DMSB: Wo sind die Dorna-Millionen hingekommen?
Die Fahrer und Teams sind auf den DMSB nicht gut zu sprechen
SPEEDWEEK.com hat diese Missstände vor fünf Jahren angeprangert. Der DMSB versprach Aufklärung. Passiert ist – genau nichts!
Der Deutsche Motor Sport Bund will diese Geschehnisse offenbar unter den Teppich kehren und nach Helmut-Kohl-Manier aussitzen.
Er schert sich nicht im Geringsten um diese finanziellen Ungereimtheiten. Gleichzeitig liegt die IDM darnieder, es gibt bisher keinen deutschen Formel-1-GP 2019, für den Sachsenring-GP existiert für 2019 noch kein Promoter, für die Superbike-WM ist kein Schauplatz in Deutschland auffindbar, der Lausitzring wurde zugesperrt, die wenigen Lärmtage in Hockenheim und auf dem Sachsenring sind schädlich fürs Geschäft, seit sechs Jahren ist kein neuer Motorrad-GP-Fahrer mehr in die WM gekommen – das gab es seit 1949 noch nie!
Und es drängt sich nicht einmal wirklich ein Talent auf, das sich für einen Moto3-WM-Platz 2019 dringend empfehlen würde.
Aber Funktionäre wie Wolfgang Wagner-Sachs, beim ADAC Vorstandsmitglied für den Bereich Motorsport und Sportleiter, dazu Mitglied des DMSB-Präsidiums, hatten von dieser himmeltraurigen Geschichte bisher nicht einmal eine Ahnung.
Natürlich existiert beim ADAC und DMSB auch kein Konzept für die Zukunft des deutschen Motorradrennsports. Fahrer und Teams wandern in ausländische Serien ab, die Sponsoren suchen sich andere Betätigungsfelder, die Startfelder schrumpfen, seit zehn Jahren existiert in der IDM keine Kategorie und keine Serie, die sich für spätere GP-Fahrer eignet.
Es ist nicht verwunderlich, wenn Dutzende deutsche Teams, Talente und Eltern von Rennfahrern enttäuscht, verwundert, zornig und entgeistert sind, sich im Stich gelassen fühlen und die Faust im Sack machen.
Denn ab 1992 bezahlt GP-Promoter Dorna jährlich rund 7 Millionen US-Dollar für die Motorrad-GP-Rechte an den Motorrad-Weltverband FIM mit der dringenden Auflage, er möge davon an jeden Landesverband, der einen Grand Prix ausrichtet, 125.00 US-Dollar weiterleiten. Dieser Betrag sollte dann für die Nachwuchsförderung zweckgewidmet, also zur finanziellen Unterstützung von talentierten Nachwuchsfahrern verwendet werden, auf dass der Nachschub an GP-Talenten nicht versiege.
In den 22 Jahren bis 2013 haben sich also beim deutschen Verband DMSB genau 2,75 Millionen US-Dollar zusammengeläppert.
Und nach mehrwöchigen Recherchen habe ich 2013 geschrieben: Es hat kein Team und kein Fahrer davon jemals einen Cent gesehen. Noch besser: Es hat nicht einmal irgendjemand außerhalb des DMSB-Dunstkreises bis zur Aufdeckung dieses Skandals etwas von diesem Fördertopf gehört und gewusst.
Kein Bradl, kein Cortese, kein Finsterbusch, kein Alt, kein Öttl, kein Schrötter, kein Folger, kein Amato, niemand. Einfach niemand. Auch kein Betreiber irgendeines Junior-Teams wie Eckl, Kiefer, Freudenberg, Racing Team Germany oder sonst jemand.
Mit 125.000 US-Dollar pro Jahr hätte man 22 Jahre lang unzähligen Talenten finanziell unter die Arme greifen können.
Vielen Talenten fehlte das Geld
Dann hätten in dieser Zeitspanne nicht Dutzende von Talenten von Jerzenbeck über Giuseppetti, Müller, Baldinger, Minnerop, Fröhlich, Lässer, Klein, Meyer, Hafeneger, Stolz bis zu Hüssner wegen Geldproblemen die Segel streichen und in unterirdische Serien verschwinden müssen. Dann hätte vielleicht ein Marcel Schrötter in der Saison 2013 nicht seinen vier Jahre alten Renault verkaufen müssen, um sich die Reisespesen zu den Grand Prix leisten zu können, obwohl er längst in der Weltklasse angekommen war.
Dann hätte ein Talent wie Luca Grünwald, der 2012 mit einer Wildcard auf dem Sachsenring auf Platz 8 des Moto3-WM-Laufs fuhr, nicht auf dem Bau jobben müssen, nachdem sein Papa einen Schlaganfall erlitten hatte und die Familie nicht mehr durchbringen konnte. Auch der begabte Luca Amato wurde großteils von seinen Eltern finanziert.
Papa Antonio Cortese stand noch ein Jahr vor dem WM-Titelgewinn seines Sohnes Sandro für die Jahresbudgets Moto3-Weltmeisters von 2012 gerade, er zahlte 2010 in der 125er-WM noch Reifen und Reisespesen.
Man könnte Bücher füllen mit Geschichten über all jene finanziellen Entbehrungen, die Rennfahrereltern auf sich genommen haben, um ihre talentierten Sprösslinge zu fördern. Vom DMSB gab es dafür keine Anerkennung. Geld schon gar nicht.
