Charles Leclerc im Ferrari-Test: Zwei GP-Distanzen
Charles Leclerc in Le Castellet
Die zweitägigen Pirelli-Testfahrten auf dem Circuit Paul Ricard finden hinter verschlossenen Toren statt. Bilder gibt es nur vom Mailänder Reifenhersteller selber. Dazu ein paar spärliche Informationen: Der 2019er Ferrari-GP-Pilot Charles Leclerc hat am ersten Tag 129 Runden abgespult, das entspricht gut zwei Grand-Prix-Distanzen auf der südfranzösischen Rennstrecke. Es handelt sich um den ersten Test des Monegassen, seit der 20-Jährige als künftiger Stallgefährte von Sebastian Vettel bestätigt worden ist. Am zweiten Tag (21. September) übernimmt beim Pirelli-Test der Deutsche das Lenkrad.
Leclerc und Vettel sind dabei mit unmarkierten Pirelli unterwegs. Für den Formel-1-Alleinausrüster geht es darum, letzte Erkenntnisse zu erlangen, um bis 1. Oktober dem Autoverband FIA die 2019er Reifenspezifikation mitzuteilen. Pirelli hat zwei weitere Tests eingeplant (mit Renault nach dem Japan-GP in Suzuka und mit Sauber nach dem WM-Lauf in Mexiko-Stadt). Alle Rennställe werden dann nach dem WM-Finale von Abu Dhabi zwei Tage lang Gelegenheit erhalten, die 2019er Reifen zu testen.
Als klar wurde, dass Charles Leclerc für Ferrari testen würde, haben wir einige E-mails von Lesern erhalten, die wissen wollten: Wann bewegte der vielversprechende Pilot eigentlich erstmals einen Ferrari? Leclerc sass am 9. Mai 2016 erstmals in einem Formel-1-Ferrari. Wenige Monate zuvor hatte ihn Ferrari in die so genannte Fahrerakademie aufgenommen, ins Nachwuchsförderprogramm der Italiener. Der damalige GP3-Fahrer Leclerc bewegte in Fiorano einen Ferrari F14T von Fernando Alonso, um die notwendigen 300 Kilometer zur Erlangung der Superlizenz zu fahren, des Führerscheins für Formel-1-Piloten.
2017 kletterte Leclerc beim Sommertest in Ungarn in einen Ferrari SF70H – und fuhr gleich mal Bestzeit. Dabei meinte der Formel-2-Champion von 2017: «Es ist immer etwas ganz Besonderes, in einen Ferrari zu schlüpfen.» Für Ferrari ist es logisch, dass Leclerc als künftiger Stammfahrer den jüngsten Test in Frankreich gefahren hat. Das ist eine gute Gelegenheit, das aktuelle Auto zu bewegen und mit den Technikern zu arbeiten.
Sauber-Teamchef Fred Vasseur ist überzeugt davon, dass Charles seinen Weg machen wird: «Was macht einen Rennfahrer herausragend? Es dreht sich grundlegend alles um das gottgegebene Talent, dann aber auch darum, was du daraus machst und wie du an deine Aufgaben herangehst. Ich kann mich an ein bestimmtes Rennen in der GP3 erinnern, da war Charles nachher sehr aufgebracht. Das Ergebnis war prima, er hatte eben gewonnen, die meisten anderen Fahrer wären mit sich selber sehr zufrieden gewesen. Nicht so Charles. Er sagte: „Heute bin ich nicht gut gefahren.“ Das habe ich nur mit einem anderen Piloten erlebt in meiner Karriere, mit Lewis Hamilton.»
Der härteste Kritiker von Charles Leclerc heisst Charles Leclerc. Vasseur: «Die grössten Piloten muss keiner antreiben, die verlangen von sich selber am meisten. Schau dir Vettel an oder Hamilton oder Alonso. Charles teilt mit ihnen ein scharfes Auge für Details. Und selbst wenn er auf der Strecke mächtig Ellbogen ausfahren kann, so ist er doch ruhig und gesammelt abseits der Piste. Er ist sehr konstruktiv, seine Arbeit ist immer lösungsorientiert.»
Wenn Leclerc im kommenden März zum Grossen Preis von Australien startet, wird er der zweitjüngste Ferrari-Fahrer sein, der für die Italiener einen WM-Lauf unter die Räder nimmt. In Melbourne wird Charles 21 Jahre, 5 Monate und einen Tag jung sein. Noch jünger war in Ferrari-Diensten lediglich Ricardo Rodríguez, der in Monza 1961 19 Jahre, 6 Monate und einen Tag alt war.