht überrumpeln lassen dürfen.»