Valentino Rossi: Warum Rücktritt kein Thema mehr ist
Valentino Rossi
Wenn es bei Valentino Rossi in diesem Stil weitergeht, wird er in Silverstone auf dem Podest landen. Denn der Yamaha-Star war in Sachsen Achter, in Brünn Sechster, zuletzt in Spielberg Vierter. Rossi versprühte beim GP von Österreich endlich wieder aufrichtige Zuversicht. Nach dem enttäuschenden Auftritt auf dem Sachsenring hingegen wurde in Italien heftig spekuliert, ob sich der neunfache Weltmeister womöglich am Saisonende zum vorzeitigen Rücktritt entschließen würde. Sein Vertrag läuft bis Jahresende 2020.
Aber jetzt spürt Rossi wieder einen frischen Wind bei Yamaha, auch wenn bei der Motorenentwicklung im Winter nicht optimal gearbeitet wurde. Es gab beim Sepang-Test im Februar zwei Motor-Spezifikationen, Viñales bevorzugte die eine, Rossi die andere, schließlich wurde ein Kompromiss der beiden Versionen für die Saison 2019 homologiert. Und jetzt fehlt es an Power.
Rossi brauste in Spielberg auf den vierten Platz, er besiegte Maverick Viñales und überholte den Teamkollegen wieder in der WM-Tabelle. Wenn auch nur um einen Punkt.
Trotzdem hat Rossi seit seiner WM-Debütsaison 1996 (125 ccm) in der ersten Saisonhälfte nie mehr so wenige Punkte gesammelt wie 2019. Die drei Rennstürze in Mugello, Catalunya und Assen haben ihn weit zurückgeworfen, auch wenn jener von Barcelona auf das Konto von Lorenzo ging. Rossi steht seit dem Texas-GP im April ohne Podestplatz da.
Dem 40-jährigen Italiener fehlt außerdem seit 28. Juni 2017 in der MotoGP-Klasse ein Sieg. Seine Geduld wird also auf eine harte Probe gestellt. Und das nicht erst seit kurzem. Denn in den letzten zehn Jahren sind ihm nur zwölf GP-Siege gelungen.
Doch Rossi sagt, er werde weiterfahren, solange er Chancen auf Podestplätze hat, er habe immer noch Freude am Rennsport. Und man darf nicht vergessen: Valentino hatte in den letzten zehn Monaten dreimal ausgezeichnete Siegchancen: In Sepang und Valencia 2018, dann in Texas 2019.
Deshalb weist Rossi alle Rücktrittsgerüchte weit von sich. Sein Vater Graziano witzelt sogar: «Valentino wird erst mit 46 Jahren aufhören.»
Doch die italienischen Medien geben keine Ruhe. Der ewige Schlagzeilen-Lieferant Rossi habe für den Misano-GP eine Pressekonferenz geplant und werde dort womöglich den Rücktritt per Saisonende kundtun, war in den letzten Tagen zu hören.
Im Yamaha-Werksteam weiß jedoch niemand etwas von dieser angeblichen Pressekonferenz. Außerdem hätte es ja auch um die Pläne des SKY VR46-Teams oder die VR46 Riders Academy gehen können.
Die aktuellen Nachforschungen haben ergeben: Rossi und die VR46-Mannschaft hatten nie eine Pressekonferenz für Misano geplant.
Lin Jarvis, Managing Director von Yamaha Motor Racing, ist felsenfest davon überzeugt, dass Yamaha auch 2020 die MotoGP-WM mit Rossi und Viñales bestreiten wird. «Valentino war 2018 in der WM der beste Yamaha-Fahrer; er ist es auch nach elf Rennen 2019. Warum sollte er aufhören?»
Tatsächlich will Rossi gewiss nicht am Tiefpunkt seiner Karriere aussteigen. Er will es der jungen Generation 2020 noch einmal zeigen. Er sieht inzwischen bei der Konkurrenzfähigkeit der Yamaha YZR-M1-Werksmaschine endlich wieder Fortschritte, während er im Frühjahr noch klagte: «2017 und 2018 hat Yamaha in die falsche Richtung entwickelt. Deshalb sind wir nicht nur hinter Honda und Ducati, sondern auch hinter Suzuki zurückgefallen.»
Rossi tröstete sich in dieser Phase mit den Erfolgen seiner VR46-Riders-Academy Schützlinge: Morbidelli und Bagnaia gewannen in den letzten zwei Jahren die Moto2-WM.
Yamaha-Tiefpunkt: Spielberg-GP 2018
Der Österreich-GP 2018 war ein Tiefpunkt in der MotoGP-Geschichte von Yamaha, ein Werk, das bisher über alle Klassen hinweg inzwischen mehr als 500 GP-Siege erreicht hat. Denn damals entschuldigte sich Projektleiter Kouji Tsuya vor den sprachlosen GP-Berichterstattern für die armselige Performance der YZR-M1-Yamaha.
Rossi stand damals am Freitag auf Platz 10 mit einem Rückstand von 2,3 Sekunden, Viñales lag als 20. sogar 4,1 sec zurück. Mangelhafte Beschleunigung, zu wenig Top-Speed und zu hoher Reifenverschleiß – so lautete 2018 die Kritik der Werksfahrer.
Inzwischen ist Tsuya im Yamaha-Werksteam Vergangenheit. Zum neuen Projektleiter Takahiro Sumi hat Rossi Vertrauen gefunden.
«Wir sind mit der aktuellen Situation recht happy, denn die zweite Saisonhälfte hat besser angefangen als die erste geendet hat», lautet das Resümee von Rossi vor dem Silverstone-GP. «Im letzten Frühjahr hatten wir einige sehr, sehr negative Grand Prix. Aber jetzt sieht es so aus, als habe sich bei Yamaha etwas bewegt. Es wird jetzt emsiger und besser gearbeitet, dadurch ist das Motorrad konkurrenzfähiger geworden. Wir haben in Österreich schon am Freitag erkannt, dass uns ein Schritt nach vorne gelungen ist, bei der Beschleunigung und bei der Elektronik, deshalb haben wir in Spielberg wesentlich weniger gelitten als in den letzten drei Jahren. Aber wir haben noch viel zu tun, denn besonders Márquez und Dovi mit den Werksmaschinen von Honda und Ducati sind schneller als wir. Doch wir steigern uns und hoffen auf weitere Verbesserungen für die Saison 2020.»
Eines steht inzwischen fest: Rossi wird nach dem Ende seiner MotoGP-Karriere nicht in die Superbike-WM umsteigen, auch wenn sein Rivale Max Biaggi dort mit 42 Jahren noch Weltmeister geworden ist.
Valentino wird sich nach der Zweiradlaufbahn im Automobilrennsport vergnügen, bei den Sportwagen, in der DTM oder im Rallyesport.
WM-Stand nach 11 von 19 Rennen:
1. Marc Marquez, 230 Punkte. 2. Dovizioso 172. 3. Petrucci 136. 4. Rins 124. 5. Rossi 103. 6. Viñales 102. 7. Quartararo 92. 8. Miller 86. 9. Crutchlow 78. 10. Nakagami 62. 11. Pol Espargaró 61. 12. Morbidelli 58. 13. Mir 39. 14. Aleix Espargaró 33. 15. Oliveira 26. 16. Bagnaia 24. 17. Zarco 22. 18. Iannone 21. 19. Lorenzo 19. 20. Bradl 16. 21. Rabat 14. 22. Pirro 9. 23. Abraham 4. 24. Guintoli 3. 25. Syahrin 3.