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Pit Beirer (KTM): «Wir ignorieren die Strategien»

Von Günther Wiesinger
KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer freute sich beim Jerez-GP über die deutlichen Fortschritte, denn Pol Espagaró fuhr in zwei freien Trainings in die Top-Ten. Der neue Big-Bang bracht den erhofften Umschwung.

Schon beim Australien-MotoGP-Test in der zweiten Februar-Hälfte 2017 ließen Bradley Smith und Pol Espargaró deutlich abklingen, dass der giftige Screamer-Motor kaum zu bändigen sei. Sie sehnten sich nach der sanften Kraftentfaltung des Yamaha-M1-Triebwerks, das sie jahrelang gewohnt waren.

Und sie ahnten wohl, dass Motoren-Designer Ing. Kurt Trieb längst an diesem Konzept tüftelte.

Ursprünglich sollte der Big-Bang-Motor erst nach der Sommerpause und einem ausführlichen Testprogramm erst in Brünn debütieren.

Aber dann wurde ab dem Katar-GP bei KTM Factory Racing in Munderfing ein Beschleunigungsprozess in Gang gesetzt. Und nach dem halbtägigen Le-Mans-Test am Dienstag letzter Woche war klar: Diese Triebwerke kommen in Jerez bereits zum Einsatz.

Pit Beirer, Motorsport-Direktor bei KTM, erlebte in Jerez ein erfreuliches Wochenende. «Ich wurde sogar beim Meeting der Hersteller von einigen Kollegen auf unsere guten Leistungen angesprochen», stellte er mit Freude fest.

Beirer stellte auch erleichtert fest, dass jetzt zwei der drei Red Bull-KTM-MotoGP-Trucks mit einem Lift ausgestattet sind, sodass er sich jeweils in den ersten Stock ins Besprechungszimmer befördern kann. «Meine Lebensqualität im Fahrerlager hat sich dadurch um 200 Prozent verbessert», bemerkte der im Rollstuhl sitzende KTM-Manager mit Genugtuung, der bisher meist zu ebener Erde seine Meetings abhalten musste.

Pit, wie überrascht warst du beim Jerez-GP vom deutlichen Fortschritt des Big-Bang-Motors? Es hat sich ja abgezeichnet, dass bei der Rundenzeit mit einer neuen Motoren-Konfiguration am schnellsten ein beträchtlicher Fortschritt zu erzielen wäre, nicht bei der Suspension und nicht mit einer längeren Schwinge.

Man müsste jetzt wirklich ins Detail gehen und einmal klären, was wirklich ein Big-Bang ist. Aber für uns ist dieser veränderte Motor auf jeden Fall ein Riesenfortschritt.

Der Ablauf war für uns ganz klar und logisch. Wir haben uns vor drei Jahren für ein Motorenkonzept entschieden und sind diesen Weg gegangen. Wir haben sehr früh gewusst, dass es andere Motorenkonzepte gibt, die sehr gut funktionieren. Aber wir wollten alle unsere Termine halten und sind deshalb auch beim Screamer geblieben.

Denn wir wollten das Roll-out beim Spielberg-Test im Juli 2016 machen und rechtzeitig mit einer Wildcard mit Mika Kallio in Valencia im November 2016 erstmals in der WM antreten. Und wir wollten bis zum Katar-GP 2017 fertig werden.

Wenn wir da irgendwann einmal zwischendurch eingegriffen und das Motorenkonzept verändert hätte, dann wäre die ganze Baustelle wieder gestanden.

Es stört euch nicht, wenn ihr jetzt mehr Motoren als die erlaubten neun braucht und einmal aus der Boxengasse wegfahren müsst?

(Er schmunzelt). Ich glaube, dass wir dadurch zusätzliche Fernsehpräsenz kriegen. Das Feld von hinten aufzumischen, macht ja auch Spaß.

Kann KTM jetzt in der MotoGP-Saison 2017 notfalls noch mit neun Motoren pro Fahrer durchkommen?

Ganz ehrlich gesagt: Das ist uns momentan total egal, denn wir haben ein langfristiges Ziel vor Augen. Und wir haben entschieden: Wenn wir uns steigern können, dann versuchen wir das neue Material an die Rennstrecke zu bringen und auf dem nächsthöheren Niveau wieder einzuloggen.

Denn wenn du einen schnellen Motor hast, brauchst du ein anderes Fahrwerk und eine andere Abstimmung. Du brauchst vielleicht sogar ein anderes Chassis. Nur wegen dem Motorenkontingent und wegen den verplombten Motoren irgendeinen Fortschritt nicht an die Strecke zu bringen, wäre ein Wahnsinn.

Denn in diesem Jahr haben wir ein Lernjahr, da müssen wir sowieso die Prügel einstecken. Ob wir da einmal aus der Boxengasse starten oder nicht, das macht nichts aus. Diese Extra-Prügel halten wir auch noch aus.

Es verkürzt halt die Entwicklungszeit ungemein, wenn wir jetzt zwei Monate früher mit dem neuen Motor in Jerez gefahren sind. So haben wir jetzt zwei Monate Zeit, um das Fahrwerk und den Rest zu verbessern. So werden wir also in zwei Monaten ganz anders dastehen, als wenn wir mit dem Big-Bang bis Juli gewartet hätten.

Wir ignorieren momentan die Strategien, wie lange wir mit welchem Motor fahren können.

Wenn du in den Top-5 oder um den WM-Titel fährst, kannst du dir natürlich solche Spiele nicht mehr erlauben. Aber in unserer Situation, wo wir ganz hinten auf der Liste stehen, gehen wir radikal vor. Und diesen Weg werden wir auch beibehalten.

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