Verträge: Optionen, Ausstiegsklauseln, Vorkaufsrechte
Maverick Viñales im Rennen von Mugello vor Iannone: trotz Suzuki-Vertrag 2017 bei Movistar-Yamaha
Nach unserem Interview mit Aprilia-Werkspilot Stefan Bradl (Titel: «Das Motorrad bestimmte die Linie») vom vergangenen Donnerstag wurde von SPEEDWEEK.com-Leser «Steffen» die Frage erörtert, ob Aprilia auf Bradl für 2017 eine Option habe oder ob eine Ausstiegklausel existiere.
«Eine Option wäre es, wenn der Vertrag sich nur dann verlängern würde, wenn Aprilia diesbezüglich aktiv tätig wird. Wäre interessant zu wissen, was nun stimmt», schrieb «Steffen».
Naja, in der Finanzwirtschaft bedeutet Option: Das Recht, eine bestimmte Sache oder Ware zu einem späteren Zeitpunkt zu einem vereinbarten Preis zu kaufen.
Eine Option gilt allgemein als Möglichkeit, eine Auswahl zwischen verschiedenen Angeboten treffen zu können.
Im Motorsport werden häufig mehrjährige Fahrerverträge abgeschlossen, wobei sich meist das Werk oder das Team das Vorrecht zusichern lässt, aus diesem Vertrag zu einem bestimmten Zeitpunkt auszusteigen, also die «Option» für das folgende Jahr nicht einzulösen.
Das ist zum Beispiel sinnvoll, wenn für das zweite oder dritte Jahr die Erwartung auf einen deutlich besseren Fahrer besteht.
Aus dem Englischen lässt sich «option» am besten mit Auswahlmöglichkeit oder Vorkaufsrecht übersetzen.
Eine Option in einem Fahrervertrag bedeutet üblicherweise, dass sich der Rennstall spätestens bis zu einem gewissen Datum (zum Beispiel: 15. Juli oder 15. August) entscheiden muss, ob er das Vorkaufsrecht in Anspruch nimmt oder verfallen lässt. Im zweiten Fall wird die Vereinbarung oder Option für das folgende Jahr nicht wirksam.
Das bedeutet aber: Der Fahrer darf bis zum diesem Stichtag im Juli oder August bei keinem anderen Werk oder Team unterschreiben, denn das bisherige Team geniesst ein Vorkaufsrecht. Informelle Gespräche oder Verhandlungen mit anderen Teams sind natürlich jederzeit erlaubt.
Das heisst aber auch: Der Fahrer als Vertragspartner kann bis zum Stichtag der Option nur abwarten. Im Grunde und in der Praxis handelt es sich bei der Option um nichts anderes als um eine Ausstiegsklausel. Das ist eine Klausel, die (meistens dem Team) das Aussteigen aus einem Vertrag ermöglicht, wie der Name sagt.
Das Team muss also auf jeden Fall tätig werden und dem Fahrer schriftlich mitteilen, ob die Option oder das Vorkaufsrecht eingelöst wird oder nicht.
Manchmal wird dem Fahrer noch die Möglichkeit eingeräumt, sich anderweitig anzubieten, das bisherige Team darf ihn aber behalten, wenn es das beste finanzielle Gagenangebot der Konkurrenz «matcht», also gleichzieht. «Right of first refusal», nennen das die Engländer.
Da die Vertragspartner immer Geheimhaltungsklauseln vereinbaren, sickern nur sporadisch Vertragsdetails durch.
So verriet LCR-Honda-Teambesitzer Lucio Cecchinello in Le Mans gegenüber SPEEDWEEK.com, er habe eine Option auf Cal Crutchlow für 2017, die er aber nicht ziehen muss, wenn sich Cal nach dem Deutschland-GP in der WM nicht unter den Top-9 befindet.
Drei Rennen vor dem Sachsenring-GP ist Cal. WM-Neunzehnter. Cecchinello könnte sich also auf dem Fahrermarkt umsehen...
Als ich mich kürzlich über die Fahrersituation bei Pramac-Ducati erkundigte, teilte mir das Fahrermanagement mit, es bestünden mit Petrucci und Redding Zwei-Jahres-Verträge.
Als ich bei Pramac-Teammanager Francesco Guidotti nachhakte, erfuhr ich: Für 2017 bestehen nur Optionen, die im Sommer eingelöst werden müssen, was auch so geplant ist. Diese Absicht kann sich aber noch ändern...
Bei Suzuki gab das Management preis, Maverick Viñales müsse für 2017 im Werksteam bleiben, wenn er einen Podestplatz erringt oder in der Sommerpause in der WM unter den Top-6 liegt. Doch am Schluss gab Suzuki den abwanderungswilligen 21-jährigen Spanier trotzdem an Yamaha frei.
Bei Alex Rins will Suzuki jetzt vorsorgen: Der Moto2-WM-Favorit sollte einen Zwei-Jahres-Vertrag mit Option für zwei weitere Jahre unterschreiben.
Das lehnt Rins bisher strikt ab. Es deutet bei Suzuki aber ohnedies vieles auf einen neuen Vertrag mit Aleix Espargaró hin.
Nur in Ausnahmefällen liegt die Option beim Fahrer. Das geschah zum Beispiel beim Ducati-Zwei-Jahres-Vertrag von Cal Crutchlow für 2014 und 2015.
Weil kein anderer Topfahrer nach Rossis Ausstieg zu Ducati wollte, wurde Cal für rund 2,5 Mio Euro pro Saison engagiert. Und er nützte die Ducati-Notlage aus, indem er sich eine Ausstiegsklausel per 31. Juli 2014 zusichern liess.
Diese nützte er, als sich Stefan Bradl für 2015 für Forward-Yamaha entschied. Ducati war erleichtert, warf ihm noch eine saftige Abfindung hinterher – und engagierte Andrea Iannone fürs Werksteam.
Es werden auch andere Klauseln oder Optionen in den Verträgen verankert. Jonas Folger liess sich bei Intact zusichern, dass er aus dem zweijährigen Moto2-Deal aussteigen kann, wenn er für 2017 ein MotoGP-Angebot erhält.
Bei Tech3-Yamaha unterschrieb Folger einen Vertrag für ein Jahr, das Team hat eine Option auf ihn für 2017.