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Singapur-GP-Schock: Mann auf der Bahn, FIA ermittelt

Von Mathias Brunner
​Der Automobil-Weltverband FIA hat eine Untersuchung gegen die Organisatoren des Singapur-GP eingeleitet. Wieder war unerlaubt ein Mann auf der Rennstrecke: 2015 ein Betrunkener, 2016 ein Streckenposten.

Noch in jedem der bislang neun Singapur-GP hat es eine Safety-Car-Phase gegeben, aber dass Bernd Mayländer – der Fahrer des silbernen Führungs-Mercedes – gleich nach dem Start auf die Bahn kommen muss, das hatte es noch nie gegeben. Das Wegräumen der Trümmer nach der Kollision zwischen Carlos Sainz und Daniil Kvyat (beide Toro Rosso) sowie Nico Hülkenberg (Force India) dauerte offenbar schneller als erwartet, denn schon zum Ende der zweiten Runde gab die Rennleitung grünes Licht.

Nico Rosberg, zu dem Zeitpunkt der Führende und später auch Singapur-Sieger: «Ich war überrascht, wie schnell das Feld freigegeben wurde. Und ich war offenbar nicht der Einzige, der überrascht wurde. Denn am Ende der Start/Ziel-Geraden sah ich einen Streckenposten auf der Bahn. Das war haarig. Er schaffte es gerade mal, von der Bahn zu sprinten, bevor wir alle dahergeschossen kamen. Ich fuhr die erste Kurve besonders vorsichtig an, für den Fall, dass er vielleicht ins Straucheln geraten würde.»

Das ist zum Glück nicht passiert, aber die FIA will nun von den Rennorganisatoren in Singapur wissen, wieso sich ein Streckenposten auf der Bahn aufhalten konnte, wo doch das Feld wieder freigegeben war. Der Autoverband hat, wie in solchen Fällen üblich, eine Untersuchung eingeleitet und die Organisatoren von Singapur aufgefordert, das Vorkommnis detailliert zu erklären. Wann das Ergebnis dieser Untersuchung vorliegt, ist noch nicht bekannt.

Es gehört zur üblichen Vorgehensweise, dass Formel-1-Rennleiter Charlie Whiting erst dann das Safety-Car hereinholt, wenn der lokale Pistenchef mehrfach bestätigt, dass die Bahn frei ist. Diese Bestätigung lag offenbar vor, obschon der betreffende Streckenposten noch Kohlefaserteile von der Piste aufklaubte.

Nun wird untersucht, wie es zu diesem potenziell lebensbedrohlichen Fehler kommen konnte.

Mercedes-Teamchef Toto Wolff: «Das war sehr gefährlich. Zwar haben wir Teams bei der FIA angeregt, dass die Rennen nach einer Gelbphase so bald als möglich wieder freigegeben werden, aber zu solchen Szenen darf das natürlich nicht führen. Ich bin sehr froh, dass nichts passiert ist.»

Singapur 2015: Betrunkener auf der Bahn

Im Singapur-GP 2015 meldete sich Ferrari-Star Sebastian Vettel über Funk: «Da ist ein Mann auf der Strecke!» Wenige Sekunden später zeigte das TV-Bild eine Person, die seelenruhig über die Bahn spazierte, nach wenigen Metern über eine Mauer sprang und wieder verschwand.

Kurz darauf wurde der Brite Yogvitam Pravin Dhokia verhaftet, im November 2015 wurde er zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt, darüber hinaus musste er 2.500 Singapur-Dollar Geldstrafe zahlen, umgerechnet rund 1.600 Euro.

Dhokia hatte sich schuldig bekannt, mit seinem Ausflug auf die Rennstrecke während des Singapur-GP die fahrlässige Gefährdung von Leben in Kauf genommen zu haben. Dhokia wurde die Zeit in Untersuchungshaft angerechnet, so dass er noch vor Jahresende wieder auf freiem Fuss war und das Land verlassen konnte. Die ganze Aktion hatte er durchgeführt, um Videos von den vorbeifahrenden Boliden zu machen. Er gab ferner zu, vor seinem Spaziergang tüchtig Alkohol getrunken zu haben.

Für den Singapur-GP 2016 wurde das Sicherheitsprotokoll der Rennstrecke überarbeitet. Es gab mehr Personal entland der Bahn und zusätzliche Zäune.

