Andy Meklau: «Auch Haydens Stimmung war deprimiert»
Über Rang 6 (Stefan Bradl in Assen) kam in diesem Jahr kein Honda-Fahrer hinaus, in Jerez verloren die Ersatzfahrer Davide Giugliano und Takumi Takahashi in den Rennen 2 bis 3 sec – pro Runde.
Die neue Fireblade erweist sich als nicht schlagkräftig, die Entwicklungen von Motoren- und Elektronik-Partner Cosworth brachten nicht die erhofften Verbesserungen.
Als im Mai Nicky Hayden mit dem Rennrad tödlich verunglückte, lag die Teammoral endgültig am Boden.
Dann verletzte sich auch noch Stefan Bradl an der Hand, die Saison des Zahlingers ist seit Mitte September beendet.
Für 2018 verpflichtete Red Bull Honda den Engländer Leon Camier, die Verhandlungen mit Bradl über den zweiten Platz laufen. Doch der Moto2-Weltmeister von 2011 spricht auch mit HRC über den Job als MotoGP-Testfahrer.
Bradl hat aus den Schwächen der neuen Fireblade nie ein Geheimnis gemacht, der weltgrößte Motorradhersteller Honda ist über die öffentliche Kritik nicht erfreut.
SPEEDWEEK.com setzte sich mit Andy Meklau zusammen, dem neben Max Neukirchner einzigen deutschsprachigen Superbike-WM-Laufsieger, um über Honda zu sprechen. Der 50-jährige Österreicher arbeitet heute als Rennleiter auf dem Red Bull Ring in Spielberg und als Experte für Fernsehsender ServusTV.
Andy, Stefan Bradl hat immer gesagt, dass die Leistungsentfaltung des Motors zu aggressiv ist. Und dass das, was er am Gasgriff macht, nicht am Hinterrad ankommt.
Für einen Rennfahrer ist ganz wichtig, dass er das Motorrad spüren kann. Was dein Kopf dir sagt und was die Gashand macht, muss am Hinterrad ankommen und auf der Rennstrecke passieren. Wenn das nicht 1:1 so ist, dann hast du ein Problem.
Dafür ist auch der Motor entscheidend. Er muss eine Basis mit der richtigen Kraftentfaltung haben.
Bei KTM kann man in der MotoGP-WM wunderschön beobachten, wie sie experimentieren. Erst musst du den Motor auf eine Leistung bringen, die auch fahrbar ist. Dann kommt die Elektronik dazu. Das Zusammenspiel daraus bringt die Zeit.
Es gibt in der MotoGP- wie in der Superbike-WM unterschiedliche Konzepte. Wichtig ist nur, dass es harmoniert. Wenn das nicht so ist, macht es keinen Spaß, du verlierst das Vertrauen. Du versuchst als Rennfahrer immer 100 Prozent und denkst, es liegt an dir. In Wirklichkeit bist du machtlos. Wenn die Technik nicht mitspielt, kann der Rennfahrer noch so gut sein, egal ob er Bradl oder Valentino Rossi heißt, das Motorrad muss fahrbar sein. Man sieht das immer wieder. Auch ein Lorenzo muss sich herantasten. Das was Bradl passiert ist – da bist du einfach angeknackst. Du fällst vom Motorrad und weißt gar nicht wieso. Das ist nicht lustig. Der Abstand von Honda ist noch immer zu groß, das sind Welten. Bradl lag knapp über eine Sekunde zurück und nie 3 sec.
Schade, was mit Nicky Hayden passiert ist, das war ein Vollblut-Racer. Der Stefan ist das auch, er macht es aber auf eine andere Art und Weise. Aber wenn das nicht funktioniert, dann kommt auch keine Leistung.
Das Team hat immer gesagt, Bradl sei extrem empfindlich, was die Elektronik betrifft.
Das ist doch schön, etwas Besseres als einen empfindlichen Rennfahrer gibt es nicht. Wenn er etwas spürt und dem Team weitere Informationen geben kann, um den nächsten Schritt zu machen.
Es gibt auch Fahrer, die sind schmerzfrei und überfahren das Bike. Aber das geht auf Dauer nicht gut. Das geht vielleicht mal für ein Training oder ein Rennen und du bleibst sitzen und hast Schwein gehabt, aber über eine Saison... Da brauchst du nicht daran denken, Weltmeister zu werden. Dazu musst du über das ganze Jahr konstant sein, das Motorrad muss ausgereift sein.
Ich glaube, dass Honda das weiß. Alle wissen, in welche Richtung es gehen muss und wie man dorthin kommt. Sonst ist man weit weg, die Rückstände sind erschreckend.
Honda warf Bradl vor, er sei unmotiviert.
