Dank Nico Rosberg: Hamilton von Mercedes unbestraft
Seit Nico Rosberg am Freitag, 2. Dezember mit seinem Rücktritt verblüfft hat, wird die Formel 1 von dieser Frage dominiert: Wer sitzt 2017 im zweiten Silberpfeil neben Lewis Hamilton? Beinahe in Vergessenheit geraten ist dabei, dass Weltmeister Mercedes-Benz mit seinem britischen Starpiloten eigentlich noch ein Hühnchen zu rupfen hätte – wegen seiner Renntaktik in Abu Dhabi.
Doch Technikchef Paddy Lowe sagt vor kurzem: «Am Ende haben wir ein fabelhaftes Ergebnis eingefahren, und die Formel 1 hat vielleicht sogar ein paar neue Fans angelockt.»
Das klingt ganz danach, als sei Hamilton vom Haken.
Dabei, zur Erinnerung, hatte Mercedes-Teamchef Toto Wolff im Anschluss ans packende WM-Finale festgehalten: «Natürlich haben wir vor dem Rennen über dieses hoch wahrscheinliche Szenario geredet, also dass Hamilton vor Rosberg liegt und dass es natürlich in Lewis’ Interesse wäre, dass Nico Druck von hinten bekommt. Und so kam es auch. Seit drei Jahren – und es ist egal, ob es sich um das erste Rennen der Saison handelt oder um das letzte – haben wir die Vorgabe: Wir wollen den Sieg absichern. Und das haben wir auch heute getan. Daher erhielt Lewis die Anweisung, bitteschön Tempo zu machen.»
«Eine Weile hatten wir die Befürchtung, dass Sebastian Vettel dieses Rennen gewinnen würde, daher kam nach Hamiltons Renningenieur dann auch noch Technikchef Paddy Lowe an den Funk. Ich bin verantwortlich für diesen Rennstall und für die Struktur, welche wir aufgebaut haben. Und mir ist wichtig, dass die Werte und die Vorgaben beachtet und geehrt werden. Dank dieser Vorgaben haben wir Rennen und Titel gewonnen. Was ich nicht will: Dass die Interessen des einen über jene des ganzen Teams gestellt werden.»
Wird das Verhalten von Lewis Konsequenzen haben? Toto: «Das will ich intern behandeln. Das könnte ein gefährlicher Präzedenzfall sein. Wir sind 1500 Menschen, die beim Rennstall arbeiten, wir sind 300.000 Mitarbeiter bei Daimler. Die arbeiten alle nach gewissen Werten. Eine Struktur in aller Öffentlichkeit zu unterminieren, das stellt wie gesagt den einen über alle anderen. Und Anarchie geht kein keinem Rennstall und auch in keiner Firma.»
Inzwischen hat der Wiener einige Nächte darüber geschlafen und sagte gestern Dienstag, 6. Dezember der Deutschen Presseagentur zum Fall Hamilton: «Das ist ein Thema, über das wir intern noch diskutieren müssen. Es hatte nach den Vorkommnissen der letzten Tage allerdings nicht mehr ganz die Priorität. Wir wollen natürlich auch im nächsten Jahr unsere Werte wahren, da ist Abu Dhabi ein Rennen, aus dem wir lernen müssen. Da müssen wir uns an der eigenen Nase fassen, ob der eine oder andere Call unnötig gewesen ist, ob man zu so einem späten Zeitpunkt, wo es bis zur letzten Minute spannend ist, in eine Meisterschaft eingreifen soll. All das sind Fragen, die wir noch nicht beantwortet haben. Da stecken wir die Köpfe in den nächsten Wochen zusammen, um eine gute Ausgangsmöglichkeit und vor allem eine klare Situation für beide Fahrer zu haben.»
Das klingt weitaus versöhnlicher als noch in Arabien.
Auch für Mercedes-Technikchef Paddy Lowe scheint das alles halb so wild zu sein, wie er bei den Autosport-Awards in London auf der Bühne betont hat: «Unterm Strich haben wir ein tolles Ergebnis eingefahren, es war ein fabelhafter Abschluss nicht nur für unser Team, sondern für den ganzen Sport – ein Finale, das vielleicht auch ein paar neue Fans angezogen hat. Was passiert ist, war in Ordnung.»
Vielleicht schlagen Wolff und Lowe deshalb versöhnliche Töne an, weil dies nicht die Zeit ist, die Beziehung zwischen Team und Starfahrer zu belasten. Mercedes-Benz hat Nico Rosberg verloren, eine Lücke, die kaum zu füllen ist. Hamilton wiederum weiss genau – die besten Formel-1-Fahrer sind an Verträge gebunden, er wird unumstrittener Platzhirsch sein. Denn mit grosser Wahrscheinlichkeit wird sein neuer Stallgefährte Pascal Wehrlein heissen, der zu wenig Erfahrung hat, um auf Anhieb auf Rosberg-Niveau zu fahren.
Mercedes und Lewis Hamilton brauchen sich mehr denn je.
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