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BMW: Die wichtigste Entscheidung seit 11 Jahren

Kolumne von Ivo Schützbach
Bei BMW Motorrad Motorsport steht die größte Entscheidung seit 2007 an. Will der bayerische Hersteller mit der neuen S1000RR in der Superbike-WM erfolgreich sein, müssen jetzt die Weichen richtig gestellt werden.

2007 wurde bei BMW Motorrad die Entscheidung getroffen, ab 2009 mit einem Werksteam in der Superbike-WM anzutreten. Nach anfänglichen Schwierigkeiten etablierte sich BMW unter den Besten, bis 2013 wurden 12 Siege, 41 Podestplätze, 12 schnellste Rennrunden und eine Pole-Position erobert. Marco Melandri sorgte 2012 als Dritter für die beste WM-Platzierung.

Der Auftritt war mit enormem Engagement und daraus resultierend hohen Kosten verbunden. Nach nur fünf Jahren wurde das Werksteam auf Anweisung des damaligen Chefs von BMW Motorrad, Stephan Schaller, zugesperrt. Einmal mehr bewies BMW, dass der Motorsport in den Unternehmensgenen nicht verankert ist. Die Denkweise war wie immer digital – ganz oder gar nicht. So war es in der Formel 1, in der DTM und auch bei der Rallye Dakar. In die MotoGP-WM hat man sich gar nicht erst getraut.

Seit 1. Mai 2018 hat Markus Schramm bei BMW Motorrad das Ruder in der Hand. BMW-Fans auf der ganzen Welt hoffen, dass er mehr Herz als sein branchenfremder Vorgänger Stephan Schaller für das Thema Motorrad im Allgemeinen und den Motorradsport im Speziellen beweist. Der 55-Jährige gilt als begeisterter und guter Motorradfahrer und arbeitet seit 1991 in der BMW Gruppe.

BMW-Rennchef Marc Bongers hat ein Konzept erarbeitet, mit dem BMW in der Superbike-WM einen deutlichen Schritt nach vorne machen würde. Im Juli werden in München die Weichen für die sportliche Zukunft im Spitzensport gestellt.

«Aus dem Motorsportherz gesprochen wäre es natürlich schön, wieder an der Spitze mitzumischen», sagte Bongers gegenüber SPEEDWEEK.com. «Mit dem Aufwand, den wir aktuell im Kundensport betreiben, ist das nicht machbar.»

Erteilt die BMW-Geschäftsleitung ihre Zustimmung, bekommen die Superbike-WM-Teams 2019 wieder Unterstützung bei der Chassis-Entwicklung. Im Idealfall stellt BMW seinen Teams fertige Rennmaschinen zur Verfügung, wie es Aprilia und Ducati machen, und unterstützt seine Teams außerdem personell und finanziell.

Drei Teams haben Interesse

Um gut aufgestellt zu sein, muss BMW mit einem Referenzteam arbeiten, mit welchem gemeinsam die S1000RR entwickelt wird. Das neue Modell wird im Herbst vorgestellt, das Roll-out der Rennversion ist demnächst.

Drei Teams zeigen für die Superbike-WM 2019 Interesse an einer Zusammenarbeit mit BMW: alpha Racing Van Zon von Eigentümer Werner Daemen, Althea von Genesio Bevilacqua und Milwaukee von Shaun Muir.

«Aus organisatorischer und technischer Sicht können sie WM machen, sie haben dazu qualifiziertes Personal», urteilte BMW-Rennchef Bongers über die Truppe von Werner Daemen. Der Belgier gewann mit Fahrer Markus Reiterberger dreimal die IDM Superbike, diese Saison führt er sie mit dem Ukrainer Ilya Mikhalchik nach 6 von 14 Rennen an. In der Superstock-1000-EM ist nach 6 von 8 Rennen Reiti auf Titelkurs.

Das Team von Daemen war in der IDM von Anfang an in die BMW-Entwicklung eingebunden. Der Chef selbst hat 2009 auf dem Salzburgring den ersten Sieg mit der S1000RR eingefahren – 2012 holte Erwan Nigon den ersten DM-Titel mit der RR.

«Das ist ein Team mit absolutem Siegerwillen, sie werden auch immer so viel wie nötig tun, um nach vorne zu kommen», weiß Bongers. «Althea ist hingegen kein Entwicklerteam. Sie können ein komplett entwickeltes Bike, wie sie in der Vergangenheit gezeigt haben, als Kundenteam gut einsetzen. Ein Motorrad mit der Unterstützung vom Hersteller voranzutreiben ist eine andere Geschichte, die sie nur sehr begrenzt im Kreuz haben.»

