GP-Sieger Jarno Trulli: «Formel 1 absurd, lächerlich»
Jarno Trulli (rechts)
Im August hat Fernando Alonso verkündet: Er fährt 2019 nicht mehr Formel 1. Im Fahrerlager des Circuit de Spa-Francorchamps sagte der 32fache GP-Sieger über diesen Schritt: «Es war eine Entscheidung, an der ich seit einem Jahr herumnagte. Zur Beginn der Saison 2018 gab es viele Veränderungen im Team, einschliesslich eines neuen Motors. Ich fand, es ist es wert, noch ein Jahr zu bleiben, um zu sehen, wie sich das entwickelt. Das Auto machte Spass zu fahren, aber ich erkannte, dass es schwierig würde, konkurrenzfähig zu werden – also sage ich eben „auf Wiedersehen“.»
Das war aber nicht der wichtigste Grund. «Es gab Jahre, von welchen ich wusste, dass ich wohl nicht viele Rennen gewinnen kann – 2003, 2004, 2008 und 2009 und auch 2011. Und doch blieb immer ein Element der Unwägbarkeit. Das gibt es heute nicht mehr. Wir könnten jetzt schon festlegen, wie die Rennen in Spa oder Monza verlaufen werden. Wir können die ersten 15 Positionen niederschreiben, vielleicht mit einigen wenigen Platzverschiebungen. Ich finde es schwer zu akzeptieren, wie vorhersehbar das alles geworden ist.»
«Wir gehen nach Barcelona, und nach dem ersten Wintertesttag ist klar, wie deine Saison verlaufen wird. Das ist kaum verdaulich. Ich kann immerhin sagen: Ich habe mehr erreichen dürfen, als ich mir je vorstellen konnte. Für andere Fahrer muss das noch schwieriger sein. Sie müssen darauf hoffen, dass ihrem Rennstall ein unfassbarer Schitt nach vorne gelingt oder das richtige Team anruft. Wenn sich die Dinge nicht ändern, wird die Formel 1 für ehrgeizige Fahrer ein hartes Pflaster.»
«Seit Jahren sind wir keine Racer, sondern Verwalter. Ständig müssen wir mit irgendetwas haushalten. Mit der Energie, mit dem Kraftstoff, mit den Reifen. Das ist wider die Natur eines Racers.» Nichts unterstreicht die Worte von Alonso besser als der Rennverlauf in Singapur: Die GP-Piloten zuckelten zu Beginn des Rennens herum, die meisten von ihnen darauf bedacht, die Pirelli-Reifen um den Kurs zu tragen wie rohe Eier.
Das ist auch Alonsos früherem Renault-Stallgefährten Jarno Trulli aufgefallen. Der 252fache GP-Teilnehmer sagt meinem Kollegen Leo Turrini: «Was ist nur aus dieser Formel 1 geworden? Es kann doch nicht sein, dass die Fahrer zwölf Sekunden langsamer als in der Qualifikation um den Kurs gondeln – absurd, lächerlich! Ich kann mir vorstellen, was in den Köpfen von Kimi und Fernando vorgehen muss, aber auch von Lewis und Seb, denn sie alle kannten eine Zeit, als die Formel 1 noch eine wahre Formel 1 war.«
Jetzt hat sich der 44jährige Winzer warmgeredet: «Früher bestand die Aufgabe darin, vom Start bis ins Ziel volle Kanne zu fahren. Nun müssen die Piloten dazu ermahnt werden, auch ja langsam zu fahren, um Reifenverschleiss und Benzinverbrauch im Griff zu behalten. Du als Zuschauer hast keine Ahnung, wer hier wirklich am Limit fährt.»
Der Monaco-GP-Sieger von 2004 findet auch: «Jetzt muss endlich etwas passieren! Sonst wird diese Widernatürlichkeit unumkehrbar. Mich schmerzt das, weil ich die Formel 1 liebe, die so viele Jahre Teil meines Lebens gewesen ist. Was für eine Schande!»
Für den WM-Sechsten von 2004 ist klar, wer in diesem Jahr Weltmeister wird: «Lewis Hamiton. Ich habe in diesem Jahr von ihm keinen einzigen Fehler gesehen. Er ist einfach besser als Vettel, und für Ferrari verfliegt der WM-Traum ein weiteres Mal.»