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Kimi Räikkönen: Wieso er von Ferrari zu Sauber zieht

Von Adam Cooper
Kimi Räikkönen und Beat Zehnder

Kimi Räikkönen und Beat Zehnder

​Diese Meldung verblüffte: Der bei Ferrari überflüssig gewordene Kimi Räikkönen hört nicht etwa auf, sondern unterschreibt für 2019/2020 bei Sauber. Wieso eigentlich? Drei Insider wissen es.

Im Laufe des Monza-Wochenendes wurde klar: Der 20jährige Charles Leclerc wird 2019 bei Ferrari Nachfolger von Kimi Räikkönen. Die meisten Fans und Fachleute gingen davon aus, dass der Finne daraufhin seine GP-Laufbahn beenden würde. Weit gefehlt! Der Weltmeister von 2007 kehrt dorthin zurück, wo 2001 seine Formel-1-Karriere begonnen hat: Sauber. Und nicht etwa nur für ein Jahr, der 20fache GP-Sieger unterzeichnete gleich für 2019 und 2020. Logische Frage: Wieso eigentlich?

Nur wenige Menschen kennen Kimi besser als Steve Robertson. Zusammen mit seinem Vater David überredete er damals Peter Sauber, den jungen Kimi mal Formel 1 fahren zu lassen, obschon Räikkönen erst Formel-Renault-Fahrer war. Der Rest ist ein Stück Motorsporthistorie. Kimi hat seinen neuen Sauber-Vertrag weitgehend alleine ausgehandelt, Robertson ist aber enger Vertrauter geblieben, der dann einschreitet, wenn Vertragsverhandlungen in die entscheidende Phase kommen.

Steve Robertson sagt: «Kimi will Formel 1 fahren, weil er das liebt. Die meisten Leute gingen davon aus – wenn er nicht mehr Ferrari fahren kann, dann hockt er sich auf eine Yacht und geniesst das Leben. Aber diese Menschen unterschätzen die tiefe Leidenschaft Kimis für den Rennsport. Als klarwurde, dass bei Ferrari kein Platz mehr ist, haben wir uns eine Alternative angeschaut. Sauber kam schnell aufs Tapet. Dort hat sich Vieles verändert. Das Team ist finanziell wieder gesund aufgestellt und wird stärker. Vor mehr als zwei Jahren standen sie kurz vor dem Kollaps, sie hätten sich einen Fahrer wie Kimi nie leisten können.»

«Nun aber haben sie einen absoluten Top-Piloten verpflichtet, einen Weltmeister, das zeigt, wo Hinwil hinwill. Sie hätten durchaus einen Bezahlfahrer verpflichten können. Aber sie wollen sportlichen Erfolg.»

Gerüchte über Sauber und Kimi tauchten schon im Frühsommer auf. Aber Robertson meint: «Ich habe davon gelesen, aber wir haben das nicht diskutiert. Zu diesem Zeitpunkt konzentrierten wir uns ganz darauf, einen neuen Vertrag bei Ferrari zu erhalten.»

Das wird von Sauber-Teamchef Fred Vasseur bestätigt: «Zum Zeitpunkt, als diese ersten Stories auftauchten, gab es null Kontakt zu Kimi. Alles begann am Monza-Wochenende, unmittelbar nachdem Ferrari Kimi mitgeteilt hatte, dass er durch Leclerc ersetzt werde.»

Ein Wegbereiter zum neuen Vertrag mit Sauber war Beat Zehnder. Kimi ist dem langjährigen Teammanager der Schweizer immer freundschaftlich verbunden geblieben. Vasseur weiter: «Beat und Kimi reden die ganze Zeit. Aber ich wollte immer abwarten, wie sich das mit Ferrari entwickelt, bevor ich daran denke, Kimi Räikkönen in einen Sauber zu setzen.»

