Adrian Bosshard: Ex-Rennfahrer als Certina-Präsident
Der Schweizer Adrian Bosshard gewann die Schweizer Motocross-Meisterschaft und war dann GP-Fahrer in den Klassen 250 und 500 ccm. Nach Beendigung seiner Motorradsportlaufbahn begann er 1996 bei der Certina SA in Biel; er wurde dort 2003 Präsident für den weltweiten Markt.
Ende 2006 übernahm Adrian Bosshard zudem das Projekt Union Glashütte/S.A. Zwei Jahre später wurde er innerhalb der Swatch Group zum Präsidenten der Union Glashütte S.A. ernannt; seither leitet er zwei namhafte Uhrenfirmen.
Die Partnerschaft zwischen Adrian Bosshard und Certina ist auf die adrenalinhaltige Vergangenheit des Schweizer Rennfahrers zurückzuführen, der 1995 und 1996 in der 500-ccm-Klasse als Mitglied des elf-500-Teams von Certina gesponsert wurde. Schon 1994 war Longines ein Sponsor des GP-Piloten, für den die Präzision auch im zweiten Berufsleben zum Alltag gehört.
Adrian Bosshard, am 19. März 1962 in Zürich geboren, ist in Nidau und Port bei Biel aufgewachsen. Er absolvierte eine Lehre als Automechaniker und eine Weiterbildung am Institut für Kaderbildung in Bern (Marketing und Betriebswirtschaft).
Bosshard sicherte sich 1988 und 1989 die Schweizer Motocross-Meistertitel in der Klasse 500 ccm, dann sattelte er auf den Asphalt um und gewann 1990 die Schweizer Strassenmeisterschaft in der Kategorie 250 ccm Elite.
Er bestritt anschliessend die 250er-WM in den Jahren 1992 bis 1994 und kassierte bei 39 Starts 55 WM-Punkte. Bestes Ergebnis: Rang 10 in Barcelona 1994.
Danach stieg Bosshard in die 500-ccm-Weltmeisterschaft auf, an der er 1995 und 1996 teilnahm. Das Resümee: Bei 23 Starts 21 Punkte. Bestes Ergebnis: Rang 10 in Donington 1995.
«Der Motorradsport ist der schönste Sport überhaupt», versichert Bosshard, seit März 2003 Präsident der Uhrenfirma Certina International in Le Locle/CH. Die Marke Certina (100 Mitarbeiter) ist eine von 18 Marken der Swatch Group.
Schon zu Zeiten seiner Motorsportlaufbahn traf Adi Bosshard auf Marc Hayek, den Enkel des Swatch-Gründers Nicolas G. Hayek.
«Ich habe Marc Hayek auf der Rennstrecke in Brünn anlässlich eines Trainings kennengelernt», schilderte Bosshard zu Beginn seiner Certina-Laufbahn. «Er war ein begnadeter Mountainbike-Fahrer, und wir konnten uns gegenseitig bei den Trainings herausfordern. Wir haben auf und neben der Rennstrecke einige Jahre zusammen trainiert.»
Adi, wie bist du damals zum Motocross gekommen?
Schon als kleiner Junge war ich begeisterter Motorsportfan. Alles was mit Benzin angetrieben war, hat mich total fasziniert. Bevor ich Radfahren konnte, träumte ich bereits von einem Rennmotorrad. Als ich dann als 16-Jähriger erstmals auf einer Motocross-Maschine gefahren bin, gab es nur noch eins… Ich wollte möglichst bald Motocross-Rennen bestreiten.
Zu dieser Zeit war es aber erst möglich Rennen zu bestreiten, sobald man einen Führerschein hatte. Somit gab’s in den ersten zwei Jahren nur Trainingsläufe; erst 1980 mit 18 Jahren konnte ich in der Kategorie Motocross Junioren erste Rennen bestreiten. Bereits zwei Jahre später war ich der jüngste Fahrer in der Kategorie International und bestritt auch Weltmeisterschaftsläufe. Die größten Erfolge feierte ich 1988 und 1989, in denen ich jeweils Schweizer Meister in der Kategorie International 500 ccm wurde. Das beste Resultat in einem Cross-WM-Lauf war 1986 im GP von Österreich in Schwanenstadt, wo ich den 10. Platz erreichte.
