Pit Beirer: «Die Fahrer? Es ist wirklich zum Heulen»
Das Unternehmen PIERER Mobility AG hat für die Marken KTM, Husqvarna und GasGas nicht weniger als 58 Werksfahrer unter Vertrag und in den verschiedenen Teams (MotoGP, Moto3, MXGP, MX2, Supercross, Enduro, Super-Enduro, Cross-Country-Rallye-WM usw.) rund um die Welt 460 Mitarbeiter beschäftigt.
Deshalb brütet Motorsport-Direktor Pit Beirer täglich stundenlang über Notfallplänen, er behält die Situation in den wichtigen Motorsportländern im Auge, er spielt verschiedene Szenarien mit einer unterschiedlichen und einer ständig wechselnden Anzahl von Events in allen Serien durch, er sitzt vor Ersatzteilbestelllisten und grübelt, wie viel Material in den diversen Rennserien noch benötigt werden könnte und bestellt werden müsste. Aber niemand kann ernsthaft in die Zukunft schauen. Und niemand kann abschätzen, ob die Lieferketten noch funktionieren – oder ab wann die «supply chains» wieder aktiviert werden können. Bis nach Ostern wurde die KTM Factory Racing-Abteilung in Munderfing in den vorgezogenen Betriebsurlaub geschickt.
Auch die KTM-Gruppe muss sparen. Die Teilnahme an den wichtigen Motorradmessen wie Intermot und EICMA wurde bereits abgesagt. Ob sie überhaupt stattfinden, weiß ohnedies keiner.
Kein anderer Motorsport-Manager auf der Welt muss gleichzeitig so viele Werksfahrer, Teams und Teammitglieder bei Laune und bei Arbeit halten wie Pit Beirer. Da geht es um Weltmeister von Jeffrey Herlings bis zu Tony Cairoli, Jason Anderson, Pol Espargaró, Brad Binder bis zu den Dakar-Siegern Sam Sunderland, Toby Price und Matthias Walkner.
Wie schwierig ist es, die Stars in der langen Zwangspause zu motivieren und ihnen in dieser Phase der Ungewissheit Hoffnung zu geben?
«Ja, das ist nicht so ohne», räumt Pit Beirer ein. «Denn wir haben den Fahrern jetzt wirklich nahe gelegt, bitte nicht zu fahren, weil wir einen Schritt weiter denken müssen. Bei eventuellen Verletzungen dürfen und wollen wir jetzt nicht irgendwelche Krankenbetten belegen, weil wir alle Kapazitäten für jene Patienten frei halten wollen, die jetzt für wichtigere und dringendere Fälle gebraucht werden.»
Aber nicht jeder Athlet von KTM, Husqvarna und GasGas hält sich daran, wie man beim neunfachen Cross-Weltmeister Tony Cairoli (34) gesehen hat, der vor wenigen Tagen auf dem Teamgelände in Lommel/Belgien rumgekurvt ist.
«Sobald ein Fahrer ein Video oder Foto postet, wo er am Motorrad zu sehen ist, rufen mich sofort einige Fahrer an und sagen: ‚Ich will auch Motorrad fahren und ein Bike bekommen.‘ Dann müssen wir klären, wo und wann diese Aufnahmen entstanden sind. Meistens war es dann eh ein altes Video», erzählt Beirer.
«Wenn man so viele top motivierte Athleten unter Vertrag hat, sind diese Ausgangsperren und besonders die strengen Hausarreste wie in Italien und Spanien natürlich wirklich zum Heulen», räumt Beirer ein. «Seit Wochen und Monaten haben sich alle auf die Saison vorbereitet, mit allem Verzicht und unter erheblichen Opfern. Sie sind sich der Lage bewusst, dass sie irgendwann im Sommer wieder voll ins Risiko gehen und die ganze Leistung abrufen müssen. Trotzdem müssen wir sie vorläufig einbremsen. Da schlummert schon viel Energie... Außerdem denkt jeder von ihnen: ‚Naja, ich muss mich aber fithalten. Wenn es in einigen Wochen wieder losgeht, muss ich bereit sein.‘ Die jungen Athleten wollen ja nicht wahrhaben, dass dieser Shutdown etwas länger dauern könnte als vier Wochen, dass sie also sehr wohl ein bisschen loslassen dürfen oder sogar müssen. Du musst jetzt deine Form etwas runterfahren und dann wieder aufbauen. Denn wenn du sie jetzt auf diesem Topniveau durchziehst, dann geht dir im Herbst das Schmalz aus, weil wir hinten raus sicher noch eine anstrengende Saison haben werden. Das gilt für alle Rennserien. Sogar die MotoGP-Saison wird ja mindestens bis 29. November dauern. In der Cross-WM sieht es ähnlich aus. Es war nicht einfach, den Jungs zu erklären, dass sie ihre Fitness jetzt ein bisschen runterfahren und durchschnaufen müssen. Die Fahrer sollen mit ihren Familien jetzt die Zeit am Wochenende genießen, die man im Motorsport sonst nur sehr selten hat. Das muss man jetzt als Vorteil betrachten.»
Der aktuelle Motorrad-GP-Kalender 2020
08. März: Doha/Q (ohne MotoGP
31. Mai: Mugello/I
07. Juni: Barcelona/E
21. Juni: Sachsenring/D
28. Juni: Assen/NL
12. Juli: KymiRing/SF
09. August: Brünn/CZ
16. August: Red Bull Ring/A
30. August: Silverstone/GB
13. September: Misano/I
27. September: Aragón/E
04. Oktober: Buriram/TH
18. Oktober: Motegi/J
25. Oktober: Phillip Island/AUS
01. November: Sepang/MAL
15. November: Texas/USA
22. November: Las Termas
29. November: Valencia/E
Ohne neues Datum: Jerez/E und Le Mans/E
WM-Kalender (Stand: 4.4.2020)
01.03.2020 - Großbritannien, Matterley Basin, EMX125, WMX
08.03.2020 - Niederlande, Valkenswaard, EMX250, WMX
07.06.2020 - Russland, Orlyonok, EMX250, EMXOpen
14.06.2020 - Lettland, Kegums, EMX250, EMXOpen
28.06.2020 - Frankreich, St Jean d'Angély, EMX125, EMXOpen
05.07.2020 - Italien, Maggiora, EMXOpen, WMX
19.07.2020 - Italien, Arco, Pietramurata, EMX250, EMX2T
26.07.2020 - Tschechien, Loket, EMX65, EMX85, EMX2T
02.08.2020 - Belgien, Lommel, EMX125, EMX250
09.08.2020 - Deutschland, Teutschenthal, EMX250, EMXOpen
16.08.2020 - Schweden, Uddevalla, EMX125, EMX250
23.08.2020 - Finnland, KymiRing, EMX125, EMX250, EMX2T
06.09.2020 - Türkei, Afyonkarahisar, EMXOpen, WMX
13.09.2020 - China, Shanghai
20.09.2020 - Italien, Imola, EMX125, WMX
11.10.2020 - Spanien, Xanadú, EMX125, WMX
18.10.2020 - Portugal, Agueda, EMX125, EMX250
01.11.2020 - Indonesien, Jakarta
08.11.2020 - Indonesien, tba
22.11.2020 - Argentinien, Neuquen
Motocross der Nationen:
27.09.2020 - Frankreich, Ernée