Althea-Teamchef Bevilacqua stimmt dem Niederländer zu: «Es braucht mehr Werksunterstützung, alleine als Team kannst du nichts erreichen.»

So sieht es auch Milwaukee-Teamchef Shaun Muir, der 2019 wie Bevilacqua rennfertige Werksmaschinen einsetzen will. Beiden Teams fehlt es an den technischen Möglichkeiten, ein Motorrad zu entwickeln. Die nötige Nähe zur BMW-Rennabteilung in München und Berlin ist auch nicht vorhanden.

Ganz anders beim Team von Werner Daemen. In der Truppe des 46-Jährigen schuften Leute aus dem ehemaligen BMW-Werksteam, der Ex-Rennfahrer war selbst Teil des Entwicklerteams der WM-Maschine. Sie haben die Geduld und das technische Verständnis, aus der neuen S1000RR eine schlagkräftige Maschine zu machen. Kein anderes Team hat sich BMW gegenüber loyaler erwiesen. Was der besonnene, realistische und zielstrebige Werner Daemen anfasst, funktioniert.

In seinem Team gibt es keine Schuldzuweisungen wie bei Althea, wo sich das italienische Team und BMW gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben, weil die eine Partei für das Chassis und die andere für den Motor und die Elektronik zuständig ist.

Geduld und Durchhaltevermögen sind gefragt

Einfach wird die Aufgabe 2019 nicht, das muss jedem Entscheidungsträger bei BMW bewusst sein. Man wird nicht aus dem Stand aufs Podium fahren. Ducati und Yamaha haben zweieinhalb Jahre gebraucht, um mit ihren aktuellen Motorrädern zu gewinnen. Beide fuhren vorher eine Saison in der Superstock-1000-EM und hatten da schon ein Entwicklungsjahr hinter sich. Wir reden also von viereinhalb Jahren vom Roll-out bis zum ersten Laufsieg. Weltmeister wurde bislang weder die 1199 Panigale R, noch die neue R1.

BMW muss Geduld mitbringen und nachhaltig agieren. Geschäftsführer Markus Schramm muss sich vergegenwärtigen, was ihm wichtig ist: Die maximale Performance der S1000RR in der Weltmeisterschaft, eine der besten Serienmaschinen im Markt, oder eine funkelnde und große Hospitality, in der Sekt ausgeschenkt und Kaviar serviert wird?

Was muss ein Team mehr leisten als das von Werner Daemen, um sich den Zuschlag von BMW als Nummer 1 zu verdienen? Wer wäre qualifizierter? Welches Team ist dazu in der Lage, das nach dem Werksausstieg 2013 arg ramponierte Image glaubhaft aufzupolieren – mit sympathischem Auftreten, Herzblut, Willen und Sachverstand?

Ist es für BMW eine erfolgversprechende Motorsport-Strategie, wenn man sich mit einem Team nur deshalb verbündet, weil es einen großen Hauptsponsor hat und der Konzern dadurch fünf Euro spart?

Das hat noch nie funktioniert.

Eines haben die Teams Althea und Milwaukee der Truppe von Werner Daemen voraus: Sie haben bewiesen, dass sie in der Weltmeisterschaft aufs Podium fahren können. Allerdings mit Ducati und Aprilia – nicht aber mit BMW.

BMW muss jetzt Rückgrat zeigen. Macht euer treues Team alpha Racing Van Zon zum Aushängeschild in der Superbike-WM und sorgt für den nötigen finanziellen Rückhalt.

Und gebt Markus Reiterberger eine zweite Chance in der Weltmeisterschaft. Der 24-Jährige fährt seit 2011 für die Marke mit dem Propeller im Logo und hat ihnen drei Titel und zahlreiche Siege beschert. Kein anderer Rennfahrer kennt die S1000RR so gut wie Reiti, er ist für die Entwicklung der Rennmaschine unersetzlich. Seine Rundenzeiten mit dem Stock-Bike mit profilierten Reifen waren dieses Jahr mehrfach schneller als jene von Loris Baz auf der Althea-BMW in der Superbike-WM – einem zweifachen Laufsieger!

Noch deutlicher kann man nicht zeigen, wer die BMW S1000RR am besten versteht.

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