Luca Marini: «Alex Márquez ist mein Maßstab»
Jahr für Jahr wird die Grand Prix-Welt mehr und mehr eine Familienangelegenheit. In der Weltmeisterschaft sind die Márquez-Brüder Marc und Alex, die Espargarós Aleix und Pol, die Binders Brad und Darryn sowie die Viñales-Cousins Maverick und Isaac unterwegs. Im nächsten Jahr werden Valentino Rossi und Luca Marini Teil der MotoGP-WM sein.
Valentino und Luca haben unterschiedliche Nachnamen. Der Erste ist Graziano Rossis Sohn und der Zweite ist jener von Massimo Marini, aber sie haben dieselbe Mutter: Stefania Palma, deren Einfluss in den intensiven blauen Augen beider Jungs abzulesen ist.
Was die Ähnlichkeit der Qualitäten als Rennfahrer betrifft, ist schwer einzuschätzen. Valentino stürmt bereits in der Endphase einer langen und herausragenden Karriere die Rennen, während Luca im nächsten Jahr seine erste Saison in der Weltmeisterschaft absolvieren wird. Es wäre wegen Valentinos charismatischer Persönlichkeit und seinen Leistungen für alle schwer, mit diesem Vergleich umzugehen. In den Anfangsjahren von Lucas Karriere gingen Mutter und Vater (Massimo Marini ist Psychologe) sehr vorsichtig mit den Vorteilen und Risken dieser Verwandschaft um. Mit 18 Jahren, Luca ist ein liebenswerter Junge mit guter Erziehung, kann er mittlerweile gut damit umgehen. «Offensichtlich will ich mich selbst als Fahrer etablieren, aber um ehrlich zu sein, hatte ich nie ein Problem damit, über meinen Bruder zu sprechen. Und nun habe ich mich ohnehin daran gewöhnt.»
Auch beim äußeren Erscheinungsbild wird die Verwandschaft deutlich. Lucas Nummer ist die 97, was nicht nur sein Geburtsjahr ist, sondern auf den Kopf gestellt auch eine 46. Die unverwechselbare gelbe Farbe, die das Merkmal seines Bruders ist, findet sich auch immer mehr in Lucas eigenen Designs. Die bekannte Getränkefirma, die Valentino sponsert, prangt auch überall auf Lucas Lederkombi.
Seine zwei Hunde als Maskottchen erinnern stark an Cesare und Cecilia, Valentinos geliebte Bulldoggen. «Sie ähneln nicht Cesare und Cecilia, es sind Cesare und Cecilia», lacht Luca. «Es sind seine Hunde, aber da Vale so oft nicht zuhause ist, kümmern wir uns um sie.» Eine Art Pflegefamilie.
2015 startete Luca in der Moto2-Klasse der Spanischen Meisterschaft (CEV), die als Europameisterschaft gewertet wird. «Ein Moto2-Team zu finden, war nicht so einfach. Ich war sicher, dass ich in der Moto3-Klasse gut sein könnte, aber Valentino hatte eine andere Idee. Seiner Meinung nach war die Moto2 wegen meiner Größe und meines Gewichts eine bessere Option. Er hatte Recht. VR46 machte einen exzellenten Job, ich kam in das großartige Pons-Team. Das Level der CEV ist sehr hoch – höher als ich erwartet hatte. Alle Fahrer haben sich seit dem Beginn der Saison stark verbessert, und in vielen Rennen lagen unsere Rundenzeiten nahe an denen der Weltmeisterschaft. Soweit es mich betrifft, war es eine sehr positive Saison. Ich konnte mich fast immer für die erste Reihe qualifizieren und auf das Podest fahren. In Valencia war es genauso, bis ich abgeräumt wurde», erklärte der Gesamtfünfte.
Die Moto2-Klasse wird oft als dritte Geige nach MotoGP und Moto3 gesehen. Luca stimmt dem nicht zu. «Die Klasse bietet enge Rennen und harte Kämpfe. Die Rundenzeiten der Fahrer sind sehr ähnlich. Die persönlichen Fähigkeiten und das Set-up sind von größter Wichtigkeit. Das sollte höher bewertet werden und mehr Aufmerksamkeit erhalten.»
Als Luca noch ein Kind war, aber bereits Rennen fuhr, sagte er ein paar Mal, während Valentino sein Held und Lieblingsfahrer war, dass er Hochachtung vor Dani Pedrosa hat und – überraschend für italienische Fans – galt dasselbe für Tom Lüthi. «Das ist wahr. Ich hatte seit der 125-ccm-Ära ein Auge auf ihn. Ich habe erwartet, dass Tom besser wäre und es in die MotoGP-Klasse schafft.»
In der nächsten Saison werden die beiden gegeneinander antreten. «Wer 2016 der stärkste Fahrer in dieser Klasse sein wird? Vielleicht Zarco, Rins, Morbidelli. Auch Baldassarri, mein Teamkollege, ist ein Fahrer, den man im Auge haben muss. Er hat einen großen Fortschritt erzielt und wurde ein ständiger Anwärter für die besten Plätze.»
Doch es gibt einen Fahrer, den Luca ganz genau beobachten wird. «Alex Márquez hat viel mehr Erfahrung als ich und hat ein großartiges Team, daher weiß ich nicht, wann ich auf seinem Level sein werde. Doch ich würde einen engen Kampf mit ihm genießen. Er ist für mich ein Maßstab, ohne Zweifel. Ich werde ihn mit anderen Augen betrachten. Doch ich habe noch sehr viel zu lernen.»