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Pit Beirer (KTM): «Wieder in der Realität unterwegs»

Von Günther Wiesinger
Wer vermutet hatte, die MotoGP sei für den einstigen Offroad-Spezialisten KTM eine Nummer zu groß, hat sich getäuscht. Und die Erfolge im Offroad-Bereich haben nicht gelitten.

Pol Espargaró liegt nach fünf von 19 MotoGP-Rennen in dieser Saison auf dem 13. WM-Rang. So gut war in der Königsklasse noch nie ein Red Bull-KTM-Werkspilot platziert.

Pol Espargaró hat mit der KTM RC16 seit dem Assen-GP vor elf Monaten in 16 Grand Prix 13 Mal gepunktet – jeweils auf den Rängen zwischen 9 und 13. In Brünn und Phillip Island 2017 eroberte mit er mit zwei neunten Rängen die besten KTM-Ergebnisse.

In Katar 2018 schied Pol Espargaró mit einem mysteriösen Elektronikdefekt aus, seither hat er 2018 drei elfte und einen 13. Platz (Austin) erzielt. Mika Kallio schaffte in Jerez Platz 10; Bradley Smith landete in Jerez 13 und in Le Mans an 14. Stelle.

In Mugello findet ein kleines Jubiläum statt. Der GP in Italien wird der 25. MotoGP-Auftritt von Red Bull KTM seit dem Debüt von Mika Kallio in Valencia 2016 sein.

Pit Beirer, Motorsport-Direktor von KTM, stellte beim Texas-GP fest: «Wir haben bei den ersten Rennen 2018 an den GP-Wochenenden zu viel neues Material getestet. Wir haben manchmal auf der Rennstrecke Teile getestet, die eigentlich zuerst ins Testteam gehört hätten. Diese Zeit haben wir uns oft nicht gegeben. Da müssen wir jetzt mehr Ruhe reinbringen; das müssen wir künftig vermehrt beherzigen. Denn es ist auf unseren Level nicht mehr so einfach, sich zu verbessern.»

Während Pol Espargaró im Winter von fünften und dann von sechsten Plätzen sprach, die er für 2018 anstreben würde, und während Firmenchef Stefan Pierer ähnliche Absichten bekundete, blieb Red Bull-Teammanager Mike Leitner pragmatisch. «Neunter waren wir schon zweimal. Jetzt müssen wir zuerst einmal Achter werden», lautete seine nüchterne Devise vor dem Saisonstart.

Bei den ersten drei Rennen musste KTM feststellen: Es gibt in dieser Szene nicht einmal die Gewissheit, dass man im Frühjahr auf jenem Level einsteigt, auf dem man im November die Saison beendet hat.

Denn Pol Espargaró lag zwar beim Sepang-Test Ende Januar nach eineinhalb Tagen mit 0,479 sec Rückstand an der grandiosen vierten Position, aber dann stürzte er schwer, das Testprogramm litt, der KTM-Pilot war an den restlichen 7,5 Testtagen entweder gar nicht oder nur halb fit einsatzbereit.

Jack Miller ist viel stärker als 2017, Suzuki ist wieder konkurrenzfähig geworden (drei Podestplätze in fünf Rennen), Yamaha und Honda haben je drei starke Fahrer, Ducati noch mehr – die Konkurrenz an der Spitze ist extrem ausgeglichen.

«Es sind ja alte Floskeln von mir, wenn ich sage: Wir arbeiten in der MotoGP als Neulinge gegenüber der ganzen Konkurrenz einem Rückstand von 15 Jahren ab, denn die Gegner sind alle seit 2002 oder 2003 dabei. Und dazu bekommst du jeden Tag einen neuen Rückstand aufgebrummt. Wir müssen also viel schneller entwickeln als alle Mitbewerber, wenn wir den Vorsprung der Gegner abknabbern wollen», betont Pit Beirer. «Denn kein Hersteller leistet sich hier einen technischen Stillstand. Es sind zwar immer die gleichen Fahrer und die gleichen Teams dabei, aber in der Realität wird jeder pausenlos schneller. Und diese Entwicklung bei den Gegnern müssen wir auch einkalkulieren. Das macht die Härte in dieser MotoGP-Klasse aus. Aber das ist kein Grund zum Jammern. Uns war von vornherein klar, dass es so ist.»

