Esteban Tuero: Vermeintliches Minardi-Wunderkind geht
So viele Schlagzeilen wie beim Rücktritt von Nico Rosberg dürften es nicht werden, aber eine Fussnote der Formel-1-Historie ist Esteban Tuero allemal, der am kommenden Wochenende seine Karriere beendet, mit 38 Jahren: Als ihn das Minardi-Team (heute Toro Rosso) zur GP-Saison 1998 hin völlig überraschend in die Formel 1 holte, war der Argentinier der drittjüngste Fahrer der Formel-1-Historie, nach Mike Thackwell und Ricardo Rodríguez.
Heute ist Tuero immerhin noch der Sechstjüngste (hinter Max Verstappen, Jaime Alguersuari, Thackwell, Rodríguez und Fernando Alonso). Im kommenden März wird er um einen Rang zurückgereicht, wenn in Melbourne der 18jährige Williams-Fahrer Lance Stroll sein GP-Debüt gibt.
Tuero wuchs in Buenos Aires auf, nicht weit von der Formel-1-Strecke entfernt. Sein Vater fuhr selber Rennen und setzte Esteban mit sieben in ein Go-Kart. Tuero junior fuhr bis 1992 Kartrennen, es folgten die Formel Renault 1993 und die Formel Honda 1994, wo er Landesmeister wurde. Als 16jähriger bestritt er bereits Rennen zur südamerikanischen Formel-3-Meisterschaft.
Papa Tuero wusste: Früher oder später musste der Junge nach Europa, wenn er weiterkommen wollte. Esteban holte sich 1995 in Italien überlegen die Formel-2000-Trophäe (mit einem alten Dallara 392) und bestritt erste Rennen in der italienischen Formel 3. Dort stiess er zum Team von Enzo Coloni.
Formel-1-Teamchef Giancarlo Minardi, immer auf der Suche nach neuen Talenten und frischen Sponsoren, offerierte Tuero einen Test im GP-Renner.
In der Formel 3 begann Tuero die Saison vielversprechend: Vierter im ersten Rennen, Sieger im zweiten, dann jedoch wegen illegalen Treibstoffs disqualifiziert. In Monaco startete er aus der ersten Reihe, kollidierte aber mit Jarno Trulli. Mitten in der Saison wechselte Tuero in die Formel 3000, konnte aber nur einmal in die Top-Ten vordringen. Nächste Station des Weltenbummlers: Die Formel Nippon in Japan, dort holte er nur einen Punkt. Aber immer wieder testete er für Minardi, und daher befand der Teamchef den Zeitpunkt für gekommen, ihn in den GP-Sport zu holen, tüchtig geschubst von der argentinischen Regierung, die glaubte, ein einheimischer Fahrer würde das Interesse am Argentinien-GP ankurbeln.
Schon die Erteilung des Formel-1-Führerscheins Superlizenz war höchst umstritten. Immerhin qualifizierte er sich beim WM-Beginn in Australien vor seinem Stallgefährten Shinji Nakano. Im Rennen schied er wegen Motorschadens aus. Es folgte ein Getriebdefekt in Brasilien und ein Dreher beim Heimrennen in Buenos Aires – irritiert von einem Reifenwechselboxenstopp, der satte 42 Sekunden gedauert hatte.
In Imola wurde Tuero Achter (sein Highlight), aber inzwischen war jedem klar, dass er in der Formel 1 überfordert war. Ihm selber auch. Ein Minardi-Mitarbeiter erzählte mir damals: «Esteban schloss sich in seinem Hotelzimmer ein und weigerte sich heulend, mit uns zur Rennstrecke zu kommen. Er war komplett fertig.»
Aus- und Unfälle in lockerer Reihenfolge waren die Folge. In Japan verwechselte er leider Gas und Bremse und krachte in den Tyrrell von Toranosuke Takagi, bei der Landung des anschliessenden Flugs zog sich Tuero eine Wirbelverletzung zu.
Minardi wollte 1999 mit ihm weitermachen, doch am Vorabend des ersten Tests mit dem neuen Modell eröffnete Esteban dem verblüfften Teamchef, er sei nicht länger Formel-1-Fahrer und fliege jetzt nach Hause.
Tuero kehrte in seine Heimat zurück und bestritt Tourenwagenrennen, in der so genannten TC2000, später Super TC2000. Esteban wurde VW-Werksfahrer mit Polo- und Bora-Modellen und gewann sogar Rennen, 2008 wurde er Klasse-3-Gesamtsieger der Turismo-Nacional-Serie.
Mit 38 hängt der heutige Ford-Pilot nach dem kommenden Rennwochenende in Viedma (Argentinien) den Helm an den Nagel: «Ich bin nach dreissig Jahren Rennsport all meinen Wegbegleitern dankbar für all ihre Unterstützung», teilt er via Twitter mit.
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