Mercedes: Logistische Glanzleistung wegen F1-Kalender
Das Mercedes-Motorhome wird in 18 Trucks transportiert
Der erste "Triple-Header" in der Geschichte der Formel 1 ist in vollem Gange. Drei Rennen innerhalb von zwei Wochen bedeuten, dass die Formel 1-Fans mehr Racing denn je zuvor geboten bekommen. Gleichzeitig stellt der "Triple-Header" für die Teams aber auch eine besondere Aufgabe dar, wie Mercedes im jüngsten Feature zur Königsklasse erklärt.
Zunächst geht es einmal um die Frage, wie viel Ausrüstung ein GP-Rennstall überhaupt mitnimmt. Grundsätzlich gilt: Wenn die Formel 1-Teams packen, befolgen sie dabei die gleiche Regel, die wir alle für den Sommerurlaub beachten: So viel wie nötig, aber so wenig wie möglich. Denn jedes nicht notwendige Teil, das rund um die Welt transportiert wird, fabriziert unnötige Kosten.
Gleichzeitig erfordert die Teilnahme an der Formel 1 nun einmal sehr viel Ausrüstung und Teile, die zu allen Rennen transportiert werden müssen. Bei einem Europarennen bringt Mercedes normalerweise mehrere Kleintransporter und 27 Lastwagen mit. Neun davon sind die Renntrucks, die mehr als 45 Tonnen an Material zu den Rennen transportieren. Die anderen 18 Trucks transportieren das Motorhome.
Die Boxengebäude legen das Grundlayout der Garage fest – mehr aber auch nicht. Alles andere –von den Wänden bis zur Station für die Ingenieure – ist Teil der Ausrüstung, die das Team mitbringt und aufbaut. Neun Trucks und eine Vielzahl an Kleintransportern transportieren diese Ausrüstung, die in und rund um die Garage Verwendung findet.
Dazu gehören zum Beispiel die Fahrzeugteile, das Labor von Schmierstoff-Partner Petronas, das Büro für die Ingenieure, die Fahrerräume, 160 Felgen, IT-Einrichtungen und sonstiges Material, vom Bodenreiniger bis zu Werkzeugkästen.
Beim «Triple-Header» kommen beim Team zwei verschiedene Garagen zum Einsatz. Die Garage aus Frankreich wird direkt nach Silverstone transportiert, während in Österreich einer der fünf Seefracht-Container des Teams seine Rückkehr feiert. Dieser wurde zuletzt beim China-GP verwendet und kehrte vor drei Wochen nach Brackley zurück. Dort wurde er gewartet und weiter nach Österreich geschickt, wo jetzt alles für das anstehende Rennwochenende aufgebaut wird.
Verstärkung für Motorhome-Aufbau
Neben der Boxenausstattung und der Rennausrüstung bringt das Team auch sein Motorhome zu allen europäischen Rennen mit. Dieses bietet eine Vielzahl an Verwendungsmöglichkeiten – etwa als Hospitality und Veranstaltungsort oder als Büros und Meeting-Räume. Alles in allem bietet es in drei Etagen einen Platz von 540 Quadratmetern (180 Quadratmeter pro Etage). Das Motorhome besteht aus 30 Containern, die innerhalb Europas von Rennen zu Rennen transportiert werden.
Im Vorlauf eines normalen Rennwochenendes braucht eine Mannschaft von rund 30 Personen drei Tage, um das Motorhome aufzubauen. Diese Zeit steht dem Team während des «Triple-Headers» aber nicht zur Verfügung. Deshalb wurde die Crew für Österreich und Silverstone auf insgesamt 60 Personen verdoppelt. Der Abbau des Motorhomes in Frankreich begann bereits kurz nach Rennende und wurde am Montagnachmittag abgeschlossen – weniger als 24 Stunden nach dem Fallen der Zielflagge in Le Castellet.
