Bradl und Krummi: «Mehr Risiko, mehr Unterhaltung»
Das neue Regelwerk ist so kompliziert, dass es sich nur in mehreren Sätzen beschreiben lässt. Deshalb noch einmal alle Kriterien für die Startaufstellung für Lauf 2 am Sonntagnachmittag:
Die ersten drei Fahrer vom Samstagrennen rücken nach hinten in die dritte Reihe, die Positionen 1 und 3 werden umgedreht. Der Sieger von Lauf 1 startet also im zweiten Rennen als Neunter.
Fahrer, die das erste Rennen auf den Plätzen 4, 5 und 6 beendet haben, werden für den zweiten Lauf mit der ersten Startreihe belohnt.
Ebenfalls um eine Reihe nach vorne rücken die Piloten auf den Plätzen 7, 8 und 9 – sie starten im zweiten Rennen aus der zweiten Reihe.
Ab Startplatz 10 wird das Superpole-Ranking, um die Top-9 von Rennen 1 bereinigt, für die Startaufstellung herangezogen. Der eigentliche Polesetter muss bei einem Sturz in Lauf 1 im zweiten Rennen also schlimmsten Falls von Platz 10 losbrausen.
Der Grundgedanke hinter dieser Idee von WM-Vermarkter Dorna, Motorrad-Weltverband FIM und Hersteller-Bündnis MSMA ist, die Dominanz einzelner Fahrer und Hersteller zu mindern und so die Meisterschaft interessanter zu gestalten.
Grundsätzlich spielt dies in die Hände all jener Top-9-Piloten, die nicht in Serie auf dem Siegerpodest stehen. 2016 eroberten Jonathan Rea, Tom Sykes und Chaz Davies zusammen 60 von 78 möglichen Podestplätzen!
Bradl: «Sportlich ist das Mist»
«Es geht um mehr Unterhaltung für die Zuschauer», weiß Stefan Bradl, der 2017 für Honda seine erste Superbike-WM-Saison bestreiten wird. «Wir sind diejenigen, die den Leuten vor dem Fernseher oder an der Strecke gute Unterhaltung bieten müssen. Aus dieser Sichtweise kann ich es verstehen – aber sportlich? Wenn du einen Lauf gewinnst, dann denkst du dir Mist, morgen muss ich als Neunter wegfahren. Das ist doof, keine Frage. Der größte Mist ist, dass das Reglement kein Mensch kapiert. Die Leute werden vor dem Fernseher sitzen und wissen, dass am Samstag der Hayden, Reiterberger, Davies oder Bradl gewonnen hat und sich dann fragen, weshalb der auf einmal als Neunter startet. Du wirst bestraft, weil du gewonnen hast. Viel Logik ist da rein sportlich nicht dahinter. Bis das einer versteht, darauf kannst du drei Jahre warten.»
Bradl glaubt auch nicht, dass sich durch diese neue Regelung am WM-Ergebnis viel ändern wird. Fahren Rea, Sykes und Davies am Ende weiterhin vorne, fragte SPEEDWEEK.com. «Sie haben halt mehr Arbeit und mehr Risiko», hielt der 27-Jährige fest. «Durchgemischt wird das Feld dadurch schon. Es wird mehr Action geboten, es gibt wahrscheinlich mehr Rempeleien, es werden mehr stürzen.»
Ob das neue Reglement für ihn einen Vorteil bietet, kann Bradl noch nicht beurteilen: «Ich weiß ja nicht, wo ich nächstes Jahr rumfahren werde. Ich muss mir das Reglement erst mal in der Praxis anschauen, damit ich es verstehe. Ich lass das alles auf mich zukommen, was soll ich mich aufregen, es ändert eh nichts.»
Krummi: «Podestplätze können sich ändern»
Randy Krummenacher, dieses Jahr Dritter der Supersport-WM und 2017 Superbike-Rookie im Team Puccetti Kawasaki, weist auf die Risiken hin. Obwohl er zu jenen gehören könnte, die von den neuen Regeln profitieren, wenn er auf Platz 9 oder besser fährt.
«Ich könnte das positiv sehen, frage mich aber trotzdem, wieso man so etwas macht», meinte der Schweizer. «Um die Show zu verbessern? Ich halte nicht so viel davon. Sportlich fair ist es nicht. Als Sieger in Lauf 1 musst du im zweiten Rennen von Platz 9 starten. Wenn du das tust, strapazierst du die ersten drei Runden viel mehr die Reifen, weil du so viel überholst. Genau das kann am Schluss fehlen, um wieder zu gewinnen.»
Krummi sieht es wie Bradl, am Rennausgang wird sich nicht viel ändern, wenn die besten Fahrer mit den schnellsten Motorrädern aus Reihe 3 kommen: «Am Schluss sind sie vorne, in der Gesamtwertung werden der Viert-, Fünft- und Sechstplatzierte aber näher an den Top-3 dran sein. Je nach Rennen kann sich auf dem Podium schon was ändern. Wenn du von Platz 9 startest, musst du höheres Risiko eingehen um wieder nach vorne zu kommen, als von Pole. Dann riskierst du in den ersten drei Runden vielleicht auch einen Sturz. Sportlich gesehen finde ich es schlecht, für den Zuschauer könnte es so interessanter sein.»