Claudio Domenicali: «V4-Ducati mit viel MotoGP-DNA»
Claudio Domenicali feiert immer noch gerne V2-Siege
2018 wird das Ducati-Werksteam zum letzten Mal mit einem traditionellen V2-Motorrad in der Superbike-WM antreten, ab 2019 werden die Italiener ein aus der MotoGP abgeleitetes V4-Motorrad in der seriennahen Weltmeisterschaft einsetzen.
SPEEDWEEK.com traf sich im Rahmen des Meetings in Laguna Seca mit Ducati-Boss Claudio Domenicali, um sich über den aktuellen Stand der Dinge zu informieren.
Hallo Claudio! Ihr plant eine 1000-ccm V4-Maschine als Basis für die Superbike-WM und eine 1200-ccm-V4 als Straßenbike – ist das so korrekt?
Nein, wir werden ein 1000-ccm V4-Motorrad für den Einsatz auf der Rennstrecke entwickeln. Für das Straßensegment werden wir noch entscheiden. Für die Rennstrecke bringen wir definitiv eine homologierte Maschine mit V4-Motor, das ist jetzt schon klar. Rennen werden wir damit aber noch nicht im kommenden Jahr bestreiten, das kommt zu früh.
Wie üblich nehmen wir uns ein Jahr Zeit zwischen Präsentation und Renneinsatz eines Modells. So haben wir ausreichend Zeit, das Bike optimal für Renneinsätze zu entwickeln. Somit werden wir die V4-Ducati zum ersten Mal 2019 in der Superbike-WM und auch der Superstock-Klasse sehen.
Falls es 2019 überhaupt noch eine Superstock-Klasse geben wird! Mit den drei WM-Klassen wird es möglicherweise bald keine Superstock-Klasse mehr geben. Was hältst du aus Sicht von Ducati davon?
Ich denke Superstock ist eine tolle Sache. Diese Klasse bietet die Möglichkeit, ohne große Änderungen Motorrad-Rennsport zu betreiben. Aktuell gibt es Diskussionen rund um die Superbike-Klasse, ob diese zukünftig mit Serienmaschinen gefahren werden soll. Änderungen am Chassis sollen aber weiterhin möglich sein, auch Federelemente, Bremsen und so weiter. Also ist die Superstock-Klasse auch weiterhin interessant, vor allem in den nationalen Rennserien. Unser Bike wird für beides bereit sein, also warten wir es ab.
Wird das zulassungsfähige Vierzylinder-Straßenmotorrad stark an die MotoGP-Technologie angelehnt sein, oder zum Beispiel aufgrund von Garantiezusagen davon abweichen? Kurz gesagt: Wie viel MotoGP wird in dem Bike stecken?
Der Motor wird ein zuverlässiger und langlebiger Motor sein. Mit dem typischen 30.000 km Service-Intervall für das Desmo-System. Lass es mich so sagen, nichts exotisches. Das grundlegende Prinzip kommt allerdings direkt aus der MotoGP.
Wie die kniffligen Dinge rund um Kurbelwelle und Desmodromic übernommen werden können, wird sich nach der Sommerpause zeigen. Das ist definitiv MotoGP-Technologie. Wir lassen all unsere Erfahrung aus den letzten 15 Jahren MotoGP einfließen, wobei wir uns auf die abgelaufenen drei Jahre fokussieren. Wir wollen das Motorrad zu einem vernünftigen Preis anbieten und eine angemessene Lebensdauer schaffen. Nichtsdestotrotz wollen wir so viel DNA wie möglich beibehalten.
Prinzipiell ähnelt er dem 2015 eingeführten Motor. Es wird also eine 81 Millimeter Zylinderbohrung im Motor vorzufinden sein, was typisch für das MotoGP-Reglement ist. Aus diesem Reglement kann man weitere Details zum Motor ableiten.
Was ist der ausschlaggebende Grund, eine V4-Maschine hervorzubringen? Liegt es daran, dass ihr mit euren Zweizylinder-Maschinen bis 1200 ccm im Vergleich zu den japanischen Vierzylindern ansteht und 1300 ccm in der Superbike-WM nicht zugelassen sind?
Der Motor der 1199R im Werksmotorrad ist wettbewerbsfähig – das ist an der Beschleunigung und im Top-Speed deutlich erkennbar. Die Leute bei Ducati Corse haben hervorragende Arbeit geleistet.
Wir denken aber auch an die Zukunft und glauben etwas mehr vorbringen zu können, und das werden wir nächstes Jahr tun. Wir werden auch kommendes Jahr mit unseren aktuellen Motorrädern Rennen bestreiten. Auf längere Sicht gesehen wäre es aber Schade, unsere Erfahrung in der MotoGP nur für Prototypen anzuwenden.
Die grundlegende Haltung von Ducati ist, Technologie zu entwickeln und diese dann den Kunden anzubieten. Die V4 ist eine unglaubliche Maschine, leicht und kompakt. Es ist überraschend, welch unterschiedliche Verhalten sich durch Änderungen an der Zündreihenfolge erzielen lassen. Dieser Motor unterscheidet sich also gänzlich von allen anderen heutzutage erhältlichen Motoren.
Wird es ein 90-Grad-V4-Motor wie bei der GP17 sein?
Mit dieser Frage gehst du zu weit – aber guter Versuch!
Aber wird die Zündreihenfolge ein Big-Bang sein?
Das werden wir nach dem Sommer sehen, wenn das Motorrad auf der EICMA präsentiert wird.
Angenommen die kürzlich vorgeschlagenen Änderungen, mehr Seriennähe einzuführen, würden in der Superbike-WM angewandt. Die Superbike-WM ist die einzige Rennserie in der man aktuell die Elektronik entwickeln kann. In der MotoGP und Britischen Superbike ist das nicht mehr möglich. Jetzt will auch die Dorna diese Möglichkeit streichen. In welcher Hinsicht beeinflusst das euer Denken und Handeln in Bezug auf die Superbike-WM?
Nein, ich denke die Kostenkontrolle ist ein wirklich wichtiger Punkt. Wir sind nicht gegen mehr Seriennähe an den Bikes, immerhin ermöglicht das einigen anderen Herstellern wettbewerbsfähiger zu werden. Das ist doch gut für die Meisterschaft oder nicht?
Wie viel Seriennähe ist möglich, damit weiterhin fünf, sechs, sieben verschiedene Hersteller siegfähig sind? Wenn ihr ein 40.000 Euro-Serienmotorrad habt und andere eines im Wert von 15.000 Euro, werdet ihr immer gewinnen. Sollten daher unterschiedliche Regeln angewandt werden?
Ich denke da etwas anders. Heutzutage hat nahezu jeder Hersteller eine spezielle Version eines Rennmotorrads in seinem Produktportfolio. Honda, Suzuki, Kawasaki – also hat prinzipiell jeder die Idee verfolgt, eine geringe Stückzahl an hochpreisigen Spezialbikes anzubieten.
Honda bietet das Fireblade-Basismodell, die SP und die SP2 an, also drei verschiedene Ausführungen ihres 1000-ccm-Superbikes mit unterschiedlichen Komponenten zu unterschiedlichen Preisen. Daher denke ich, das jeder Hersteller in der Lage ist, eine kleine Serie an Bikes mit unterschiedlichen Ausführungen speziell für den Rennsport anzubieten. Die Regeln können somit für alle gleich bleiben.