Trotz drohender KTM-Insolvenz: «Werden MotoGP fahren»
Der Schock sitzt tief: Um die drohende Insolvenz der Pierer Industrie AG abzuwenden, wurde ein europäisches Restrukturierungsverfahren eröffnet. Dieses ermöglicht insolvenzgefährdeten, aber noch nicht zahlungsunfähigen Unternehmen die Möglichkeit, sich wirtschaftlich zu erholen.
Die Pierer-Gruppe muss bis zum 27. Dezember 2024 einen Restrukturierungsplan vorlegen, in dem glaubhaft beschrieben wird, wie der Fortbestand des Unternehmens gesichert werden soll und welche Maßnahmen dazu ergriffen werden.
Laut dem Kreditschutzverband in Österreich soll ein Antrag auf ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung eingebracht werden. Laut Aussage der Pierer Mobility beläuft sich der Finanzierungsbedarf der KTM AG auf einen hohen dreistelligen Millionenbetrag. Gleichzeitig sollen auch die Tochterunternehmen KTM Components GmbH und KTM F&E GmbH betroffen sein. Ziel ist, den Bestand der KTM-Gruppe nachhaltig zu sichern.
Seit Monaten laufen Verhandlungen mit Großaktionären, Banken und möglichen Investoren, um das Finanzloch zu stopfen. Betrug die Nettoverschuldung 2022 noch 300 Millionen Euro, ist sie in diesem Jahr auf 1,5 Milliarden Euro in die Höhe geschossen. Die Aktie von Pierer Mobility sank am 26. November zeitweise auf unter 8 Euro, vor einem Jahr lag sie noch bei über 60.
Angesichts solcher Meldungen stellt sich die Frage, wie es um das sportliche Engagement der Pierer-Gruppe steht, die mit ihren Marken KTM, Husqvarna, GASGAS und MV Agusta On- und Offroad in mehreren großen Rennserien prominent vertreten ist.
Dass sich Husqvarna aus dem Straßenrennsport zurückzieht, steht seit Juli fest und wurde zunächst mit einer Schärfung der Markenprofile begründet. Doch das ist nur die halbe Wahrheit.
«Wir haben im Sport bereits vor einem Jahr ein ganz massives Effizienzprogramm begonnen, damit es weitergeht», sagte Hubert Trunkenpolz im Exklusiv-Interview von SPEEDWEEK.com, der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Pierer-Gruppe. «Der Fokus im Sport wird wieder auf der Kernmarke KTM sein. Allein aus dem heraus resultiert ein enormes Einsparpotenzial; wenn wir mit Husqvarna Offroad machen, speziell in Amerika, und alles andere wird heruntergefahren. Aber bei KTM ist nach wie vor Druck im Kessel – die Marke KTM ist ohne Motorsport nicht vorstellbar.»
«Natürlich haben wir Verantwortung, wenn überall gespart werden muss, dass es auch im Sport passiert», betonte der Spitzenmanager. «Zum Glück haben wir sehr gute Partner, allen voran Red Bull, die uns nicht nur als Sponsoren, sondern als Partner unterstützen, um durch diese harte Zeit zu gehen, um das Programm von Red Bull KTM so weit aufrechtzuerhalten, wie es notwendig ist. Um allen Spekulationen vorzugreifen: Wir werden nächstes und übernächstes Jahr MotoGP fahren. Wir haben einen Vertrag mit der Dorna, den wir erfüllen, und das wird ausschließlich mit der Marke KTM passieren. Wir müssen die Marke promoten, wir sehen den Sport für die Marke KTM als das wichtigste Marketingwerkzeug, deshalb machen wir das.»
«Wir sind Teil der Firma», ergänzte KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer. «Wenn wir gemeinsam ein Problem haben, dann hat der Motorsport mitzuhelfen. Es ist selbstverständlich, dass wir jetzt so effizient wie möglich mit den Kosten im Motorsport umgehen und versuchen, sinnvolle Einsparungen mit an Bord zu bringen. Um damit letztlich das Geld zu haben, um die Produkte auf Premiumstandard weiterzuentwickeln. Das ist unsere Grundlage für den Motorsport und die ganze Firma, dass wir die besten Motorräder bauen. Das ist zusätzlicher Druck in dem harten Umfeld, in dem es um die Weltmeisterschaft geht. Aber wenn man irgendwo das Kämpfen lernt, dann im Sport. Deshalb werden wir unseren Anteil dazu beitragen.»
«Das ist der Moment, um uns bei unseren Sponsoren und Partnern zu bedanken, mit ihnen reden wir eng abgestimmt, was passiert», schilderte der ehemalige Motocross-Vizeweltmeister. «Sie stehen uns alle zur Seite, das ist unglaublich. Das ist genau jetzt wichtig – wir sind stolz auf unsere Partner und brauchen sie mehr als dringend, um die Stabilität die nächsten zwei Jahre zu erhalten. Ohne sie würde das nicht funktionieren.»
Gespart werden kann in vielen Bereichen, Beirer nennt ein exemplarisches Beispiel: «Dieses Jahr haben wir eine eigene GASGAS-Hospitality ins Fahrerlager gebracht, die werden wir nächstes Jahr wohl nicht mehr sehen. Es gibt auch außerhalb der Mittel, die man braucht, um erfolgreich Rennen zu fahren, Dinge, wo Geld ausgegeben wurde – die sehr angenehm waren und sehr viel Spaß machen. Seit einigen Wochen gibt es bei uns aber den Leitspruch, dass wir das Geld ‘nice to have’ nicht mehr haben, für das ‘must have’ werden wir alles daransetzen, dass es da ist. Luxus im Umfeld wird es nicht mehr geben und einige Einzelzimmer werden zu Doppelzimmern. Wir setzen dort an, wo es dem Rennfahrer auf der Strecke nicht weh tut.»