Pit Beirer (KTM): «Haben definitiv nichts kopiert»
Das technische Erfolgsrezept des ehemaligen Aprilia-Chefkonstrukteurs Jan Witteveen, der in den GP-Klassen 125 und 250 ccm für mehr als 120 GP-Siege und fast 50 Weltmeistertitel sorgte, war einleuchtend: «Kopiere nie die Japaner, sonst bist du immer ein Jahr im Rückstand.» Deshalb setzte er in den zwei kleinen Zweitaktklassen damals Drehschieber-Motoren ein, während die Japaner auf Membraneinlass-Steuerungen setzten. Er baute für die 500-ccm-Klasse 1974 eine V2-Maschine, die von Honda später kopiert wurde. Und Witteveen entschied sich in der MotoGP-WM 2002 für einen 990-ccm-Dreizylinder-Reihenmotor, als alle anderen Hersteller mit Vierzylindern und Honda sogar mit dem V5-Zylinder RC211V aufmarschierten.
Auch KTM geht eigene Wege. Das begann in der Moto3-Klasse mit dem exklusiven Bohrung-Hub-Verhältnis von 81x48,5 mm, das Honda nach den ersten zwei WM-Niederlagen und 27 Siegen in Serie kopierte, genau wie den Doppelauspuff der 250-ccm-Einzylinder-Viertaktmaschine aus Oberösterreich. Da in der MotoGP-Klasse die Bohrung mit maximal 81 mm vorgeschrieben ist, hatte KTM-Motoren-Konstrukteur Ing. Kurt Trieb dann bei der 1000-ccm-Vierzylinder-KTM RC16 mit den einzelnen 250-ccm-Zylinder-Einheiten schon eine ausgezeichnete Basis.
KTM beschritt auch in der MotoGP einen eigenen Weg. Ingenieur Trieb (er war zur Zeit der Dreizylinder-Maschine bei Aprilia Racing tätig) entschied sich zwar aus guten Gründen für das V4-Konzept und ging dann 2017 in Jerez vom Screamer zum Big Bang über, es folgte die gegenläufige Kurbelwelle und auch der V90-Grad-Zylinderwinkel gehört heute zum Standard der V4-Befürworter in der MotoGP-Klasse.
Aber mit dem Gitterrohrstahlrahmen und der hauseigenen WP-Supension sorgte KTM bei den Mitbewerbern für Stirnrunzeln, ja sogar für ein mittleidiges Lächeln. Das habe in der Cross-WM funktioniert und bei der Dakar-Rallye, dazu noch in der Moto3, aber in der Königsklasse sei damit kein Blumentopf zu gewinnen, mutmaßten viele Experten, selbst vor zwei Jahren noch.
«Es kann uns definitiv keiner vorwerfen, dass wir in der MotoGP-Klasse irgendwelche Konzepte kopiert haben», hält Motorsport-Direktor Pit Beirer fest. «Wir sind ein Motorradhersteller, wir bauen alles In-house und sind stolz auf unsere eigenen Entwicklungen. Du wirst nie in irgendeiner Sportart und in irgendeiner Klasse ganz an die Spitze kommen, wenn du kopierst. Das zeigt sich auch weltweit in anderen Industriesparten. Wenn du nicht innovativ bist, sondern nur die Konkurrenz nachahmst, bist du immer Zweiter oder Dritter. Du musst den Mut haben, eigene Entwicklungsschritte zu machen. Klar, das ist immer der härtere und beschwerlichere Weg, weil du nichts Vergleichbares hast. Aber wenn du mit einer Eigenentwicklung beginnst Rennen zu gewinnen, wird es für die Mitbewerber schwer, deine Technik nachzumachen. Unser Chassis und unsere Suspension kann keiner so einfach nachbauen. Das dazugehörige Know-how befindet sich in Munderfing.»
«Wir beschreiten einen eigenen Weg, er bildet den Charakter der Rennabteilung, der beteiligten Ingenieure sowie aller Mitarbeiter. Das gibt Selbstvertrauen. Das ist genau das, was die Firma braucht, um hervorragende Serienmodelle zu entwickeln und zu erzeugen. Da willst du ja auch nicht kopieren, sondern deinen eigenen Weg gehen, um deine Marke zu stärken und Profil zu gewinnen», sagt Beirer.
Der erfolgreiche schwedische Suspension-Hersteller Öhlins hat seit Casey Stoners WM-Triumph 2007 auf Ducati alle WM-Titel in der MotoGP-Klasse gewonnen und von 2010 bis zum Brünn-GP 2020 alle MotoGP-Siege abgeräumt. Beim GP von Tschechien triumphierte erstmals KTM mit WP-Federelementen und Brad Binder.
