Pause, GT3, Wunder: Wie geht es mit der DTM weiter?
Überlebenskünstler. Ein Wort, das im Zusammenhang mit der DTM immer wieder benutzt wurde. Doch nach dem angekündigten Ausstieg von Audi nach der Saison 2020 scheint sogar eine Serie, die auf Krisen fast immer eine passende Antwort parat hatte, mit ihrem Latein am Ende.
«Wir führen viele Gespräche hinter den Kulissen. Wie es nächstes Jahr weitergeht, müssen wir jetzt mit allen Beteiligten klären, es wird sicher noch einige Zeit dauern», kündigte DTM-Chef Gerhard Berger zuletzt an.
Doch welche Möglichkeiten gibt es?
Neuer Hersteller
Sehr unwahrscheinlich. Es war schon vor Corona und den beiden Ausstiegen von Aston Martin und Audi kein neuer Mitstreiter in Sicht. Wer sollte in diesen Krisenzeiten Millionen in die Hand nehmen, um sich in der DTM zu engagieren?
Aston Martin zum Beispiel hantierte mit einem Budget in Höhe von 20 Millionen Euro und war chancenlos. Bei Audi waren es 50 Millionen Euro, bei BMW dürfte die Hausnummer eine ähnliche sein. Das ist Geld, das in diesen Zeiten schlicht nicht zur Verfügung steht.
«Ich finde nicht genügend Argumente dafür, dass es weitergehen kann. Es gibt keinen Grund für einen Hersteller, die aktuelle Situation als Chance zu sehen», sagte der zweimalige DTM-Champion Timo Scheider bei SPEEDWEEK.com.
«In dieser Situation sehe ich keinen neuen Hersteller oder gar zwei neue. Das Geld ist schlicht und ergreifend nicht vorhanden», meint der frühere DTM-Champion Hans-Joachim Stuck.
Eher das Gegenteil droht generell im Motorsport: Weitere Hersteller könnten dem Beispiel von Audi folgen und sich aus diversen Rennserien zurückziehen.
Japaner aus der Super GT
Die einfachste Variante, weil in der Super GT mit einem nahezu identischen technischen Reglement gefahren wird. Doch bereits nach dem gemeinsamen Event im vergangenen November räumte Berger ein, dass die Japaner es ruhig angehen lassen, nichts überstürzen.
Viele Beobachter sagen: Es gab bislang keine Anzeichen für einen Einstieg. «Auch das sehe ich überhaupt nicht. Der Grundgedanke ist sicher gut, ich konnte mir das aber schon vor der Krise nicht vorstellen, dass Japaner permanent in der DTM mitmachen und umgekehrt», so Stuck.
Warum sollten sie jetzt inmitten der Coronakrise einsteigen? Wobei: Wenn jemand Honda, Nissan oder Toyota überzeugen kann, dann wohl Berger.
Kundenteams
Eher unrealistisch, aus zwei essentiellen Gründen: Zum einen sind es mal wieder die Finanzen. Der Einsatz eines Class-1-Autos für eine Saison kostet zwischen zwei und drei Millionen Euro.
Verbunden mit der Frage: Wer finanziert das?
Ja, das WRT-Projekt hat 2019 funktioniert, 2020 haben die Belgier sogar drei Autos eingeplant. Doch in den Boliden sitzen Fahrer, die Geld mitbringen, aber dafür auch Ziele haben.
«Der Fahrer, der Geld mitbringt, hat auch eine Vision, einen Plan wie zum Beispiel einen Werksvertrag. Doch wenn es diese Möglichkeit nicht mehr gibt, ist es dann noch interessant? Das ist die Frage. Und wer hat heute einen Sponsor, der das Geld bringt? Vor allem in dieser Coronakrise?», fragte zum Beispiel Rosberg-Teamchef Kimmo Liimatainen.
So sieht es auch Ex-Champion Timo Scheider: «In der jetzigen wirtschaftlichen Situation ist das schlicht nicht vorstellbar.»
Der zweite Punkt: Selbst wenn sich Privatteams finden sollten – warum sollte sich BMW ein Millionen-Projekt DTM leisten, bei dem man als Goliath gegen Davids nur verlieren kann?
GT3- oder GTE-Nachfolger
Diese Variante wurde schon öfter ins Spiel gebracht. Bei Berger hatte sie keine großen Jubelstürme ausgelöst, er sieht darin das, was es unter dem Strich ist: ein anderes Konzept.
Scheider glaubt, dass der GT-Sport einen Interessenzuwachs bekommen werde, «die Frage ist aber, was aus der Szene nach der Coronakrise überlebt. Man kann mit der tollsten Idee kommen, am Ende muss es alles finanzierbar und realisierbar sein.»
Auch bei den Teams ist die Euphorie eher übersichtlich. «GT3-Autos haben wir gemacht, und das war schon eine Materialschlacht. Man kommt immer wieder auf das Finanzielle zurück. Hinzu kommt: Ein GT Masters gibt es ja auch bereits», meinte Liimatainen. «Wir müssen abwarten, was die ITR plant und dann analysieren, ob es für uns Sinn macht. Ausgeschlossen ist für uns nichts.»
Pause
Sollte es keine adäquate Lösung geben, kann auch eine Schaffenspause eine Möglichkeit sein. «Kurzfristig hat der bisherige Ansatz der DTM ein Problem, und wir müssen vielleicht querdenken. Es wird sicher erst mal eine Nachdenkpause und vielleicht eine Unterbrechung geben - aber die DTM hat in ihrer Geschichte ja schon einmal ausgesetzt und ist zurückgekommen», sagte BMW-Entwicklungschef Klaus Fröhlich und verweist auf das Ende der DTM/ITC in den 90er Jahren. 2000 feierte die Tourenwagenserie dann ihr Comeback.
Trotz der aktuell schlechten Nachrichten für die DTM sagt Fröhlich: «Ich glaube, dass die Serie nach wie vor einen hohen Reiz und eine Zukunftsperspektive hat.»
Wie sieht seiner Meinung nach die Zukunft der DTM aus? «Das bisherige Reglement hat das große Potenzial, dass in Deutschland mit der DTM und in Japan mit der Super-GT durch das Class-One-Reglement mit einheitlichem Motor und vereinfachter Aerodynamik in ähnlichen Autos gefahren wird. Und wir sind in der Klärung, ob das nicht auch in den USA möglich wäre. Dann könnte man eine Art Champions League starten.»
Eine Pause, in der man zur Ruhe kommt und neue Wege findet – das sieht auch Scheider als vernünftige Alternative: «Es müssen zeitgemäße Konzepte diskutiert werden, neue Konzepte. Es braucht kein Auto mit Monster-Abtrieb, das mega breit ist. Es muss einfacher werden, bezahlbarer und reglementierter. Auch wenn sich das einfacher anhört, als es ist: Je sorgfältiger man das plant, desto besser klappt die Umsetzung. Ich warne aber davor, voreilige Schlüsse zu ziehen. Auf der Basis, wie die DTM jetzt ist, wird es schwierig, Lösungen zu finden.»