Joachim Hüssner schilderte auf SPEEDWEEK.com (Ressort: Red Bull Rookies) 2013 sehr eindrucksvoll, wie sein Sohn Nico ins feudale «DMSB Deutsches Road Racing Junior Team» berufen wurde. «Aber außer Aufklebern, Aufnäher und Helmtaschen haben wir nichts bekommen», lautet seine Bilanz.
Dorna und FIM drehen den Geldhahn zu
«Ich habe in 30 Jahren noch niemanden vom DMSB kennengelernt, außer Herrn Tomczyk», sagte Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta. Er ärgert sich über die undurchsichtigen Machenschaften der Verbände. Er wollte deshalb nach 2013 gemeinsam mit FIM-Präsident Vito Ippolito die 125.000-Dollar-Zuschüsse umwidmen in eine neue Moto2-EM und Moto3-Junioren-WM.
«Da bin ich sofort dabei», freuten sich die deutschen IDM-Teambesitzer Michael und Casten Freudenberg, die seit 1996 Junioren ausbilden und Fahrer wie Aegerter, Heidolf, Kartheininger, Finsterbusch, Kappler, Hanika, Grünwald und Georgi unter ihren Fittichen hatten oder haben. Vater Michael Freudenberg ist im Hauptberuf Besitzer einer Fahrschule mit 30 Beschäftigten. Sohn Carsten betreibt ein Motorradgeschäft mit sechs Mitarbeitern.
Michael Freudenberg ist die Seele von einem Menschen, ein leidenschaftlicher Motorsport-Mann. Noch nie habe ich ein kritisches Wort über ihn gehört – von Geschäftspartnern, Fahrern oder Sponsoren. Aber wenn er über DMSB-Funktionäre spricht, vergisst er zwischendurch seine gute Erziehung. Wen wundert’s?
Und: Er fordert Aufklärung. Seit Jahren.
Ohnmächtige Wut ist bei manchen Rennfahrervätern zu spüren, die ebenfalls eine lückenlose Aufklärung des Sachverhalts verlangen. Aber wer soll diesen Skandal aufklären? Solche Verbände führen ein Eigenleben, sie kontrollieren sich selber, Begriffe wie Ethik und Moral scheinen Fremdworte zu sein.
Ja, wer wird schon Funktionär? Jeder wirkliche Experte geht in die Privatwirtschaft, übrig bleiben oft nur geltungssüchtige, kleinkarierte Eigenbrötler, denen das Hemd näher ist als der Rock, die gern Siegerehrungen vornehmen, gern im Rampenlicht stehen, die gern ins Fernsehen kommen, die im Privatberuf nicht genug Geld verdienen, um in die Steiermark und vielleicht an einen Event nach Brasilien reisen zu können, denen das nächste Gratis-Abendessen wichtiger ist als die Sorgen und Bedürfnisse eines aufstrebenden Motorsportlers.
DMSB-Präsident Hans-Joachim Stuck hat dieses Amt angenommen, weil er dem Motorsport etwas zurückgegeben wollte. Heute fragt er sich jeden Tag, worauf er sich da eingelassen hat.
Wir reden hier von Entscheidungsträgern, wohlgemerkt, von teilweise hauptamtlichen Funktionären und Würdenträgern, nicht von den Hunderten ehrenamtlichen Funktionären, Streckenposten, Sanitätern und Helfern, die täglich ihre Freizeit aus Liebe zum Motorsport opfern.
Nein, ich persönlich will mich nicht mehr aufregen. Denn es ändert sich nichts bei diesen Funktionärs-Dilettanten. Aber es fällt mir schwer, in diesem Zusammenhang Worte wie Korruption, Unterschlagung und Veruntreuung zu vermeiden. So was gibt’s ja vermeintlich nur in Südamerika, Griechenland und Italien, ist die weitläufige Meinung.
2,75 Millionen US-Dollar. Eine schöne Stange Geld.
Was ist damit geschehen, Herr Stuck, Herr Wagner-Sachs, Herr Tomczyk? Will nicht jemand endlich Licht ins Dunkel dieses Verbandes bringen, in dem die Motorradfahrer ohnedies ein Schattendasein fristen?
Oder breitet der DMSB lieber weiter den Mantel des Schweigens aus? Wird gewartet, bis keiner der Übeltäter mehr am Leben ist?
Zwei deutsche Motorrad-GP-Fahrer haben wir 2018 noch im Startfeld – Philipp Öttl und Marcel Schrötter. So wenige waren es seit 1998 nie mehr. Soviele hat sogar die kleine Schweiz samit ihrem Rundstreckenverbot – mit Lüthi und Aegerter. Selbst Tschechien hat zwei – mit Kornfeil und Abraham.
Die Ära der ständigen deutschen GP-Siege, Podestplätze und Titelgewinne ist längst vorbei.
Momenten sieht es nicht so aus, als würde Deutschland nach Jonas Folger und Stefan Bradl in den nächsten zehn Jahren einen erfolgreichen MotoGP-Stammfahrer erleben.
Daran werden wir uns gewöhnen müssen.
Der DMSB finanziert sich teilweise durch Lizenzvergaben, diese Einnahmen sinken seit Jahren. Also hat man sich anderweitig bedient.
Die Halbwertszeit des DMSB kann man sich allmählich auch ausrechnen. Aber mit der Zukunft beschäftigt sich dort ohnedies keiner.
Aber sie kommt oft schneller als man denkt.