Robert Kubica: «Ich musste um mein Leben kämpfen»
Kein Rennfahrer stand in den letzten Jahren bei einem Test so im Mittelpunkt des Interesses wie Robert Kubica. Der Pole fuhr am 2. August auf dem Hungaroring erstmals einen 2017er GP-Renner, Renault will herausfinden, ob der WM-Vierte von 2008 wirklich ein Kandidat für ein Renncockpit 2018 neben Nico Hülkenberg sein kann.
Die Tatsache, dass der Kanada-GP-Sieger 2008 überhaupt wieder am Lenkrad eines modernen Formel-1-Renners sitzen kann, «ist die Verwirklichung eines fast unmöglichen Traums», wie es Robert der BBC gegenüber bezeichnet.
Der 6. Februar 2011 veränderte alles. Robert Kubica erlitt bei der «Ronde di Andora Rallye» in Ligurien lebensbedrohliche Verletzungen. Es dauerte eine Stunde, um ihn aus dem Wagen zu holen. Die erste von insgesamt 18 Operationen dauerte sieben Stunden. «Die Leute reden immer von meinem Arm, weil er mein grösstes Handicap ist. Fakt ist: Ich musste um mein Leben kämpfen», sagt Kubica. «Ich hatte Knochenbrüche auf der ganzen rechten Seite, vom Fuss bis hoch zur Schulter. Die vielen Brüche waren der Grund, wieso ich so lange brauchte, um mich zu erholen. Obschon der Arm am schlimmsten in Mitleideschaft gezogen wurde.»
«Die ersten beiden Monate waren wirklich schwierig. Ich kann von Glück reden, dass ich Formel-1-Fahrer und damit Athlet bin. Das ist vielleicht der Grund, warum wir den Arm überhaupt retten konnten.»
Eineinhalb Jahre nach dem Unfall sass Kubica wieder in einem Rallye-Auto. «Ich wollte zuerst am Morgen glücklich aufwachen, bevor ich wieder ein Rennfahrer sein wollte. Ich brauchte zwei Jahre, um auf ein halbwegs normales Niveau zu gelangen. Ein Jahr lang hatte ich nur Schmerzen. Meine Leidenschaft für den Sport ging nie verloren, mein Leben hat sich einfach komplett umgekrempelt.»
Im Jahr 2013 sah sich Kubica so weit erholt, dass er im Rennsimulator von Mercedes arbeitete. Damals konnte er aber das rechte Handgelenk nicht genug drehen, die Bewegung kam vielmehr aus dem Ellbogen heraus. Das ging im Rallye-Auto, nicht aber im engen Formel-1-Cockpit. Weitere Operationen folgten.
Ende 2015 begann Kubica, sein Training zu intensivieren. «Damals wog ich zehn oder fünfzehn Kilo mehr als heute.» Kubica probierte systematisch verschiedene Rennfahrzeug aus – Einsitzer, Tourenwagen, Sportwagen. Bei einem Besuch in der Dallara-Fabrik kristallisierte sich heraus, dass Robert genügend Bewegungsfähigkeit zurückerlangt hatte, um wieder an die Formel 1 zu denken.
Der Kontakt zwischen Robert Kubica und einer Kerngruppe von Fachleuten in Enstone (Renault, zwischendurch Lotus) war nie abgerissen. Sie waren es, die einen Test im 2012er Lotus E20-Renault vorschlugen. Kubica bedankte sich in Valencia mit einer Zeit, die schneller war als jene von Renault-Reservist Sergej Sirotkin.
Der nächste Schritt: Ein zweiter Test mit Renault, dieses Mal in Le Castellet. Mit Haarnadeln, die Kubcia problemlos fuhr. So problemlos, wie er sich auch innerhalb von der vorgeschriebenen Zeit aus dem F1-Renner zu fädeln.
Robert Kubica gibt zu, dass er nicht wie jeder andere Fahrer ist: «Natürlich arbeitet mein Arm nicht normal. Das grösste Problem ist nicht die Kraft im rechten Arm, es ist die Bewegungsfähigkeit. Ich kann mit dem rechten Unterarm nicht die gleiche Auswärtsbewegung machen wie mit links. Ich kann Vorderarm und Handgelenk nicht verdrehen.»
Wie geht es nun weiter? Wie ernst es Renault mit Robert Kubica ist, wird von der Tatsache unterstrichen, dass die Franzosen mit Details knausern.
Gut eine Stunde vor Abschluss des Hungaroring-Tests erhielt Robert Kubica (32) zum zweiten mal ultraweiche Reifen auf den Renault geschnallt. Der Pole brannte damit eine 1:18,572-min-Runde in die Bahn – Viertschnellster.
Wie lässt sich diese Zeit einordnen? Jolyon Palmer hatte im Abschlusstraining 1:18,415 min erreicht, allerdings standen die ultraweichen Reifen am Samstag vor dem Ungarn-GP nicht zur Verfügung. Nico Hülkenberg fuhr im Qualifying 1:17,468 min.
Nur Renault weiss, mit wieviel Kraftstoff im Tank Kubica an der Arbeit war. 30 Kilogramm Sprit entsprechen auf dem Hungaroring einer Sekunde. Damit wäre Robert auf Hülkenberg-Niveau. Und bei den Dauerläufen mit den gleichen Reifen war Kubica schneller als Palmer und Hülkenberg im Ungarn-GP.
Robert: «Es ist zu früh zu sagen, was der nächste Schritt ist. Klar würde ich gerne eine weitere Chance erhalten. Aber die Wirklichkeit sieht so aus, dass ich abwarten muss.»
«Die meisten Menschen würden gerne ein Comeback sehen. Das wäre eine nette Geschichte. Ich selber hätte als Fan für einen Sportler die grösste Hochachtung, wenn er nach so langer Zeit zurückkehrt. Aber ich will nicht nur zurückkommen, um ein Comeback geschafft zu haben. Ich will sicher sein, dass ich wieder auf einem Niveau fahren kann, das jenem von früher nahekommt. Die Leute, die mich kennen, sie wissen, was ich kann. Und selbst wenn das alles nur Testfahrten sind, so waren das doch die besten drei Monate meiner Rennkarriere.»