Das kann schon sein, aber warum? Ein Team muss schauen, dass der Fahrer motiviert ist. Wenn du ein paar Mal stürzt – Stefan sitzt auf dem Motorrad. Wenn das Vertrauen eines Tages weg und das Gefühl nicht da ist, du stürzt und das Motorrad immer wieder überfährst... Stefan fuhr MotoGP und wurde Weltmeister, er hat es nicht verlernt.
Für das Team und Stefan ist das eine ganz schwierige Zeit. Im Training in Portimao gab er 100 Prozent. Wenn ich mir als Experte vor dem Monitor anschaue, wie sich das Motorrad benimmt, da sieht man, dass noch viel gearbeitet werden muss.
Bradl nimmt kein Blatt vor den Mund, das kommt bei Honda nicht gut an.
Ich finde es erfreulich, wenn ein Rennfahrer die Wahrheit sagt.
Es hat sich viel geändert, das kriege ich durch meine Tätigkeit als Rennleiter ja auch mit. Mit der Presse ist es heute nicht mehr leicht, die Rennfahrer müssen da sehr aufpassen. Ich verstehe das, es geht um viel Geld für die Hersteller.
Ich glaube aber, dass es gut ist, wenn Rennfahrer sagen, was es zu sagen gibt. Sicher ist es nicht immer gut, wenn ein Rennfahrer an die Öffentlichkeit, an die Presse geht. Aber ich verstehe Stefan, gewisse Sachen sollte man sagen. Das Team muss gewisse Sachen eingestehen. Wenn man nicht an einem Strang zieht, dann wird es schwierig.
Ich glaube an Stefan. Und ich glaube auch, dass Honda das Potenzial hat. Sie haben ein neues Motorrad gebracht und sich Gedanken gemacht. Das Regelwerk erlaubt gewisse Freiheiten, jeder Hersteller kann diese nützen. Dann sieht man, welche Hersteller vorne sind. Da wird die nächsten Jahre einiges passieren, man versucht die Dichte zu erhöhen. Es gibt Elektronik-Komponenten, die funktionieren. Und selbst wenn die Einheits-Elektronik kommt: Je früher man beginnt damit zu arbeiten, umso leichter ist es.
Was Cosworth kann, ist schwer zu sagen. Ich kann nur sagen, was ich erlebt habe, was Stefan erlebt hat – und das war nicht erfreulich. Sonst kann man nicht so weit weg sein.
Nach dem Verlust von Nicky Hayden: Ist es der richtige Weg, den einzig verbliebenen Fahrer auszuwechseln?
Ich fände es schade und glaube nicht, dass das der richtige Weg ist.
Schau dir Suzuki in der MotoGP-WM an, das war auch nicht ideal, beide Fahrer auszuwechseln. Es liegt nicht immer an den Fahrern.
Es wäre sicher gut für Honda, einen erfahrenen MotoGP-Piloten wie Bradl zu haben. Wenn du siehst wo Honda momentan steht, das ist ein harter Weg. So viele Topfahrer, Weltmeister, Grand-Prix-Sieger gibt es nicht.
Dass die Option auf Stefan nicht gezogen wurde, da ist sicherlich von beiden Seiten einiges vorgefallen. Wenn man erfolgreich sein will, dann muss man zusammen auf einen Weg.
Wenn ich das Engagement sehe, das ist ein großer Aufwand, den Honda betreibt. Mit einem Partner wie Red Bull sind sicher Erwartungen da und es müssen Resultate kommen.
Die Umstellung auf Magneti-Marelli ist beschlossen, mit Leon Camier wurde ein Top-Fahrer engagiert. Fakt ist aber auch, dass es von HRC keine Unterstützung für die Superbike-WM gibt. Was muss Honda noch in die Wege leiten, um mit diesem Motorrad endlich vorwärts zu kommen?
Wenn es aus Japan keine Unterstützung gibt, dann müssen sie reden. Es ist für beide Seiten nicht gut, wenn man die Superbike-WM im Fernsehen sieht und die Resultate nicht da sind.
Es muss Unterstützung kommen. Du kannst nicht ein neues Motorrad bringen, gehst in die Superbike-WM und fährst hinten knapp an die letzten Punkteränge heran. Das ist nicht zielführend. Das Interesse muss sein, früher oder später erfolgreich zu sein.
Camier ist sicher eine Bereicherung für Honda und das Team. Aber es geht so schnell, ein Fahrer kann sich verletzten. Wenn du nur einen Toppiloten hast, dann stehst du wieder da. Man braucht zwei Toppiloten. Wenn das mit Stefan nicht klappen sollte – er ist ein Pilot, der in die Superbike-WM oder den Grand-Prix-Zirkus gehört. Schau dir an, was er in der Moto2-Klasse geleistet hat. Und schau, was er mit dem Superbike versucht hat. Auch Nicky Hayden hat kein Blatt vor den Mund genommen, seine Stimmung war auch deprimiert. Mit dem neuen Motorrad waren Erwartungen da, die nicht eingetreten sind.