Wann ist die Idee zum Umstieg auf die Strasse gereift? Warum? Motocross-Weltmeister Jean-Michel Bayle war später dran, oder? Wer hat dir geholfen? Bist du gleich Strassen-GP gefahren oder zuerst SM und EM?
Hans Mühlebach, der grösste Honda-Händler der Schweiz und einer meiner langjährigen Freunde, lieh mir im Januar 1990 eine Honda RC30 für eine Hobby-Testfahrt in Jerez. Obwohl ich für 1990 bereits alle Verträge mit Honda und meinen Sponsoren für die Motocross-SM und -WM unterschrieben hatte, gab es danach für mich kein Zurück mehr. Ich wollte um jeden Preis Strassenrennfahrer werden.
Als Motocross-Fahrer hatte ich ein gutes und sicheres Einkommen. Als künftiger Strassenrennfahrer und Asphalt-Neuling musste ich plötzlich einen grossen Teil der Saison aus der eigenen Tasche finanzieren. Denn meine Sponsoren waren verständlicherweise lediglich bereit, Prämienverträge für meine neue Karriere abzuschliessen.
Mein Freund Hans Mühlebach, der das ganze «Dilemma» zu verantworten hatte, unterstützte mich tatkräftig mit Know-how und Material. Als ich dann 1990 auf Anhieb Schweizer Meister der Kategorie Elite 250 ccm wurde, war das Abenteuer schliesslich doch noch knapp finanzierbar.
Die Sponsoren Honda Suisse, Mühlebach Honda, elf Schweiz, 3W Motosport, mein Fanclub und viele andere haben dann meine weitere Karriere unterstützt. Mein grosses Ziel war, möglichst bald in der Strassen-Weltmeisterschaft zu fahren, also GP-Fahrer zu werden. Nach einer erfolgreichen Saison in der EM 250 ccm und zwei Punkte-Platzierungen bei der Superbike-WM in Monza 1991, habe ich mir das WM-Ticket geholt.
Die GP-Jahre 1993 und 1995 waren meine besten. In diesen Jahren hatte ich zwar unterlegenes Material und sehr beschränkte finanzielle Mittel, aber einen super Teamspirit und die richtigen Leute um mich rum. Persönlich und fahrerisch bin ich in diesen Jahren zu Topleistungen aufgelaufen.
In den Jahren 1994 und 1996 haben zu viele Köche den Brei verdorben. Das Jahr 1996 mit der swissauto 500 bedeutete mein Karrierenende.
Ein wunderbares Kapitel hat sich damit in meinem Leben geschlossen.
Erinnerst du doch noch an die Tränen, die ich beim letzten Rennen in Barcelona vergossen habe?
Ich darf aber sagen, dass dieser Lebensabschnitt die beste Lebensschule war und meine Rennsportkarriere für mich nützlicher war als jegliches Universitätsstudium oder MBI.
Wann hast du deine Tätigkeit bei Certina begonnen? Welche Ausbildung hattest du ursprünglich?
Als 16-Jähriger habe ich eine Lehre als Automechaniker gestartet und vier Jahre später abgeschlossen. Danach habe ich eine Handelsschule absolviert.
Meine wichtigste Ausbildung fürs Leben und für den späteren Beruf war dann aber meine Rennsportkarriere. Als Rennfahrer, als mein persönlicher Manager, Finanzminister und Koordinator habe ich alles gelernt, was fürs Management nötig ist. Besonders harte Arbeit, Durchsetzungsvermögen und die Erkenntnis, dass man nur mit einem guten Team Erfolge erreichen kann. In einem Rennsportteam oder in einer Firma ist dies genau das Gleiche. Nur mit den richtigen Leuten am richtigen Ort kannst du siegen und Berge versetzen.
Ende 1996 begann ich bei Certina als Verkäufer für den Schweizer Markt. Während dieser Zeit habe ich zwei Jahre berufsbegleitend eine höhere Wirtschaftsschule besucht und mit einem Diplom abgeschlossen.
1999 wurde ich zum Verkaufsleiter Schweiz befördert. Ein Jahr später wurde ich Direktor Certina für den Schweizer Markt. Anscheinend waren die Resultate ansprechend, somit hat mich Herr Hayek im März 2003 zum Präsidenten von Certina International befördert. In den letzten Jahren konnten die Umsätze von Certina weltweit mehr als verdoppelt werden. Das ist eine schöne Teamleistung, denke ich!
