Exklusiv: Ist der Sachsenring-GP in Gefahr?
Der Sachsenring-GP: Vorläufig nur für 2018 gesichert
Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta bestätigte diese überraschende Neuigkeit am Donnerstagnachmittag gegenüber SPEEDWEEK.com.
Was bedeutet diese neue Situation für die Zukunft des deutschen WM-Laufs, der 2018 von 13. bis 15. Juli ausgetragen wird und im Vorjahr zum 20. Mal hintereinander in Sachsen stattfand?
Fakt ist: Der Grand Prix 2018 von dieser Angelegenheit nicht betroffen.
Vertragspartner von Rechte-Inhaber Dorna Sports ist der ADAC e.V., nicht die Sachsenring-Management GmbH (SRM).
Der ADAC muss jetzt der Dorna bis zum 30. Mai mitteilen, ob und wo der Deutschland-GP 2019 ausgerichtet wird. Findet dieser nicht auf dem Sachsenring statt, bleibt voraussichtlich nur der Nürburgring als Ausweichstandort. Der dortige Streckeneigentümer und potenzielle Promoter müsste aber viel Geld in den Streckenumbau investieren. Safety Officer Franco Uncini hat den Nürburgring letztes Jahr im August inspiziert und für etliche Bereiche größere Sturzräume gefordert. Sonst gibt es keine Grade-A-Homologation, die für einen Grand Prix Grundvoraussetzung ist.
Der Geheimplan der Sachsenring Rennstrecken Management GmbH: Sie will den Grand Prix 2019 und in den Folgejahren selbst ausrichten. Das geht aber nur, wenn der ADAC die Dorna-Deadline nicht erfüllt und der Autofahrerclub keinen neuen Promoter, keinen neuen sportlichen Ausrichter und keinen – womöglich – neuen Schauplatz mit Grade-A-Homologation anbietet.
Warum eskaliert der Streit?
Über die Hintergründe des Zerwürfnisses zwischen ADAC-Sportpräsident Hermann Tomczyk und der SRM kann nur spekuliert werden. Im Vertrag zwischen ADAC und der Sachsenring-Rennstrecken Management GmbH soll es geheime Klauseln geben, die immer wieder für Diskussionen sorgen. Insider vermuten, dass der ADAC dem Partner SRM eine Vermittlungsgebühr («handling fee») verrechnet.
Dazu hat Hermann Tomczyk vor zwei Jahren mehrmals gewarnt: «Wir müssen den Motorrad-GP nicht immer zwingend auf dem Sachsenring veranstalten.»
Jetzt wollte die SRM aber wieder Geld in die Infrastruktur investieren, dazu braucht sie aber Planungssicherheit. Es gab zwar eine Zusicherung des ADAC für den Grand Prix in Sachsen von 2017 bis 2021 – aber dieser Deal wurde jetzt gekündigt.
Ausserdem laufen die Ticketverkäufe für 2018 schleppend. Kein Wunder. Am 15. Juli findet in Moskau das Finale der Fußball-WM statt, es gibt nur noch zwei deutsche GP-Fahrer, die Schweizer bleiben hinter den Erwartungen. Und erstmals seit 2011 wird kein deutscher MotoGP-Fahrer am Start sein.
Viele ehemalige Sachsenring-Besucher ärgern sich über die stark gestiegenen Eintrittspreise, auch die Infrastruktur erscheint ihnen nicht mehr in allen Bereichen zeitgemäss. Viele deutsche Fans reisen deshalb inzwischen lieber nach Assen, Brünn oder Spielberg, wo die Tickets günstiger oder das Angebot als attraktiver bewertet wird.
ADAC-Sportpräsident Hermann Tomczyk kennt die verworrene Situation in Sachsen, sie hängt ihm seit Jahren zum Hals heraus.
Denn die SRM braucht den ADAC Sachsen einerseits als sportlichen Ausrichter, also für die Bereitstellung der Streckenposten, Feuerwehr, Sanitäter und so weiter. Außerdem verfügt der ADAC Sachsen über Grundstücke, Immobilien und Parkplätze, ohne die der Grand Prix nicht abgewickelt werden kann.
Dazu existiert PRO Sachsenring und der Logistikpartner AMC Sachsenring. Diese komplizierte Situation führt seit Jahren zu Zwistigkeiten, Kompetenzgerangel und Winkelzügen, die manchmal kindische Züge annehmen.
Manche Grundstücksbesitzer stellen Tribünen auf ihren Grundstücke auf und verkaufen Tribünenkarten, dem Promoter erstatten sie nur billige Stehplatzkarten. So gehen erkleckliche Einnahmen verloren.
Und da der Sachsenring als einzige GP-Piste im Jahr keine permanente Rennstrecke ist, sondern eigentlich als Verkehrssicherheitszentrum dient, müssen jedes Jahr Tribünen errichtet werden – für jährliche Kosten von mehr als 600.000 Euro.