Die Lastwagenflotte bestehend aus 18 Mercedes-Benz Actros benötigte 14 Stunden, um das Motorhome an den nächsten Einsatzort im österreichischen Spielberg zu transportieren. Das sogenannte «Grid» (der Metallrahmen, der als Fundament des Motorhomes dient) wurde in Frankreich als letztes abgebaut. Es ist aber auch das erste Teil, das beim Aufbau in Österreich benötigt wurde. Deshalb wurde es in vier Mercedes-Benz Sprinter verladen, die schneller als die grossen Lastwagen sind. So konnten sie etwas Zeit auf der Reise herausholen.
Dank der grösseren Aufbaumannschaft in Österreich sollte das Errichten des Motorhomes nicht viel länger als einen Tag dauern. Der Aufbau begann am frühen Dienstagnachmittag und folgte dem üblichen Prozess – nur, dass alles schneller gehen musste. Das Team begann mit der Abmessung der genauen Dimensionen, wo das Motorhome errichtet werden sollte. Dabei kamen hochpräzise Laser zum Einsatz, um das Fundament auszugleichen.
Sobald das Grid aufgebaut war, wurden die 30 Container installiert. Dabei müssen nicht nur die Wände und Böden eingebaut werden, sondern auch die Elektrik und die Klimaanlage. Alles in allem werden in den Wänden des Motorhomes zwei Kilometer an versteckten Kabeln verlegt.
Aufbauarbeiten dauern an
Bei einem normalen Rennen beginnt eine Crew von 25 bis 30 Personen mit den ersten Aufbauarbeiten. Dazu zählen auch der Aufbau der Garage und die Einrichtung der Renntrucks, in denen auch die Ingenieurs-Büros sowie die Fahrerräume untergebracht sind. Zudem befinden sich darin die Aufbewahrungsräume für die Reifen, ein Arztzimmer und andere Bereiche.
Für den «Triple-Header» wurde weiteres Personal hinzugezogen, um beim Aufbau der Garage zu helfen. Sie kamen am Freitag in Österreich an und begannen am Samstag mit dem Aufbauprozess. Das Rennteam stiess am Dienstagvormittag zu ihnen, um die Garagenkonstruktion abzuschliessen. Danach konnten die Mechaniker ab 15 Uhr mit den Arbeiten am Auto loslegen.
Am frühen Mittwochmorgen begannen die Aufbauarbeiten für das Ingenieurs-Büro. Diese werden bis zum Einbruch der Nacht abgeschlossen, damit die Ingenieure am Donnerstagvormittag in ihrem eigenen Büro arbeiten können.
Arbeitsteilung am Steuer
Die drei Rennen an aufeinanderfolgenden Wochenenden stellen das Team vor viele Herausforderungen, die grösste davon ist aber der Verkehr. Der Zeitplan ist extrem eng gestrickt, selbst wenn alles nach Plan verläuft und die Lastwagen rechtzeitig eintreffen. Wenn sie aber im Stau stehen und sich verspäten, wird es rasch unmöglich, den ursprünglichen Plan einzuhalten.
Um die Zeit auf der Strasse so kurz wie möglich zu halten, ist jeder Lastwagen mit zwei Fahrern besetzt, die sich auf der Reise abwechseln können. Für die beinahe 24 Stunden lange Fahrt aus Österreich nach Grossbritannien ist ein weiterer Fahrer erforderlich. Die ersten beiden Fahrer bringen den Truck von Spielberg bis ins belgische Gent. Dort übernimmt ein ausgeruhter Fahrer das Steuer, der den Lastwagen durch den Eurotunnel nach Silverstone bringt.
Während der «Triple-Header» das Team bis an seine Grenzen bringt, ist davon auszugehen, dass der Einfluss sowohl mental als auch physisch geringer ausfällt als bei den Überseerennen gegen Saisonende. Die heisse Phase sorgt aber dafür, dass die Erschöpfung der Teammitglieder im späteren Saisonverlauf höher ausfällt.
Das beste Mittel dagegen ist Schlaf. Zum Glück gibt es bei den Rennen nur eine Zeitverschiebung von einer Stunde. Dadurch fällt der Jetlag minimal aus. Neben Schlaf sind körperliche Betätigung und eine gesunde Ernährung hilfreich, um die Ausdauer beizubehalten.