Mike Leitner (KTM): «Die Schonfrist bringt uns wenig»
Pol Espargaró beim Test auf dem Red Bull-Ring vor zwei Wochen
Das Red Bull-KTM-Team wird in zwei Wochen auf dem Misano World Circuit testen. Dort sollen neben Pol Espargaró, der schon letzte Woche in Spielberg wieder mit der KTM RC16 fuhr, auch Brad Binder, Miguel Oliveira und Iker Lecuona auf der MotoGP-Werksmaschine aus dem Innviertel sitzen. Auch der Spanier Pol Espargaró wird dabei sein, obwohl er 2021 und 2022 für Repsol-Honda fahren wird und abtrünnige Fahrer üblicherweise von weiteren Tests ferngehalten werden, dann mit sie keine Betriebsgeheimnisse zur Konkurrenz mitnehmen können.
Red Bull-KTM will aber mit der bisherigen Nummer 1 noch einige starke Rennen zeigen, deshalb wird der schnelle Spanier nicht ausgebootet. Bradley Smith und Johann Zarco, die nach der Trennung Ende 2018 und 2019 zur Konkurrenz (Aprilia und Ducati) gingen, wurden jedoch damals von weiteren Tests ferngehalten.
Der Unterschied: Weder Smith noch Zarco waren zu ihrer Zeit die Nummer 1 bei KTM, denn Pol Espargaró hat in den ersten drei MotoGP-Jahren der Österreicher durchgehend die besseren Ergebnisse erzielt.
«Bradley Smith hat seinen Vertrag zwei Jahre lang ganz normal erfüllt», sagt KTM-Teammanager Mike Leitner im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Die Trennung von Zarco ist vom Fahrer ausgegangen. Er wollte einfach die Zusammenarbeit per Saisonende 2019 frühzeitig beenden. Das war eine komplett andere Situation als jetzt bei Pol.»
Red Bull KTM testete letzte Woche mit Testfahrer Dani Pedrosa und Pol Espargaró zwei Tage in Spielberg. Oliveira und Binder (er konnte Ende Mai aus Südafrika nicht rechtzeitig anreisen) trainierten gestern und vorgestern auf dem Red Bull Ring mit Moto2-Rennmaschinen aus dem Jahr 2018.
«Wir haben von KTM fünf Moto2-Motorräder nach Spielberg gestellt, die man dort mieten kann», berichtete Teammanager Leitner. «Diese ‚Go with the Pro‘-Aktion hat diese Woche am Dienstag und Mittwoch stattgefunden. Da sind Brad und Miguel mit einigen Kandidaten auf die Strecke gegangen. Da ich die beiden seit dem Katar-Test im Februar nicht gesehen habe, bin ich am zweiten Tag auch runtergefahren in die Steiermark.»
Im Juli wird Dani Pedrosa in Brünn testen, eventuell wird auch Testfahrer Mika Kallio dort sein. Dazu gesellt sich Red Bull-KTM in zwei Wochen mit allen vier MotoGP-Piloten zum Ducati-Test in Misano, wo Ducati nur mit Testfahrer Michele Pirro fahren darf.
Eigentlich wollte KTM als «concession team» wie die Factory-Teams Honda, Yamaha, Suzuki und Ducati die Homologation für die Saison 2020 mit dem Katar-Termin im März festlegen. Doch Aprilia Racing sträubte sich dagegen und verlangte einen neuen Homologations-Termin Ende Juli, um einige Kinderkrankheiten an der neuen RS-GP20 ausräumen zu können.
Deshalb wurden die Motoren der Sieger-Teams im März homologiert, die Frist für KTM und Aprilia wurde bis Ende Juni verlängert. KTM war eigentlich dagegen.
«Beim Motor kann man in so kurzer Zeit keinen großen Sprünge machen», stellte KTM-Teammanager Mike Leitner im Gespräch mit SPEEDWEEK.com fest. «Wir waren bei der Motorentwicklung im Februar eigentlich fertig für die Saison 2020. Es hat ja dann geheißen, die Entwicklung wird wegen Covid-19 für alle Hersteller eingefroren. Doch das ist dann wegen des Protests von Aprilia nicht passiert. Bei KTM hat uns die zusätzliche Zeit jetzt gar nichts gebracht. Wir dürfen unsere Motoren zwar jetzt erst am 29. Juni verplomben, aber wir haben es eigentlich schon nach Doha gemacht. Damals ist das Agreement mit den anderen Herstellern gestanden. Wir haben unsere Spezifikation vor dem Katar-GP-Termin vom 8. März bei der IRTA angemeldet. Es wird jetzt bei uns bis Ende Juni nichts Gravierendes geändert. Bei der Aerodynamik, also beim Aero Body, ist bei uns sowieso der Stand vom Katar-Test homologiert. Aber Aprilia hat offensichtlich ein Riesenproblem gehabt. Deshalb hat man für die ‚concession teams‘ die Schonfrist bis Ende Juni eingebaut.»
Leitner: «Nächstes Jahr müssen jetzt die ‚concessions teams‘, also Aprilia und KTM, die GP-Saison mit demselben Motor beginnen, mit dem wir sie 2020 bestreiten. Danach geht man wieder ins andere Regelwerk über. Man hat sich also darauf geeinigt, dass das technische Wettrüsten zu Zeiten von Corona nicht Vollgas weitergeht. Die ‘concession teams‘ müssen deshalb die Saison 2021 mit den diesjährigen Motoren starten.»
Theoretisch könnten Aprilia und KTM in der Saison 2021 aber die 2020-Motoren frühzeitig durch weiterentwickelte 2021-Triebwerke ersetzen.
Leitner: «Aber wenn wir 2021 zum Beispiel nach einem Grand Prix auf neue, weiterentwickelte Motoren umsteigen, verlieren wir den Vorteil, dass wir pro Saison zwei Motoren mehr zur Verfügung haben als die Factory Teams.»
Sinnvollerweise müssten also KTM und Aprilia 2021 die ersten drei Grand Prix mit den 2020-Motoren bestreiten, um den Vorteil von zwei zuätzlichen Motoren pro Saison (die Neueinsteiger bekommen neun, die Sieger-Teams sieben pro Saison) nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen.
«Bis zum Saisonstart 2021 haben wir noch Zeit. Bis dahin können wir in Ruhe überlegen, was wir an Neuentwicklungen nachschieben können», sagt KTM-Teammanager Mike Leitner. «Jetzt hoffen wir zuerst einmal, dass die Saison 2020 losgeht.»