Pit Beirer: Am Motorrad ist man vor dem Virus sicher
Pit Beirer mit Stefan Pierer (re.) beim Jerez-GP 2019
«Wir sind jetzt als Führungskräfte und Unternehmer gefragt, schnell gegenzusteuern, denn wir können uns keine wirtschaftlichen Schockstarre von mehreren Monaten leisten», erklärte KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer im Interview mit SPEEDWEEK.com. «Wir können uns keine Schockstarre von mehreren Monaten leisten.»
In ganz Europa wird momentan von den Regierungen und Gesundheitsbehörden unterschiedliche und zum Teil ziemlich widersprüchliche Exit-Strategien verfolgt. In der Bevölkerung sinkt wegen der vielfach stark sinkenden Fallzahlen das Verständnis für den Lockdown allmählich, zumal sich mit den Abstandsregeln, den Versammlungsverboten, dem Schutz der Risikogruppen, dem Tragen von Gesichtsmasken und den Hygienevorschriften die Eindämmung der Pandemie offenbar gut bewerkstelligen lässt.
Red Bull-Chef Dietrich Mateschitz hält die Maßnahmen der Regierung in Österreich (am 24. April nur noch 157 Neuinfizierte, am 26. März lag die Zahl bei 1321) inzwischen ebenfalls für übertrieben. «Mir kommt das so vor, als ob mir jemand ins Knie schießt, um mir dann einen Kredit für die Operationskosten anzubieten», erklärte Mateschitz im Gespräch mit der österreichischen Recherche-Plattform Addendum.
«Die Spirale dreht sich momentan sehr schnell», pflichtet Pit Beirer bei. «Die Menschen verlieren ihren Job und können bald ihre Miete nicht mehr bezahlen. Wir können uns deshalb keine lange Abwärtsspirale und Schockstarre von mehreren Monaten leisten. Den Shutdown konnte man sich vorübergehend leisten, um die Verbreitung des Virus einzudämmen. Aber jetzt müssen wir den Wirtschaftskreislauf wieder hochfahren. Daran führt kein Weg vorbei. Das produzierende Gewerbe, an dem sehr viele Arbeitsplätze hängen, muss wieder hochfahren. Man muss wieder schöne Dinge und Produkte herstellen, die manche Menschen brauchen. Und jene Personen, die Arbeit haben, können sich diese Produkte leisten. Der ganz normale Wirtschaftskreislauf muss wieder in Gang gesetzt werden.»
«Bei den Vorkehrungen für den Neustart der produzierenden Betriebe muss ein Mindestabstand eingehalten werden, niemand darf dicht an dicht in überfüllten Kantinen sitzen. Man muss am Anfang sicherlich umdenken; es wird ein bisschen aufwändiger sein, die Systeme wieder neu zu starten und hochzufahren. Aber wir müssen sie wieder in Gang setzen. Diese Lehren und Erkenntnisse werden uns dann auch beim Neustart der Motorsport-Meisterschaften helfen.»
Es werden sich auch die Lieferketten ändern. So wurde zum Beispiel in Österreich durch ein Joint Venture der Konzerne Palmers Textil AG und der Lenzing AG innerhalb weniger Tage ein Unternehmen gegründet, das in Niederösterreich Millionen in einen Maschinenpark investiert hat und ab Mai mit bis zu 100 Mitarbeitern eine Monatskapazität von 12 Millionen Schutzmasken (Allgemeine Schutzmasken und FFP2 Masken) herstellt.
«Mir ist in den letzten Jahren oft schlecht geworden, wenn ich gesehen habe, wie viele Topmanager ihre Seele oder gleich ihre ganze Firma ins Ausland oder speziell nach China verkauft und hochwertiges Knowhow dorthin geliefert haben», räumt Pit Beirer ein. «Jetzt wundern wir uns, wenn bei uns medizinische Hilfsgüter fehlen, weil die Schiffe aus China nicht mehr in Europa eintreffen. Die Krise wird auch positive Auswirkungen haben und vielleicht zumindest wieder zur Erkenntnis führen, dass wir die erfolgreichen und hochwertigen Produktionsbetriebe in den europäischen Heimatländern halten müssen. Wir sind nicht nur hier in Österreich und Deutschland so ein fleißiges Volk; wir sollten eigentlich gar niemand in Übersee brauchen, um Konsumgüter für uns herzustellen.»
Der KTM-Vorstandsvorsitzende Stefan Pierer hat seine Karriere als Firmensanierer begonnen, er gilt als krisenerprobt. Der Steirer steuert den Eigentümer-geführten Konzern «Pierer Mobility AG» mit den Marken KTM, Husqvarna Motorcycles und GasGas sowie Husqvarna E-Bicycles mit viel Umsicht durch die Krise. Jetzt wird die Fertigung von Husky-E-Fahrrädern kurzfristig auf 80.000 Exemplare hochgefahren.
«Was Stefan Pierer und der gesamte KTM-Vorstand momentan wieder leisten, ist für mich außergewöhnlich», räumt Pit Beirer ein. «Wie sich der Vorstand für die Arbeitskräfte und die Standorte in Oberösterreich einsetzt, das macht mich stolz. Ich bin glücklich, in dieser Firma arbeiten zu dürfen. Die Weichen wurden in der Krise extrem früh gestellt. Als manche die Manager anderer Unternehmen das Wort Krise noch nicht in den Mund nahmen, sind bei uns schon wichtige Vorkehrungen getroffen worden. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir verdammt stark durch die Krise durchmarschieren werden.»
Pit Beirer hat noch eine wichtige Botschaft an allen potenziellen Motorradkäufer. «Der sicherste Platz gegen den Virus ist auf einem Motorrad. Also liebe Freunde und Freundinnen, setzt den Helm auf und fahrt Motorrad, dann seid ihr vor dem Virus sicher und vor Langeweile auch.»