Hat Ferrari zum Sauber-Deal die Weichen gestellt? «Nein», sagt Fred Vasseur, «Ferrari war in die Verhandlungen nicht eingebunden. Aber ich glaube, sie sind sehr froh, dass diese Lösung gefunden worden ist. Die Verhandlungen verliefen sehr geradlinig. Wir haben uns zwei Mal getroffen, dann war alles geregelt. Im Grunde lief das so ab. Wir setzten uns auf einen Kaffee zusammen, und ich habe Kimi gefragt: „Was willst du machen?“ Er meinte: „Ich will Rennen fahren.“ Daraufhin sagte ich: „Gut, dann machen wir das gemeinsam.“»

«Ich glaube, Kimi hatte finanziell verlockendere Angebote als unseres. Und es ist für uns finanziell eine grosse Sache, einen Top-Fahrer zu holen. Aber ich glaube, es ist für Kimi eine noch grössere Sache, Sauber zu vertrauen. Das zeigt, wie motiviert er noch immer ist. Er hat sofort die richtigen Fragen gestellt: „Wie weit reicht die Kooperation mit Ferrari?“ Oder: „Mit welchen Technikern würde ich arbeiten?“ Oder: „Wie weit ist die Arbeit am 2019er Auto?“ Er hat sich ganz auf sportliche Fragen konzentriert. Das hat mir Eindruck gemacht. Ich sagte ihm, dass wir uns weiter im Aufbau befänden, dass er aber eine wichtige Rolle für uns spielen würde, nicht nur aufgrund seiner Erfahrung und seines Talents, sondern auch als Signal an Geldgeber. Ich sagte, ich wolle nur mit ihm zusammenarbeiten, wenn er auch wirklich hinter uns stehe. Kimi meint: „Wenn ich etwas als nutzlos erachte, dann mach ich es auch nicht.“»

«Kimi liebt den Rennsport durch und durch. Er wird sich bei uns wohlfühlen. Er wohnt nicht weit vom Werk entfernt und wird viel Zeit bei uns verbringen. Einer der ersten Sätze bei unserem Gespräch war: „Das ist prima, dann kann ich oft bei euch vorbeischauen.“ Ich spüre, wie er in die Arbeit eingebunden werden will. Und dazu stehen bei uns alle Türen offen. Ich sehe ihn auch als Motivator fürs Team. Es ist eine grosse Kiste, einen Weltmeister und 20fachen GP-Sieger zu verpflichten. Diese Saison hat überdies bewiesen, dass er nichts von seinen Fähigkeiten eingebüsst hat.»

Der 2019er Sauber entsteht unter der Leitung des früheren Ferrari-Chefdesigners Simone Resta. Vasseur: «Kimi kennt Simone gut. Er weiss, dass wir die Arbeit am neuen Wagen sehr früh begonnen haben, früher als die meisten anderen Rennställe. Es muss ein realitisches Ziel sein, 2019 fünfte Kraft in der Formel 1 zu werden.»

Steve Robertson ergänzt: «Kimi müsste überhaupt nichts tun. Er hat sich für zwei Jahre verpflichtet, weil er glaubt, dass er den Rennstall nach vorne bringen kann. Ich glaube, das würde ihn stolz machen. Er weiss, dass er in aller Wahrscheinlichkeit keine Siegchance haben wird, ausser, wir erleben einen komplett verrückten Grand Prix. Aber er kann in Sache Entwicklung viel bieten. Seine Erfahrung bei der Entwicklung war ein wichtiger Grund, warum ihm Ferrari so viele Jahre die Stange gehalten hat.»

Fred Vasseur sagt: «Auch in Sachen Marketing ist Kimi eine andere Hausnummer. Wir werden 2019 nur drei Weltmeister am Start haben, Sebastian Vettel, Lewis Hamilton – und Kimi. Wir haben bereits Angebote von Geldgebern erhalten. Das hätte ich in diesem Ausmass nicht erwartet.»

«Kimi wird bei uns unter weniger Druck fahren als bei Ferrari. Er kann das Rennfahren geniessen. Das heisst nicht, dass wir hier die Zügel schleifen lassen. Aber er wird gewiss mehr Zeit für die technische Seite des Jobs haben und für die Beziehung mit seinen Ingenieuren als bei Ferrari.»

«Die Reaktion im Sauber-Werk auf die Verpflichtung war enorm. Ich stand eben im Design-Büro, als die E-mail mit der Bestätigung an die Mitarbeiter ging, und die Leute sagten – wow! Kimi Räikkönen wird es uns auch erleichtern, neue Leute zu finden. Es war nicht leicht, ausländische Fachkräfte vom Arbeitsplatz Schweiz zu überzeugen. Die Zusammenarbeit mit Alfa Romeo hat schon einiges geändert. Auf einmal erhielen wir viel mehr Bewerbungen. Das Gleiche passiert nun nach Kimis Verpflichtung. Die Leute sagen sich: „Wenn Kimi Räikkönen Vertrauen zu Sauber hat, dann kann ich das auch haben.“»

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