Jean Todt (FIA): Was er zum Ferrari-Ausstieg sagt
Seit Jahren besitzt Ferrari ein im Sport ungewöhnliches Recht: Sie können neue Regeln unter gewissen Umständen mit einem Veto unterbinden. Was sie beispielsweise 2015 getan haben, als der Automobilweltverband FIA für Motoren und Getriebe einen Kostendeckel einführen wollte.
Wie kam es eigentlich dazu, dass Ferrari diese Extrawurst gebraten bekommt? FIA-Präsident Jean Todt, selber langjähriger Rennleiter und Direktor von Ferrari: «Das Veto-Recht von Ferrari geht auf die 80er Jahre zurück, als das so genannte Concorde-Abkommen entstand (gewissermassen die Formel-1-Verfassung, welche die sportlichen und finanziellen Verbindungen zwischen FIA, Formula One Management und den Rennställen regelt, die Red.). Enzo Ferrari fühlte sich in Maranello gegen die ganzen englischen Teams isoliert. Keiner sollte überdies vergessen, dass Ferrari damals das einzige Team war, welches das komplette Auto selber gebaut hat. Ferrari wollte eine Art Schutz. Die FIA hat ihm dies zugesichert. Seither ist dieses Veto-Recht immer aufrechterhalten worden. Als ich dann Präsident wurde, habe ich zur Frage gestellt, ob das noch zeitgemäss sei. Bernie Ecclestone war aber dafür, dass Ferrari dieses Recht behält. Und die anderen Teams haben alle zugestimmt.»
Aber die Zeiten haben sich geändert. Im Rahmen eines Medientreffens in London meint Todt: «Ich glaube, die Zeit des Ferrari-Vetos ist abgelaufen. Auch wenn beim letzten Mal die Formulierung dieses Veto-Rechts geändert wurde.»
In der jüngsten Version des Concorde-Abkommens wurde verankert, dass Ferrari von seinem Einspracherecht nur dann Gebrauch machen kann, wenn eine neue Regel den Interessen des Teams widerspricht.
Für Todt hingegen ganz normal: Dass Ferrari mehr Geld aus dem Preisgeldtopf erhält. Der 72jährige Franzose gibt zu bedenken: «Es hat ja auch seine Gründe, warum Leonardo DiCaprio für einen Film mehr Geld bekommt als ein TV-Seriendarsteller. Je mehr Anziehungskraft du hast, desto mehr Geld bekommst du, so ist das Leben.»
Zur anhaltenden Drohung des Ferrari-Präsidenten Sergio Marchionne, Ferrari aus der Formel 1 abzuziehen, meint Todt: «Der Ausstieg von Ferrari ist denkbar. Und ganz ehrlich – sie sind frei, sich so zu entschliessen. Ich hoffe aber definitiv, dass sie es nicht tun werden. Auf der anderen Seite: Wir haben es immer wieder erlebt, dass grosse Wettbewerber den Sport verlassen haben. Und dann wiedergekommen sind.»
Zur finanziellen Situation im GP-Sport meint Todt: «Ich sehe sechs oder sieben Rennställe, die Mühe haben, finanziell über die Runden zu kommen. Das ist nicht akzeptabl. Es kann nicht sein, dass wir die Königsklasse sind und 60 bis 70 Prozent des Feldes ums Überleben kämpfen.»
Für Jean Todt ist klar, was passieren muss: Kosten runter, Kosten deckeln. Auch wenn sich Ferrari seit Jahren gegen eine Budget-Obergrenze sperrt.