Katar-Konflikt: Sorgenfalten, Motorsport Nebensache
Seit dem Montag der Vorwoche wird das kleine Emirat Katar am Persischen Golf von Nachbarstaaten wie Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), Ägypten, Bahrain, dem Jemen sowie den Malediven und einem Teil von Libyen isoliert, man kann von einer Wirtschaftsblockade sprechen, deren erste Auswirkungen bereits sichtbar werden.
Im 2,2 Millionen Einwohner fassenden Katar gingen binnen einer Woche viele Lebensmittel zur Neige. Es kam gleich an den ersten Tagen zu Hamsterkäufen, denn 80 Prozent der Lebensmittel werden importiert, Saudi-Arabien hatte aber die einzige Landgrenze zu Katar dichtgemacht. Das Emirat ist seither nur noch über den Luft- oder Seeweg erreichbar.
Die Milchprodukte wurden binnen acht Tagen knapp, ein katarischer Geschäftsmann entschloss sich deshalb, in Australien und in den USA 4000 Kühe zu kaufen und sie mit 60 Flugzeugladungen nach Doha zu bringen.
Der Geschäftsmann Moutaz Al Khayyat ist Chef der Power International Holding, einer Unternehmensgruppe, die vorrangig im Bauwesen tätig ist und zum Beispiel die größte Shopping-Mall in Doha errichtet hat. Laut Bloomberg hat die Holding aber 50 Kilometer nördlich von Doha einen Landwirtschaftsbetrieb installiert, der so groß ist wie 70 Fußballfelder und ausreichend frisches Gras anbaut. In diesem Betrieb wird bereits Schafmilch und Lammfleisch produziert.
Ursprünglich war geplant, auch Kühe auf dem Seeweg ins Land zu bringen. Aber aus Zeitnot muss dieses Vorhaben jetzt per Luftfracht erfolgen.
Sorgen um die Motorrad-WM-Rennen
Inzwischen machen sich besonders bei den Teams, Sponsoren und Fahrern in der Superbike-WM Sorgen breit, denn am 3./4. November soll auf dem Losail Circuit in Doha/Katar das WM-Finale 2017 stattfinden.
Und die MotoGP-Verantwortlichen planen für März 2017 den Katar-Test für alle drei Klassen und den Saisonauftakt, der dort seit 2007 stattfindet. Und 2008 veranstaltete Katar den ersten Nacht-GP der Motorradgeschichte.
Auch ein Motocross-WM-Lauf ist für Katar 2017 wieder geplant, unmittelbar neben der Losail-Rennstrecke.
Die Dorna-Manager können den Ernst des Konflikts und dessen mutmassliche Dauer momentan nicht einschätzen. «Wir haben bisher keine Neuigkeiten. Wir werden sehen», erklärte Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta gegenüber SPEEDWEEK.com. «Solange sich die westlichen Staaten oder die EU nicht gegen Sportveranstaltungen in Katar aussprechen, werden wir unsere Pläne fortführen.»
Auch Sportverbände wie die FIFA hoffen auf eine baldige Beilegung des Konflikts, sonst könnte de Fussball-WM 2022 gefährdet werden.
Gegenwärtig haben die Herrscher in Katar jedenfalls größere Probleme als die Durchführung einer Motorsport-Veranstaltung.
Die Lage ist ernster als ursprünglich angekommen. Es handelt sich um kein Säbelrasseln der ehemaligen Partner am Golf, die in den Golfkriegen noch am selben Strang zogen, erste Vermittlungsversuche von Kuwait sind kläglich gescheitert.
Saudi-Arabien hat in diesem Konflikt mit Katar jetzt die Veröffentlichung einer Liste mit Beschwerden über das Emirat angekündigt. «Ich würde nicht von Forderungen sprechen», erklärte Außenminister Adel al-Jubeir in London. «Ich würde von einer Liste von Beschwerden sprechen, über die diskutiert werden und mit der sich Katar beschäftigen muss.»
Die jetzt feindselig eingestellten Nachbarstaaten hatten sich über eine irritierende Botschaft der staatlichen katarischen Nachrichtenagentur geärgert, die widersprüchliche Standpunkte in der Terrorismus-Bekämpfung kundtat.
Katar widersprach diesen Darstellungen und behauptete, die Agentur sei einem Hacker-Angriff aus Russland zum Opfer gefallen, das FBI könnte die Cyber-Attacke bestätigen.
Dieser Version wurde aber von den Saudis kein Glauben geschenkt.
In Saudi-Arabien wird jetzt gemeinsam mit den Blockade-Partnern am Sündenregister von Katar gearbeitet. Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten basteln mit den Saudis an dieser Liste. Al-Jubeir betonte, Katar müsse die Unterstützung von «Extremismus und Terrorismus» einstellen.
Katar wird vorgeworfen, sich mit Geldzahlungen an diverse Terrorgruppierungen von Anschlägen freigekauft zu haben, zum Beispiel auch gegenüber Osama Bin Laden und dessen Al-Qaida und sogar des IS.
Es geht um die Vormachtstellung in der Region
Die saudische Regierung in Riad und ihre Verbündeten haben die Isolierung Katars mit entsprechenden Hinweisen begründet. Die diplomatischen Beziehungen zu Katar wurden eingestellt, dazu wurden Wirtschaftssanktionen verhängt. Katar weist den Vorwurf zurück, extremistische Gruppen wie den IS unterstützt zu haben.
Ein Hintergrund für den Konflikt ist auch die Konkurrenz zwischen dem sunnitischen Saudi-Arabien und dem schiitischen Iran, zu dem Katar diplomatische Beziehungen unterhält. Saudi-Arabien und die USA beharren hingegen auf eine Isolierung des Iran, der eine Vormachtstellung in der Region anstrebt.
Durch die Blockade von Katar spielen sich in der Region bereits menschliche Tragödien ab. Weil die neuen Feinde von Katar alle Bürger aus Katar ausweisen, mussten 13.000 Menschen innerhalb von zwei Wochen ihre Siebensachen packen und die Rückreise in die Heimat antreten.
Der Tourismus in Katar leidet einen Einbruch, die Qatar Airways dürfen nicht mehr in die Nachbarstaaten fliegen, sie dürfen dort nicht einmal den Luftraum betreten, die Qatar Airways lockt die Touristen momentan mit Billigangeboten.
Ali Bin Schmaich al-Marri, Vorsitzender der Menschenrechtskommission in Katar, erklärte in Genf, die kollektive Bestrafung sei «schlimmer als die Mauer in Berlin».
Sogar eine Frau, die in den Vereinigten Emiraten (VAE) auf eine dringend erforderliche Nierenoperation warte, sei zur Ausreise gezwungen worden.
Scheich Tamin Bin Hamad, der Herrscher von Katar, und seine Gefolgsleute spielen die Probleme herunter und verharmlosen sie bisher.
Nach aussen wird vermittelt, die Katarer kämen mit der neuen Situation recht gut zurecht, alle Transaktionen liefen wie immer, teilte beispielsweise die «Bank of Qatar» mit.
Regierungsmitarbeiter betonen, man habe keine Angst, kein Katari müsse hungern. Es soll bereits Obst und Gemüse aus dem Iran unterwegs in das steinreiche Emirat sein, das über die zweitgrößten Erdgasreserven der Welt verfügt. Milchprodukte, die bislang zum größten Teil aus Saudi-Arabien importiert wurden, werden neuerdings verstärkt aus der Türkei geliefert, das Katar gegenüber freundlich gesinnt ist.