Shanghai 2015: Fan will Ferrari fahren

Gut eine Viertelstunde nach Beginn des zweiten freien Trainings zum Grossen Preis von China 2015 rannte ein schwarzgekleideter Mann, offenbar von der Haupttribüne kommend, quer über die Start/Ziel-Gerade, ungefähr auf Höhe der Ziellinie, und hechtete dann gekonnt über die Boxenmauer Richtung Ferrari-Garage.
Der Mann hatte sich auf der Rennstrecke eine Lücke zwischen dem vorbeigerasten Sauber von Felipe Nasr und dem nahenden Force India von Nico Hülkenberg ausgesucht.

Der Mann bewegte sich zielstrebig Richtung Ferrari-Box, wurde jedoch von Sicherheitskräften überwältigt, bevor er in den Bereich von Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen eindringen konnte.
Augenzeugen zufolge hat der Mann auf Chinesisch geäussert, er wolle einen Formel-1-Renner fahren. Aktion und Aussage sprechen nicht für einen normalen Geisteszustand.

Bei Start und Ziel sind die GP-Renner jenseits von 250 km/h schnell. Gruselig der Gedanke was passierte, wäre er von einem Formel-1-Auto an- oder überfahren worden. So etwas musste die Formel 1 1977 erleben, damals kamen Shadow-Star Tom Pryce und ein Streckenposten ums Leben.

Die chinesischen Organisatoren reagierten auf Anweisung der Rennleitung umgehend: die Sicherheitskräfte, welche Zäune zwischen Tribünen und Rennstrecke überwachen, wurden verdoppelt. Bis heute haben die Organisatoren nicht enthüllt, in welcher Form der Mann bestraft worden ist.

Silverstone 2003: Im Namen des Herrn

Menschen auf der Rennstrecke sind im modernen GP-Sport zum Glück äusserst selten. Unvergessen der frühere Geistliche Cornelius «Neil» Horan, der im britischen Grand Prix 2003 auf die Silverstone-Strecke rannte, um auf die Worte des Herrn aufmerksam zu machen (auf seinem Schild stand: «Lest die Bibel. Die Bibel hat immer Recht»). Das Einzige, was wirklich nah war, war sein eigenes Ende: der Wagen von Mark Webber verpasste den irren Priester nur um Haaresbreite.

Vergangenes Jahr hat der Australier in seiner Autobiographie über diese Moment geschrieben: «Es war das Unglaublichste, was ich je auf einer Rennstrecke gesehen habe. Mir war völlig einerlei, wofür der Kerl protestieren wollte – er brachte sich, mich und andere in Lebensgefahr. Es machte mich fuchsteufelswild, dass er das in Kauf nahm.»

Das Safety-Car musste auf die Bahn geschickt werden, um den Eindringling einzufangen. Held der Stunde war Streckenposten Stephen Green, der Horan mit einem gekonnten Ringergriff überwältigte. Horan wurde später für seine Aktion in Silverstone zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Gelernt hatte er nichts: Bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen attackierte er einen brasilianischen Marathonläufer und brachte den Athleten um dessen Chancen auf Gold.

Wegen verschiedener Vergehen stand Horan immer wieder vor Gericht und musste verschiedene Strafen absitzen oder Bussen bezahlen.

Hockenheim 2000: Protest wegen Entlassung

Im Jahre 2000 drang der 47jährige Robert Sehli, ein ehemaliger Angestellter von Mercedes, auf die Hockenheim-Rennstrecke vor, er war aus dem Dickicht der ersten Waldgeraden auf den Grünstreifen neben der Bahn gelangt. Der Franzose wollte mit seiner Aktion gegen eine seiner Meinung nach ungerechtfertigte Entlassung protestieren – was auf einer weissen Pellerine stand, die er trug.
Auch hier musste das Safety-Car ausrücken. Später kam heraus, dass er seine Aktion schon beim Frankreich-GP durchführen wollte, es dort aber nicht an den Sicherheitskräften vorbei geschafft hatte.
Selhi erhielt später eine Busse von 200 D-Mark. Und von einem französischen Gericht eine Wiedergutmachung in Höhe von rund 12.000 Dollar – der Richter fand ebenfalls, dass Selhis Entlassung nicht korrekt war.

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