Die unerzählte Geschichte: Dall’Igna & Honda, Teil 1
Arbeiten jetzt bei Ducati zusammen: Marc Marquez und Gigi Dall'Igna
Das Bild, das Marc Marquez vergangenen Dienstag in leuchtendem Rot neben Gigi Dall'Igna in der Garage des Ducati-Werksteams zeigt, ist die Verwirklichung des Traums zweier sehr bedeutender MotoGP-Parteien. Der Ingenieur Dall'Igna, Leiter von Ducati Corse – der Rennabteilung der Marke aus Bologna – wollte schon immer die besten Fahrer auf seinen Rennmotorrädern sehen.
Das war der Fall, als er sich 2017 für ein Vermögen die Dienste von Jorge Lorenzo sicherte, und das ist jetzt mit der Ankunft von Marc Marquez im Ducati-Werksteam wieder der Fall. Eine Ankunft, deren Geschichte wir inzwischen alle kennen.
Dabei hätte die außergewöhnliche Verbindung schon viel früher eintreten können – wenn die Verhandlungen zwischen Luigi «Gigi» Dall'Igna und dem weltgrößen Motorradhersteller Honda erfolgreich gewesen wären.
Italiens derzeit bedeutendster MotoGP-Techniker, der seit dem Beginn der Desmosedici-Siegesserie als die Referenz in der Königklasse gilt, hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass andere Werke an ihm interessiert waren. Zugleich hat Dall’Igna immer eine elegante Diskretion darüber gewahrt, wer sich bei ihm umgehört hat. Und doch ist bekannt, dass eines dieser Unternehmen Honda war.
Wir sprechen über das Jahr 2023, eine Saison, in der Spaniens Renn-Ikone Marc Marquez nach fast drei Jahren körperlichen Torturen wieder genesen ist und bereit scheint, sich den MotoGP-Thron zurückzuerobern.
Zugleich herrscht innerhalb der Honda-Rennabteilung HRC bereits das Gefühl, das notwendige Tempo verloren zu haben. 'Gefühlt' deshalb, weil man bei Honda hofft, dass die Rückkehr eines gesunden Marc Marquez auch eine Rückkehr zur Wettbewerbsfähigkeit bedeutet. Doch diese Erwartungen sind weit davon entfernt, erfüllt zu werden.
Das 'neue Konzept', das von HRC in Abwesenheit von «MM93» entwickelt wurde, funktioniert nicht. Eine Situation, die Marc von Anfang an nicht akzeptiert, die ihn aber am Ende beim GP von Deutschland überfordert. Es ist jenes Wochenende, an dem er vor dem Start des Rennens fünf Stürze erleidet – und es ist der Punkt, an dem Marc Marquez die Realität endgültig begreift. Der Spanier scheut sich nicht, fortan öffentlich von Honda die gleichen titanischen Anstrengungen zu fordern, die er unternimmt, um seinen verletzten rechten Arm zu heilen.
Angesichts des Drucks, den der erfolgreichste Honda-Werksfahrer ausübte, und der Aussicht, den Piloten zu verlieren, der im letzten Jahrzehnt sechs Titel und 66 Rennen für das Werk gewonnen hatte sowie der weiteren Aussicht möglicherweise auch noch den spanischen Sponsor Repsol zu verlieren, traf Honda eine noch nie dagewesene Entscheidung: einen Ingenieur aus einem anderen Werk als Leiter des MotoGP-Projekts zu verpflichten; die Rede ist von Gigi Dall'Igna.
Die Arbeit jenes Mannes, der Ducati zur großen MotoGP-Siegermarke geformt hatte, schien die einzige Möglichkeit, die Nabelschnur zwischen Honda und Marquez nicht durchzutrennen.
Es ist nicht bekannt, wer von diesem Moment an der direkte Gesprächspartner in den Verhandlungen mit Honda war, aber als sicher gilt, dass es Gespräche auf höchster Ebene waren, zwischen Ingenieuren und Führungskräften mit höchster Verantwortung.
Es ist offensichtlich, dass diese Gespräche im Jahr 2023 stattfanden, als Marc Marquez seine Entscheidung über eine Zukunft mit Honda hinauszögerte. Die Schlüssel zu diesen Verhandlungen haben uns aus den eigenen Reihen von Honda erreicht.
Was den Chef der Ducati-Rennabteilung an den Verhandlungstisch mit HRC brachte und warum der womöglich größte denkbare MotoGP-Transfer vor gut einem Jahr nicht zustande kam, das lesen Sie morgen auf SPEEDWEEK.com – im zweiten Teil der unerzählten Geschichte von Gigi Dall’Igna und Honda.