Krach bei Marc VDS: Die fragwürdige Teamkonstellation
Katar-GP 2018: Michael Bartholemy und Marc van der Straten
Das ruhmreiche und erfolgreiche belgische Marc VDS Racing Team ist in den letzten Wochen in Turbulenzen geraten. Teamprinzipal Michael Bartholemy ist in Ungnade gefallen, es werden ihm finanzielle Ungereimtheiten nachgesagt.
Der lebenslustige Bier-Milliardär Marc van der Straten (70) hat bei seinem seit 2010 existierenden Rennstall Konstellationen zugelassen, die jeder Beschreibung spotten.
Die wichtigsten Fakten in Kurzform:
– Ex-Teamprinzipal Michael Bartholemy hat die Leasing-Verträge mit HRC unterschrieben, er verfügt also über das MotoGP-Material von Morbidelli und Lüthi und hat vor einer Woche die Teilnahme am Barcelona-Test gleich einmal vorsorglich abgesagt.
– Ex-Teamprinzipal Michael Bartholemy hat auch die Fahrerverträge mit Alex Márquez und Franco Morbidelli unterzeichnet.
– Ex-Teamprinzipal Michael Bartholemy hat sich vom Selektions-Komitee und von der IRTA die beiden Moto2-Startplätze vertraglich zuschreiben lassen.
– Ex-Teamprinzipal Michael Bartholemy hat sämtliche Teammitglieder bei sich unter Vertrag.
Trotzdem hat van der Straten einen ersten Etappensieg erreicht und beim Gericht in Karlsruhe eine Einstweilige Verfügung erwirkt: Bartholemy durfte in Le Mans die Marc VDS-Box nicht betreten. Ein Zuwiderhandeln hätte ihn bis zu 250.000 Euro Strafe gekostet.
Auch Bier-Milliardär van der Straten hat als Teambesitzer im operativen Geschäft mitgemischt.
– Teambesitzer Marc van der Straten hat zwei Fahrerverträge unterschrieben – mit Joan Mir und Tom Lüthi.
– Teambesitzer Marc van der Straten hat sich bei Dorna Sports die zwei wertvollen MotoGP-Plätze bis 2021 zusichern lassen.
– Teambesitzer Marc van der Straten hat zuletzt jährlich 4 Millionen Euro in seinen GP-Rennstall investiert.
– Teambesitzer Marc van der Straten hat die Leasinggebühren für alle bei Bischoff + Scheck in Deutschland gebauten Teamfahrzeuge bezahlt.
Aus dem Umfeld von Graf Marc van der Straten ist zu hören, der Belgier habe Bartholemy nach einiger Zeit wie einen Sohn behandelt und ihm blind vertraut. So soll er einen Sechs-Jahres-Vertrag mit dem Teammanager in englischer Sprache unterschrieben haben, obwohl er nur Französisch spricht und sich der Vertragsdauer nicht bewusst war. Und auf Basis dieses Vertrags habe Bartholemy eine Abfindung von 3 Mio Euro gefordert, war in Le Mans zu hören. Die Gründe für die fristlose Entlassung hat er nie akzeptiert.
Vor Gericht müsste jetzt geklärt werden, welche Aktivposten Bartholemy zugerechnet werden können und welche im Besitz von van der Straten sind, der in Treu und Glauben gehandelt hat und immer für alles geradegestanden ist.
Warum der gutgläubige van der Straten zugeschaut hat, wie Bartholemy immer mehr Macht und Einfluss an sich gezogen und seit 1. März 2018 den Rennbetrieb fast komplett über seine Schweizer Firma laufen ließ, diese Frage blieb bisher unbeantwortet.
Das Controlling des kauzigen Grafen hat versagt, erst vor einem Jahr soll VDS auf gewisse Unregelmäßigkeiten gestoßen sein. Aber sie sind bis heute nicht bewiesen. Die berühmte «smoking gun» wurde noch nicht gefunden.
Wo waren die Rechtsanwälte von VDS, als Bartholemy den Rennstall quasi durch eine feindliche Übernahme («unfriendly takeover)» systematisch unter seine Herrschaft und teilweise in seinen Besitz brachte? Warum wurde der 49-jährige Teammanager, 2003 mit einem eigenen Supersport-WM-Honda-Team finanziell gescheitert, nicht einfach mit einer ansehnlichen Summe pro Jahr entschädigt und der Rennbetrieb über eine VDS-Firma abgewickelt? Das Teamhauptquartier lag ja immer im belgischen Gosselies.
Der neue Teammanager Luca Montiron muss jetzt einen unübersichtlichen Scherbenhaufen kitten, gleichzeitig Marc VDS und die Sponsoren wie Total und Estrella Galica 0,0 bei Laune halten und alle Teammitglieder zum Weitermachen motivieren.
Bisher klagt die Mannschaft über eine schleppende oder nicht vorhandene Kommunikation. «Wir informieren uns über SPEEDWEEK.com», beschwerten sich einige VDS-Mitarbeiter beim Frankreich-GP.
«Ich befürchte, Michael Bartholemy wird durch seine Manöver einen namhaften Sponsor aus dem GP-Sport vertreiben», grübelte ein ehemaliger Teambesitzer.
Diese unübersichtliche Teamkonstellation, die Bartholemy unter den Augen des steinreichen van der Straten aufgezogen hat, führt in ein betriebswirtschaftliches Desaster.
Michael Bartholemy (49) wird voraussichtlich mit einem blauen Auge davon kommen. Denn Marc VDS kann nicht monalelang auf ein Gerichtsverfahren warten, das Team muss jetzt Richtung Mugello in Marsch gesetzt werden. Deshalb wird Marc VDS mit den Anwälten eine pragmatische Lösung treffen und sich mit Bartholemy einigen.
Selbst wenn dem Ex-Teammanager keine finanziellen Machenschaften nachgewiesen werden können, seine Rennfirma ist ohne VDS und ohne Sponsoren kaum überlebensfähig. Sein Ruf wird für immer beeinträchtigt sein. Und die Dorna wird ihm vor aussichtlich keine Startplätze mehr zubilligen.
Einerseits bedauerlich, denn Bartholemy hat ein schlagkräftiges Team zusammengestellt und immer wieder – teilweise auch dank Sponsor Estrella Galicia 0,0 – vielversprechende Talente verpflichtet. Redding, Rabat, Alex Márquez, Jack Miller, Franco Morbidelli und Joan Mir. Oder schnelle Haudegen wie Mika Kallio und Tom Lüthi.
29 GP-Siege hat Marc VDS Racing seit 2010 errungen.
Die zwielichtige Teamkonstellation des gelernten Dachdeckers Michael Bartholemy fällt jetzt der gesamten GP-Szene auf den Kopf.
Aber zumindest sind die schlimmsten Befürchtungen ausgeräumt worden.
Marc VDS Racing wird mit beiden Teams (Moto2 und MotoGP) in Mugello und bei den restlichen Grand Prix an den Start gehen, versichert der neue Teammanager Luca Montiron, der momentan hinter den Kulissen als Vermittler auftritt. Es sollen alle möglichen Deals und Verträge von Bartholemy auf Marc VDS übertragen werden, der ja das Team von Anfang an finanzierte, als kaum andere Sponsoren mitwirkten und heute 4 Millionen Euro im Jahr zuschiesst.
Ob das MotoGP-Team nach 2018 fortbestehen wird, ist fraglich und wird reiflich überlegt.