Red Bull KTM hat für 2019 das Fahrerduo Johann Zarco/Pol Espargaró verpflichtet. Beim neuen Tech3-Kundenteam wird Miguel Oliveira fahren, der zweite Platz ist noch frei.

KTM hat 2017 alle Erwartungen übertroffen. «Wir haben im ersten Jahr bereits jene Resultate erreicht, mit denen ich in der zweiten Saisonhälfte 2018 gerechnet habe», gab Stefan Pierer, Vorstandsvorsitzender der KTM Group, im November zu.

Durch die überraschend starken Fortschritte von 2017 werden die Entwicklungsschritte jetzt geringer. Der neue 1000-ccm-V4-Motor mit der gegen die Fahrtrichtung drehenden Kurbelwelle bewährt sich. Die ersten Kinderkrankheiten bei dieser Triebwerksversion hat Motoren-Designer Ing. Kurt Trieb vor dem Jerez-GP beseitigt.

Pit Beirer: «Wir haben letztes Jahr kein Hehl daraus gemacht, dass es extrem gut gelaufen ist, besser als erwartet. Jetzt sind wir wieder in der Realität unterwegs. Insofern ist das keine große Überraschung. Aber wir haben einen sehr intensiven Plan, der uns helfen wird, im dritten Jahr 2019 wirklich unser Potenzial zu zeigen. Da gehört im zweiten MotoGP-Jahr noch viel Leidensweg... Denn wir können jetzt entscheiden, ob wir das Maximale aus dem Rennwochenende herausholen oder ob wir eventuell Dinge probieren, die uns für 2019 helfen und weiterbringen. Wir müssen in diesem Jahr bei den Grand Prix schon noch Dinge reinpacken, die unsere Konkurrenten nicht machen. Aber das machen wir, um im dritten Jahr richtig ordentlich dazustehen, was immer unser Ziel war.»

«Im dritten Jahr wollen wir um Podestplätze fighten», hat Stefan Pierer zu Begrinn des MotoGP-Projekts prophezeit. «Wir sind ja nicht wegen des olympischen Gedankens dabei.»

Auch wenn in der MotoGP-Klasse in diesem Jahr manchmal Kompromisse gemacht werden müssen, um 2019 besser dazustehen: KTM (2017 wurden 236.000 Motorräder verkauft) sammelt in allen Disziplinen beachtliche Erfolge ein. In der Moto3-WM gab es zuletzt in Jerez und Le Mans jeweils alle drei Podestplätze zu feiern. Und in der Moto2-WM liegt Miguel Oliveira an zweiter Position.

Auch im Offroad-Kerngeschäft läuft es ausgezeichnet. Im Januar wurde die Dakar-Rallye zum 17. Mal hintereinander gewonnen.

Und in Amerika, wo KTM bis 2014 nie einen Titel in der 450-ccm-Supercross Kategorie gewann, sind die Oberösterreicher inzwischen seit 2015 ungeschlagen.

2015: Ryan Dungey (KTM)
2016: Ryan Dungey (KTM)
2017: Ryan Dungey (KTM)
2018: Jason Anderson (Husqvarna)

In der 450-ccm-US-Supercross-Championship siegte 2018 übrigens Jason Anderson vor dem Franzosen Marvin Musquin auf KTM. «Wir wurden also in diesem Jahr erstmals nach drei Jahren geschlagen», schmunzelt Beirer. «Aber von unserer Zweitmarke. Das lässt sich leicht ertragen…»

Auch im traditionellen europäischen Motocross dominiert Red Bull KTM wie selten zuvor: In der MXGP-Weltmeisterschaft machen Tony Cairoli und WM-Leader Jeff Herlings den Titel unter sich aus. In der MX2-WM führen die beiden KTM-Piloten Pauls Jonass (351 Punkte) und Jorge Prado (329 Punkte) überlegen.

KTM hat bereits 288 Weltmeistertitel (137 davon sind Konstrukreurs-WM-Titel) gewonnen, den ersten 1974 mit dem Russen Gennadi Moissejew in der 250er-Cross-WM in Wohlen/Schweiz.

Heute umfasst das KTM-Werksteam 79 Fahrer – und über alle Diszplinen hinweg rund 500 Teammitglieder.

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