Vizeweltmeister Tom Sykes: Das nimmt er mit ins Grab
Kawasaki-Teammanager Guim Roda sagte vor dem Saison-Entscheider in der katarischen Wüste, dass es «offiziell keine Teamorder geben» würde. Das Wort «offiziell» in dem Satz sagt alles.
Sofern Ducati-Ass Chaz Davies gewinnt – der Waliser holte unter Flutlicht seinen sechsten Sieg in Folge – musste Sykes Zweiter werden, um in der WM-Wertung vor dem 29-Jährigen zu bleiben.
Davies führte das Sprintrennen über zehn Runden, der erste Versuch war wegen Öl auf der Strecke abgebrochen worden, vom Start weg an. Rea stürmte vom neunten Startplatz aus nach vorne, drei Runden vor Schluss sah es so aus, als würde er auch Davies schnupfen.
Rea Erster, Davies Zweiter und Sykes Dritter, hätte Sykes zum Vizeweltmeister gemacht.
Doch Rea kam am überragenden Ducati-Piloten nicht vorbei. In der letzten Runde geschah, womit alle gerechnet haben: Rea verplemperte drei Sekunden, fuhr auf dem Hinterrad, unterhielt die wenigen Fans vor Ort – und winkte Sykes vorbei.
Gleich nach der Ziellinie umarmten sich die beiden Kawasaki-Stars und jedem war klar: Das war keine Show für den Arbeitgeber, das waren echte Männergefühle.
Tom Sykes: «Nie hat mir einer so geholfen»
«Mir fehlte es das ganze Wochenende an Pace», gab Sykes unumwunden zu. «Vor dem Rennabbruch war ich als Zweiter gut dabei, nach dem Neustart war ich in echten Schwierigkeiten. Chaz hatte unglaublichen Speed, er spielte mit uns. Jonathan erledigte einen fantastischen Job und versuchte Chaz zu kriegen. Um ihn zu überholen, hätte er aber etwas sehr Spezielles zeigen müssen.»
Sykes weiß, dass er von Reas Gnaden Vizeweltmeister wurde. «In der Vergangenheit ist viel Mist passiert, es gab Teamorder, wir haben deswegen Meisterschaften verloren. Was mein Teamkollege heute getan hat – was soll ich sagen – ich als Gentleman weiß das wirklich zu schätzen, das ist etwas, was ich ins Grab mitnehmen werde. Diese Geste macht ein bisschen gut, was mir früher widerfahren ist. Sicher klingt Vizeweltmeister besser als Dritter. Kawasaki gewann das zweite Jahr in Folge die Hersteller-WM, die Fahrer-WM beendeten wir auf den Rängen 1 und 2. Ich möchte mich bei der anderen Seite meiner Box noch einmal herzlich bedanken. Dieser zweite Platz für mich ist geschenkt, aber ich nehme ihn trotzdem und weiß das zu schätzen. Als ich in der letzten Runde gesehen habe, was Jonathan für mich tut, war ich sprachlos, das war sehr emotional. Ich dachte mir ‹vielen Dank›. Wir hielten in der ersten Kurve an und ich sagte ihm, dass das das erste Mal ist, dass mir jemand auf diese Art geholfen hat. Ich wusste nicht, dass es so kommen würde. Als Jonathan an mir vorbei war, hatte ich mich schon damit abgefunden, dass WM-Rang 2 dahin ist. Ich hatte Rang 3 schon so gut wie akzeptiert. Dann konnte ich meinen Augen kaum glauben. Manchmal braucht man etwas Hilfe vom Teamkollegen. Nach sieben Jahren habe ich diese Hilfe bekommen – lieber spät als nie.»