Der ADAC Sachsen führte den Grand Prix von 1998 bis 2011 durch. Dann erhöhte die Dorna die GP-Gebühr von 1,5 auf 3 Millionen Euro pro Jahr. Der ADAC Sachsen rechnete deshalb für 2012 mit einem Verlust von 650.000 Euro, selbst bei ausverkauftem Haus, also legte er das GP-Geschäft nach der Saison 2011 nieder.
Die damals von Wolfgang Streubel angeführte SRM, eine gemeinsame GmbH der umliegenden Kommunen Hohenstein-Ernstthal, Oberlungwitz, Lichtenstein, Berndorf, Gersdorf und des Kreises Zwickau, sprang Hals über Kopf als Ersatz-Veranstalter ein. Für eine sinnvolle betriebswirtschaftliche Kalkulation blieb offenbar keine Zeit. Und man vertraute auf die Großzügigkeit des Freistaats Sachsen. Die vom ADAC Sachsen jahrelang kritisierte Ticketsteuer schaffte man gleich einmal ab, um die Kosten zu senken.
Seitdem trägt die SRM zwar das finanzielle Risiko, aber der ADAC Sachsen hat zum Beispiel bei der Auswahl der GP-Rahmenrennen seltsamerweise ein Mitspracherecht.
So wollte die SRM vor zwei Jahren ein attraktives Superbike-Rennen austragen, der ADAC Sachsen hingegen setzte einen farblosen Aufmarsch des inzwischen verblichenen Northern Europe Moto3-Cup durch, der keinen Hund hinter dem Ofen hervorlockte.
Fazit: Die aus Steuergeldern finanzierte SRM häufte in den ersten GP-Jahren Verbindlichkeiten von mehr als 1,2 Millionen Euro an.
Streubel sprach trotzdem dauernd von einer schwarzen Null, doch bereits 2012 wurde ein GP-Defizit von 205.000 Euro ruchbar.
2017 mit 900.000 Euro Verlust – und 2018 wieder?
Schon 2016 herrschte in Sachsen Ungewissheit wegen der MotoGP-Zukunft. Die Funktionäre fragten sich: Zieht nach dem 19. Grand Prix seit 1998 in Hohenstein-Ernstthal die GP-Tristesse ein?
Niemand konnte damals abschätzen, ob der ADAC ein neues Agreement mit der Dorna zustandebringen und ob der ADAC einen anderen Schauplatz in Erwägung ziehen würde.
Warum die SRM nie direkt mit der Dorna verhandelte, könnte mit der mangelnden Durchschlagskraft von Streubel und seines überforderten Umfelds zu tun gehabt haben. Solche Gespräche wären schon im September 2011 ratsam gewesen.
Denn eines war klar: Die Dorna hatte nie Interesse an einem Grand Prix auf dem Lausitzring, und die WM-Läufe in Hockenheim und auf dem Nürburgring waren Mitte der 1990er-Jahre beträchtliche Flops mit 17.000 bis 20.000 Zuschauern und Verlusten von mehr als 1 Million Euro.
Deshalb hätte man der Dorna sicher finanzielle Zugeständnisse abtrotzen können. Ein MotoGP-Kalender ohne Deutschland wäre eine Schmach für diese Rennserie.
Anderseits hat die Dorna keinen Anlass, den GP von Deutschland quasi zu verschenken: 2018 finden erstmals 19 Grand Prix statt, mehr sollen es nicht unbedingt werden. Nach Thailand (findet erstmals am 7. Oktober 2018 statt) drängen zum Beispiel Indonesien, Finnland und Brasilien auf einen Grand Prix, Vorverträge sind bereits unterzeichnet.
Obwohl der ADAC Sachsen bei 3-Mio-Dorna-Gebühr für 2012 mit 650.000 Euro Verlust rechnete und deshalb aus dem MotoGP-Deal ausstieg, willigte die SRM GmbH nach dem Grand Prix 2016 für 2017 und die Jahre danach auf Kommando des ADAC München sogar bei einer Gebühr von 4 statt 3 Millionen ein!
Das Resultat war ernüchternd: Beim Grand Prix 2017 wurde ein Rekordverlust von 900.000 Euro erwirtschaftet. Seither brennt der Hut. Die SRM schrieb diesen Verlust der Terminverlegung um zwei Wochen zu, die aber noch im alten Jahr beschlossen wurde.
Im SRM-Umfeld wird für 2018 bereits mit einem ähnlichen Defizit gerechnet. Nadine Pohlers, seit Herbst 2017 neue SRM-Geschäftsführerin und vorher SRM-Prokuristin unter Streubel, ist sich bewusst: «So ein Jahr wie 2017 darf es kein zweites Mal geben.»
Ärgerlich: Der Freistaat Sachsen musste seine verdeckten Subventionen für den Grand Prix, die als Image-Kampagne «So geht Sächsisch» getarnt wurde, nach einem Einspruch der Opposition im Landtag 2016 streichen. Der SRM nützte die rund 600.000 Euro Steuergeld zur Verlustminderung.