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Stefan Bradl: «Ein bisserl gespenstisch ist es schon»

Von Günther Wiesinger
Stefan Bradl beim Jerez-Test im Januar 2020

Stefan Bradl beim Jerez-Test im Januar 2020

Für Stefan Bradl, MotoGP-Testfahrer bei Honda, ist das Berufsleben zum Erliegen gekommen. Wie er diese Phase der Viruskrise erlebt, schildert der Bayer im Interview.

Stefan Bradl hätte eigentlich von 18. bis 20. März in Jerez einen MotoGP-Test absolvieren sollen. Als sich der Coronavirus in den ersten März-Tagen rasant verbreitete, spürte der Moto2-Weltmeister von 2011 immer weniger Lust, diesen Testtermin wahrzunehmen. Als die Behörden den Circuito de Jerez am 13. März für 15 Tage sperrten, konnte der Bayer seine Erleichterung nicht verbergen. KTM hatte die Teilnahme schon vor der Sperre abgesagt, Aprilia und Suzuki folgten.

Inzwischen lebt Stefan Bradl wie die meisten Menschen in Europa mit Ausgangsbeschränkungen, mit Abstandsregeln und strengen Hygienevorschriften.

«Und beim schönem Wetter halte ich mich mit Rennradfahren fit. Außerdem habe ich mir einige neue Fitness-Apps aufs iPhone geladen. Es ist wirklich überraschend, was man da heute alles trainieren kann, zum Beispiel Hanteltraining. Da gibt es wirklich viele Möglichkeiten, wenn man nicht mehr ins Fitness-Studio gehen kann», schildert der Honda-MotoGP-Testfahrer.

«Ich beobachte natürlich die Entwicklung der Fallzahlen in den Nachrichten natürlich aufmerksam. «Und man muss ja seine Pläne und Meinungen fast täglich ändern», sagt Bradl. «Vor ca. fünf Wochen habe ich noch geglaubt, ich kann in dieser Saison erstmals seit 2016 wieder beim MotoGP-Saisonauftakt dabei sein. Denn als Katar und die anderen drei Übersee-Rennen in Buri Ram, Texas und Las Termas und verschoben wurden, sah es ja so aus, als würde in Jerez die MotoGP-Saison losgehen. Ich hätte eine Freude gehabt, wenn das geklappt hätte. Inzwischen sind vier weitere Grand Prix abgesagt oder verschoben. Und keiner weiß, wann es wirklich losgeht. Vielleicht krieg‘ ich ja trotzdem für das erste Rennen eine Wildcard.»

Inzwischen wurde von HRC auch der geplante Motegi-Test für Ende April abgesagt. «Bisher existiert keine neue Planung, quasi null. Es gibt keinen Plan für eine absehbare Zeitspanne. Wir haben von Alberto Puig die Info bekommen, dass wir zuerst in allen Ländern die Situation in den Griff kriegen müssen. Er hat uns geschrieben, am Wichtigsten sei es, dass wir alle daheim bleiben, auf die Angehörigen aufpassen und alle Maßnahmen der einzelnen Regierungen und Behörden einhalten. Um den Rest ist es ziemlich ruhig geworden.»

Stefan Bradl berichtet, er spüre allmählich MotoGP-Entzugserscheinungen. «Wenn man Videos aus der Vergangenheit sieht und wenn man sich bei Instagram umschaut, wird man tagtäglich mit den Flashbacks und den schönen Erinnerungen konfrontiert. Dass einem Rennfahrer das fehlt, ist klar. Ich halte mich ja auch an die Ausgangsbeschränkungen. Aber bei uns in Bayern herrscht schönes Wetter, man kann rausgehen und Sport machen. Die Menschen in Italien und Spanien, die seit vier Wochen unter strengem Hausarrest stehen, sind viel schlimmer dran. Trotzdem ist es krass, weil die sozialen Kontakte auch bei uns stark eingeschränkt sind. Man hat im Freundeskreis und in der Verwandtschaft viel weniger Kontakte. Abends bei diesem warmen Wetter mal in eine Kneipe oder in einen Biergarten zu gehen, das fehlt mir. Aber es macht sich im Geldbeutel bemerkbar. Ich merke, dass ich deutlich weniger Bargeld brauche.»

Bradl hat im Jahr 2020 im Januar auf der Honda RC213V zuerst mit den Superbike-WM-Teams in Jerez getestet und dann noch den Shakedown-Test in Sepang im Februar absolviert. Seitdem ist er auf keiner Rennmaschine gesessen. Für den Katar-Test vom 22. bis 24.2 hat ihn Honda nicht aufgeboten.

Bradl wohnt in Aichach und besucht seine Eltern in Zahling weiter regelmäßig. «Das Elternhaus ist ja weiterhin mein erster Wohnsitz. Aber wir halten trotzdem Abstand. Zur Oma gehen wir vorläufig nimmer, denn sie ist jetzt 87. Sie ist zwar nach wie vor sehr fit. Aber mit ihr telefonieren nur mehr, seit die Abstandsregeln verordnet worden sind. Seit Bayern diese Vorschriften erlassen hat, meidet man natürlich viele Kontakte.»

«Ein bisschen gespenstisch ist das schon. Aber man hat jetzt Zeit, sich um Dinge zu kümmern, die in der Vergangenheit liegen geblieben sind, zum Beispiel Wohnung aufräumen oder alte DVDs anschauen», sagt Stefan Bradl.

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