Certina-Uhren wurden 2003 hauptsächlich in Europa verkauft. Heute findet man Certina-Uhren auch in Russland, im Mittleren Osten sowie in China, Hongkong, Malaysia und Indonesien. Certina ist ganz klar als Premium-Sportmarke im Preissegment von 300 bis 2000 Euro positioniert.
Die Verantwortung für die deutsche Traditionsmarke Union Glashütte habe ich 2008 übernommen.
Wie ist es, wenn man rund 15 Jahre Motorradsport gemacht hat und plötzlich seinen Lebensunterhalt durch richtige Arbeit verdienen muss? Motorradrennfahrer zu sein, ist ja eigentlich ein friedliches Leben. Aber du hast viel selber organisieren müssen? Was hast du alles gemacht?
Ausser der technischen Betreuung der Motorräder habe ich alles selber gemacht. Das heisst: Sponsoren suchen, Finanzierung, Logistik, Administration, Personalführung und mitunter das Wichtigste, das Fahren! Damit habe ich, so denke ich, das wirkliche Arbeiten in frühen Jahren gelernt.
Wie entstand die Idee mit Certina? Welche Weiterbildung hast du gemacht? Wie ging der Aufstieg vor sich?
Der damalige Certina-Direktor machte mir ein Angebot, als ich mich Ende 1996 zum Rücktritt entschied. Als ich bei Certina gestartet bin, musste ich wie jeder andere Mitarbeiter Leistung erbringen, um zu beweisen, dass ich auch für andere Aufgaben fähig bin. Berufsbegleitend machte ich diverse Marketingausbildungen und schloss ein höheres Wirtschaftsdiplom ab. Seit 2003 bin ich Präsident von Certina.
Deine Motorsportvergangenheit liess dich aber nicht ganz los. Certina war bald bei Tom Lüthi als Sponsor zu sehen.
Wir haben Tom Lüthi von seinen Anfängen an begleitet, das heisst von 2001 bis 2007. Im Jahr 2005 konnten wir mit ihm zusammen den Weltmeistertitel in der 125-ccm-Klasse feiern.
In früheren Jahren waren wir auch Partner von Mick Doohan, Rolf Biland, Ralf Waldmann, Alex Crivillé und Sete Gibernau.
Als Tissot offizieller MotoGP-Zeitnehmer wurde, wurde in der Swatch-Group vereinbart, dass sich Certina bei der MotoGP-Sponsorship zurückhalten sollte. Certina trat deshalb in der Formel 1 bei Sauber und BMW als Sponsor auf?
Certina war von 2005 bis 2015 Premium Partner des Sauber F1 Teams. Das Highlight war natürlich der Doppelsieg 2008 in Montreal mit Robert Kubica und Nick Heidfeld.
Welche Certina-Modelle werden speziell promotet durch den Motorsport?
Die DS Podium Chronograph mit Precidrive™ Quarzwerk sowie die DS Eagle Chronograph..
Certina hat sich nach dem Sauber-Deal der Rallye-WM zugewandt?
Certina fokussiert sich seit 2015 auf das Timekeeping, und zwar mit den Rennserien World Rally Championship und der ADAC GT Masters.
Du bist Präsident von Certina und Glashütte. Mit wie vielen Arbeitsstunden ist das verbunden?
Da Arbeit mein Hobby ist, zähle ich keine Stunden. Ich versuche immer, genug Zeit für meine Famlie zu finden. Meine Kinder Anya, Lynn und Nils sind inzwischen 22, 20 und 14 Jahre alt. Was die Zeit für die Familie betrifft: Qualität zählt vor Quantität.
Was fällt in deinen Aufgabenbereich?
Die strategische Ausrichtung im Bereich Produkt, Marketing, Sponsoring und Distribution. Der Verkauf steht mir sehr nahe, da ich in diesem Bereich gross geworden bin. Ein Grossteil ist natürlich auch verbunden mit Reisen in die 18 Tochtergesellschaften für Verkaufs- und Marketing-Anlässe sowie Presse-Events.