Corona-Tagebuch: Über unfreiwilligen & anderen Humor
Die Saison 2020 wurde abrupt gestoppt
Ich konnte es nimmer hören und nicht mehr lesen. Deshalb habe ich am Montag in einem Anfall von Heimtücke erstmals seit gefühlten fünf Wochen einen Artikel online gestellt, in dem die Worte Corona und Krise gänzlich fehlten. Seit mindestens vier Wochen beherrscht Covid-19 unser alle Leben.
Dabei wissen wir gar nicht, wie glücklich wir uns hierzulande mit den Ausgangsbeschränkungen schätzen können, wenn ich Freunde, Bekannte und Mitarbeiter aus jenen Gegenden höre, die unter Hausarrest stehen – zum Beispiel in Italien und Spanien.
Deshalb bin ich froh und dankbar, dass nach dem Lockdown 95 Prozent der Menschen in Deutschland, Österreich und in der Schweiz und vielen anderen Ländern der Welt kapiert haben, was auf dem Spiel steht. Und ich bin auch erleichtert, wenn ich sehe, dass wir noch fast 50 Prozent der Intensivbetten verfügbar haben, obwohl sich die Kurve bei uns bereits abflacht.
Deutschland meldete am 27. März 6933 Neuinfizierte, am 2. April noch 6813, am 6. April 3252, am 7. April 4288.
Mit 206 Toten am 7. April steht Deutschland bei der Virus-Bekämpfung in Relation zur Bevölkerungszahl fast vorbildlich da. Pro Million Einwohner starben in Deutschland bisher 24 Menschen, in den USA 39, in Spanien 300, in Italien 283, in Frankreich 158, in Österreich 27, in der Schweiz 95.
Schlimm genug. Aber die Mediziner rufen uns dauernd in Erinnerung: In Deutschland rafft die Grippe bis zu 25.000 Menschen im Jahr dahin. Ein schwacher Trost.
Jetzt sitzen wir im Home Office, haben am 8. April noch keinen WM-Stand für die Königsklasse, drei MotoGP-Grand Prix (Doha, Buri Ram und Austin) sind spurlos an uns vorbei gegangen.
Von den Rennen in Doha sind uns bestenfalls die Sieger in Erinnerung: Arenas (KTM/Moto3), Nagashima (Kalex/Moto2).
Vor vier Wochen war es noch spannend zu klären, wie die sechs italienischen MotoGP-Teams ihre Boxen auf dem Losail Circuit räumen, nachdem kein Italiener mehr einreisen durfte. Er wäre gleich 14 Tage in Quarantäne gesteckt worden.
Heute steckt die ganze Luftfracht von 400 Tonnen (dafür werden vier Boeing-747-Fracht-Jumbos gebraucht) in einem Lagerhaus in Doha. Wann das Material nach Europa geliefert werden kann, ist fraglich. Es kann ja vorläufig eh nirgends abgeholt werden.
Die Ausgangsbeschränkungen und die Abstandsregeln haben unsere Welt verändert.
Ich schaue mir manchmal bis 3 Uhr früh die tägliche Donald-Trump-Show und dann die Kommentare über ihn auf CNN an.
Trump sollte bei dieser Pressekonferenz eigentlich als verantwortungsvoller Staatsmann auftreten. Er empfindet sich aber jetzt als Kriegsherr, beschimpft Journalisten, verbreitet Unwahrheiten, er verunsichert die Bevölkerung, er schimpft unflätig über renommierte politische Gegner.
Trump wähnt sich offenbar immer noch in seiner Trash-TV-Sendung wie damals bei «The Apprentice», wo er darüber wachte, ob Start-up-Gründer ein Startkapital bekommen sollten. Seither gilt Trump in den USA als Celebrity.
Jetzt sollte er aber den Menschen Hoffnung machen, Leadership zeigen und sich von den besten Wissenschaftlern der Welt beraten und führen lassen. In Wirklichkeit driftet er ins Kabarett ab.
Drei kurze Beispiele.
Trump: «Ich kenne Südkorea wie kaum ein anderer; Seoul ist eine Riesenstadt. 38 Millionen Einwohner.» In Wirklichkeit sind es 10 Millionen, also knapp ein Viertel.
Trump: «Der Virus hat sich bereits in 182 Länder verbreitet. Mein Freund hat gar nicht geglaubt, dass es 182 Länder auf der Welt gibt.»
Trump: «Bei der Schweinegrippe ging es um den H1N1-Virus. Ja, H1N1. Nicht umgekehrt!»
Auch Boris Johnson gehört zu den Politikern, die eher an die Kabarettszene erinnern. Auf dem Gebiet des Humors kommt er an den Berufskomiker und späteren Politiker Beppe Grillo (Fünf-Sterne-Bewegung) in Italien und an Komiker Jón Knarr jedoch nicht heran, der nach der Weltwirtschaftskrise in Island ein geachteter Regierungschef wurde.
Johnson liefert eher unfreiwilligen Humor. Er brüstete sich vor einer Woche im Fernsehen, er habe ein Krankenhaus besucht und dort «jedem» die Hand geschüttelt. Inzwischen hat er die Regierungsgeschäfte übergeben müssen, er liegt auf der Intensivstation.
Den Briten ist das Lachen längst vergangen: 6159 Tote.
Wir können nur hoffen, dass dem Virus der Brexit aus dem Körper des Premierministers bald gelingt.
Eine Prise Humor schadet auch in der düstersten Stunde nicht.
Trump-Widersacher Andrew Cuomo, Demokrat und Governeur des Bundesstaates New York mit mehr als 5000 Toten und ursprünglich nur 3000 Intensivbetten für 19 Millionen Einwohner, appelliert täglich eindringlich an die Bevölkerung, erinnert sie an die «stay at home»-Order und bittet die Regierung in Washington händeringend um dringend benötigte medizinische Hilfsgüter.
Zwischendurch gibt Cuomo aufschlussreiche Interviews bei CNN.
Dort agiert sein jüngerer Bruder Chris als Nachrichtensprecher.
Als Chris Cuomo seinen Bruder kürzlich per Videoschaltung live interviewte, stellte der Gouverneur eingangs fest: «Ich habe gerade mit unserer Mutter telefoniert. Sie hat mir versichert: Ich bin ihr Lieblingssohn.» Chris Cuomo verdrehte belustigt die Augen.
Und Otto Waalkes räumte im SPIEGEL-Interview im Zusammenhang mit den strengen Maßnahmen ein: «Die Abstandseinhaltung kommt mir bei meinen Ex-Frauen sehr entgegen.»
Zur Bemerkung, er gehöre mit 71 Jahren zur Risikogruppe, versicherte Otto: «Ein Risiko war ich schon in der Schule.»