«Wir haben definitiv am Montag nach Brünn wegen WP die erste Anfrage von einem MotoGP-Konkurrenten bekommen», verrät Pit Beirer im Exklusiv-Interview mit SPEEDWEEK.com. «Aber wir haben damals keine Zeit gehabt, um uns seriös um diese Anfrage zu kümmern», ergänzt er schmunzelnd. «Seither hat sich niemand mehr erkundigt. Im Moment genießen wir es, das WP-Material für uns selber zu verwenden. Auch wenn es die Menschen nicht mehr hören wollen: Wir sind nach vier Jahren in der MotoGP-Viertakt-Klasse im Vergleich zu den Mitbewerbern immer noch sehr jung, die meisten sind seit 2002 oder 2003 dabei. Wir bauen in dieser Kategorie gerade etwas auf. Sobald sich das MotoGP-Projekt für uns so stabilisiert hat, dass wir sagen können, Werks- und Kundenteam sind ein Paket, es funktioniert alles, wir sind endgültig an der Spitze angekommen und bleiben auch dort, werden wir dieses Thema neu besprechen. Natürlich würden wir dann WP-Produkte anbieten. Wir wollen ja für 2022 vielleicht ein zweites MotoGP-Kundenteam besprechen.»
Alle MotoGP-Sieger 2020
Jerez-1: Fabio Quartararo (Petronas Yamaha)
Jerez-2: Fabio Quartararo (Petronas Yamaha)
Brünn: Brad Binder (Red Bull KTM)
Spielberg-1: Andrea Dovizioso (Ducati Team)
Spielberg-2: Miguel Oliveira (Red Bull KTM Tech 3)
Misano-1: Franco Morbidelli (Petronas Yamaha)
Misano-2: Maverick Viñales (Monster Yamaha)
Catalunya: Fabio Quartararo (Petronas Yamaha)
Le Mans: Danilo Petrucci (Ducati Team)
Aragón-1: Alex Rins (Suzuki Ecstar)
Aragón-2: Franco Morbidelli (Petronas Yamaha)
Valencia-1: Joan Mir (Suzuki Ecstar)
Valencia-2: Franco Morbidelli (Petronas Yamaha)
Portimão: Miguel Oliveira (Red Bull KTM Tech3)
MotoGP-Pole-Positions 2020
Jerez-1: Fabio Quartararo (Yamaha)
Jerez-2: Fabio Quartararo (Yamaha)
Brünn: Johann Zarco (Ducati)
Spielberg-1: Maverick Viñales
Spielberg-2: Pol Espargaró (KTM)
Misano-1: Maverick Viñales (Yamaha)
Misano-2: Maverick Viñales (Yamaha)
Catalunya: Franco Morbidelli (Yamaha)
Le Mans: Fabio Quartararo (Yamaha)
Aragón-1: Fabio Quartararo (Yamaha)
Aragón-2: Takaaki Nakagami (Honda)
Valencia-1: Pol Espargaró KTM)
Valencia-2: Franco Morbidelli (Yamaha)
Portimão: Miguel Oliveira (KTM)
MotoGP-Pole-Positions 2020
Yamaha 9
KTM 3
Ducati 1
Honda 1
Suzuki 0
Aprilia 0
MotoGP-Podestplätze 2020
Yamaha 12
Morbidelli 5 (3x Platz 1, 1x Platz 2, 1x Platz 3)
Quartararo 3 (3x Platz 1)
Viñales 3 (1x Platz 1, 2x Platz 2)
Rossi 2 (1x Platz 3)
Suzuki 11
Mir 7 (1x Platz 1, 3x Platz 2, 3x Platz 16
Rins 4 (1x Platz 1, 2x Platz 2, 1x Platz 3)
Ducati 9
Miller 4 (3x Platz 20, 1x Platz 3)
Dovizioso 2 (1x Platz 1, 1x Platz 3)
Petrucci 1 (2y Platz 1)
Zarco 1 (2x Platz 3)
Bagnaia 1( 2x Platz 2)
KTM 8
Pol Espargaró 5 (5x Platz 3)
Oliveira 2 (2x Platz 1)
Brad Binder 1 (1x Platz 1)
Honda 2
Alex Márquez 2 (2x Platz 2)
Aprilia 0
Endstand Fahrer-WM nach 14 Rennen:
1. Mir 171 Punkte. 2. Morbidelli 158. 3. Rins 139. 4. Dovizioso 135. 5. Pol Espargaró 135. 6. Viñales 132. 7. Miller 132. 8. Quartararo 127. 9. Oliveira 125. 10. Nakagami 116. 11. Binder 87. 12. Petrucci 78. 13. Zarco 77. 14. Alex Márquez 74. 15. Rossi 66. 16. Bagnaia 47. 17. Aleix Espargaró 42. 18. Crutchlow 32. 19. Bradl 27. 20. Lecuona 27. 21. Smith 12. 22. Rabat 10. 23. Pirro 4.
Endstand Konstrukteurs-WM:
1. Ducati, 221 Punkte. 2. Yamaha 204. 3. Suzuki 202, 4. KTM 200. 5. Honda 144. 6. Aprilia 51.
Team-WM nach 14 Rennen:
1. Team Suzuki Ecstar 310 Punkte. 2. Petronas Yamaha SRT 248. 3. Red Bull KTM Factory Racing 222. 4. Ducati Team 213. 5. Pramac Racing 163. 6. Monster Energy Yamaha MotoGP 178. 7. Red Bull KTM Tech3, 152. 8 LCR Honda 148. 9. Repsol Honda Team 101. 10. Esponsorama Racing 87. 11. Aprilia Racing Team Gresini 54.