Ferrari: Antonio Giovinazzi 2018 für Kimi Räikkönen?
Im Sommer 2016 äusserte sich Ferrari-Teamchef zu einem alten Reizthema bedeckt: «Es wäre schön, einen Italiener bei uns zu haben, aber es ist nicht einfach.»
Tatsächlich hatten die Firmenverantwortlichen irgendwann kapituliert – die einheimischen Piloten erzeugten einfach einen zu hohen Erwartungsdruck. Wir müssen ziemlich weit zurückblättern, um siegreiche Italiener im berühmtesten Rennwagen der Welt zu finden.
Letzter Italiener im Ferrari am Start eines Grand Prix: Giancarlo Fisichella in Abu Dhabi 2009, als Nachfolger des glücklosen Luca Badoer. Beide waren Reservisten für Felipe Massa nach dessen Horror-Unfall in Ungarn. Und beide waren eine Notlösung: Denn eigentlich hätte Michael Schumacher im Wagen sitzen sollen, doch die Ärzte rieten Schumi nach einer Motorradverletzung vom Start ab.
Vor Badoer und Fisichella finden wir in Imola 1994 Nicola Larini im Ferrari. Er wurde im Todesrennen von Ayrton Senna Zweiter, auch er als Reservist, für den verletzten Jean Alesi. Es war auch Larini, der den vorderhand letzten italienischen Stammfahrer von Ferrari ablöste, Ivan Capelli 1993. Dessen Auto war so schlecht, dass die Karriere des ruhigen Ivan im Grunde ruiniert war.
Der letzte Italiener, der eine komplette Saison für Ferrari fuhr: Michele Alboreto 1988.
Der letzte Italiener, der für Ferrari gewann: Michele Alboreto 1985 (auf dem Nürburgring).
Der letzte Italiener, der in einem Ferrari in Monza gewann: Ludovico Scarfiotti 1966. Es war der einzige Formel-1-Sieg von Scarfiotti. Und, um Fragen einiger Leser vorzubeugen: Der Italiener selber schrieb sich Ludovico, selbst wenn in Büchern und im Internet die Schreibweise Lodovico kursiert.
Der letzte Italiener, der für Ferrari einen WM-Titel gewann: Alberto Ascari 1953.
Die goldenen Stunden für italienische Formel-1-Fans liegen schmerzlich weit zurück: Die einzigen beiden Weltmeister aus Italien – Nino Farina und Alberto Ascari in den 50er Jahren, gewissermassen in der Steinzeit der Formel 1. Der vorderhand letzte italienische GP-Sieger – Giancarlo Fisichella in Malaysia 2006. Die letzten italienischen GP-Piloten am Start bis Australien 2017: Tonio Liuzzi und Jarno Trulli beim WM-Finale von Brasilien 2011.
Aber nun gibt es Hoffnung, und die heisst Antonio Giovinazzi.
Der 23-Jährige, GP2-Gesamtzweiter 2016, wurde im Winter als dritter Ferrari-Mann neben Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen bestätigt.
Aufgrund der engen Zusammenarbeit zwischen Sauber und Ferrari war auch klar: Sollte bei den Schweizern etwas schiefgehen, sitzt Giovinazzi in einem Sauber.
Wie wir heute wissen, ging schon im Januar etwas schief: Unfall von Pascal Wehrlein beim Race of Champions, der Sigmaringer musste den ersten Barcelona-Test sausen lassen, Antonio stieg ein.
Ein Ferrari-Insider sagt: «Die Sauber-Truppe staunte über die fundierten Aussagen von Giovinazzi und über seine eher untypische Art. Er ist nicht der klassische Italiener, wie man sich das Klischees vom Latino eben vorstellt, bei dem alles immer ein wenig mit Drama verbunden ist. Sondern er ist ganz ruhig und entspannt.»
Pascal Wehrlein kam dann zum zweiten Barcelona-Test zurück, aber in Australien stieg der DTM-Champion von 2015 aus: «Es geht nicht, mein Trainingsrückstand ist zu gross, ich würde die Renndistanz nicht durchhalten.»
Daraufhin bot Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn in Absprache mit Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene den jungen Giovinazzi auf.
Antonio sagt im Fahrerlager des Albert-Park: «Ich hatte wegen der Zeitumstellung mies geschlafen. Als ich endlich Ruhe fand, war es schon wieder Morgen und ich fand auf meinem Handy die Nachricht, dass ich fahren werde. Als erstes rief ich meine Eltern an, um ihnen zu sagen, dass sie nicht ins Bett gehen sollen – denn ich würde im dritten Training fahren.»
Unser Ferrari-Insider nimmt den Faden auf: «Es ist gewiss nicht einfach, im Laufe eines GP-Wochenendes einzuspringen, aber Antonio tat das mühelos. Er war sofort auf Speed. Das ist immer ein Zeichen eines guten Piloten.»
Und wie! Hätte sich Giovinazzi nicht in seiner besten Runde einer seiner seltenen Fehler erlaubt, hätte er im ersten Quali-Segment ausgerechnet seinen Sauber-Stallgefährten Marcus Ericsson unter die ersten fünf Ausgeschiedenen verdrängt!
Antonio: «Klar hat mich das gewurmt. Ich hätte Marcus schon gerne geschlagen. Aber ich darf dennoch zufrieden sein.»
Unser Ferrari-Insider weiter: «Der Weg von Antonio ist vorgegeben. Sein Talent ist offensichtlich, jeder bei Ferrari und bei Sauber kann es sehen. Jetzt müssen wir mal beobachten, ob Wehrlein für China und Bahrain fit ist. Falls nicht, steigt Giovinazzi erneut ein. Und dann ist klar – sollte Kimi Räikkönen für 2018 keine Lust mehr haben oder Ferrari will auf die Jugend setzen, dann übernimmt Antonio seinen Platz.»
Giovinazzi selber meint: «Das Ziel besteht darin, 2018 im Startfeld zu sein.»
GP-Piloten von Ferrari in der Formel-1-WM
1950: Luigi Villoresi, Alberto Ascari, Dorino Serafini
1951: Villoresi, Ascari, Piero Taruffi
1952: Giuseppe Farina, Taruffi, Ascari, Villoresi
1953: Ascari, Farina, Villoresi, Umberto Maglioli, Piero Carini
1954: Farina, Maglioli, Taruffi, Ascari
1955: Maglioli, Farina, Taruffi, Villoresi, Eugenio Castellotti
1956: Castellotti, Luigi Musso
1957: Musso, Castellotti, Cesare Perdisa
1958: Musso
1961: Giancarlo Baghetti
1962: Baghetti, Lorenzo Bandini
1963: Bandini, Ludovico Scarfiotti
1964: Bandini, Scarfiotti
1965: Bandini, Scarfiotti, Nino Vaccarella
1966: Bandini, Scarfiotti
1967: Bandini, Scarfiotti
1968: Andrea de Adamich
1969: Ernesto Brambilla
1970: Ignazio Giunti
1972: Nanni Galli, Arturo Merzario
1973: Merzario
1984: Michele Alboreto
1985: Alboreto
1986: Alboreto
1987: Alboreto
1988: Alboreto
1991: Gianni Morbidelli
1992: Ivan Capelli
1994: Nicola Larini
2009: Luca Badoer, Giancarlo Fisichella
2018: Antonio Giovinazzi?